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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 50.1922

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Osborn, Max: Arbeiten von Marie Elisabeth Fränkel
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https://doi.org/10.11588/diglit.9143#0117

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ARBEITEN VON MARIE ELISABETH FRANKEL.

Auf einer großen Ausstellung bei Cassirer in
IX Berlin geschah es. Es war eine umfassende
und bunte Schau über die Aquarell-Bemühungen
unserer Zeit, und damit das Bild sich nicht gar zu
einförmig aus Hunderten kleiner Blätter zusam-
mensetze, fand sich, durch die Säle verstreut,
auch ein wenig Plastik. Dabei ein paar Stücke
mit dem Namen Marie Elisabeth Frankel. Wer
ist das? fragt man sich. Mit der aufmerkenden
Neugier des Dauerkunstwanderers, zu dessen
größten Freuden es gehört, einem unbekannten
Talent zu begegnen, forscht man weiter. Und
findet eine junge Künstlerin von so eigenem
Wesen und Gefühlsausdruck in den nicht allzu-
weit ausladenden Grenzen ihres Arbeitsbezirks,
daß man sie, wiederum höchst angenehm berührt,
in die üblichen Rubriken nicht einordnen kann.

Die Zeiten sind längst vorüber, da die Plastik
nur sehr lockere Beziehungen zur weiblichen
Künstlerschaft unterhielt. Und auch das ist
nichts Neues mehr, daß junge Mädchen von
Begabung sich in eine rechte Handwerksiehre
geben, um das Problem künstlerischer Arbeit
nicht nur als ein Objekt gefälligen, feinen Spiels
zu betrachten, sondern zu seinen Gründen vor-
zudringen. Aber selten habe ich doch diese
Fortschritte mit einer so persönlichen und ge-
schlossenen Empfindungswelt vereinigt gesehen
und mit einem so zielsicheren Willen, ihr Form
zu geben. M. E. Fränkel hat redlich ihre Schule
durchgemacht. Sie war am Berliner Kunstge-
werbemuseum und erfuhr dort die anregende
Kraft von Josef Wackeries Unterricht. Dann
ging sie auf den Rat dieses Lehrers, der ihre

besondere Neigung zum Holz erkannte, nach
Oberammergau. In dem gesegneten und be-
rühmten bayerischen Orte kann man viel lernen.
Viel — das will sagen: vielerlei. Man kann
dort sehr leicht in eine konventionelle Routine
geraten, die den Begriff der Überlieferung recht
eng faßt. Man kann aber auch, namentlich heute
in der Unterweisung von Christian Wittmann,
dahin geführt werden, den Sinn der Tradition
freier zu begreifen und die glänzende handwerk-
liche Schulung, die Oberammergau unter allen
Umständen gewährt, zu selbständigem Schaffen
zu nutzen. Durch ihres Meisters Wittmann ver-
ständnisvolle Leitung und durch das Gebot ihres
künstlerischen Triebes fand Marie Elisabeth
Fränkel diesen weiten Weg. Sie machte wohl
den Lehrgang durchs bayerische Barock mit,
der sich dort oben im Gebirge als etwas Natür-
liches ergibt. Aber sie drang darüber hinaus
zu Gestaltungen vor, die weitab von diesem
Schema liegen. Was Oberammergau ihr gab,
war außer der technischen Sicherheit, die sie
befähigte, jedem Holzklotz unerschrocken ge-
genüberzutreten, vor allem und wesentlich die
Gefühlsinnigkeit und seelische Hingabe der
katholischen Welt, in die sie sich versetzt sah.
Unmerklich strömte in der Heimat der Passions-
spiele das eigentümliche Geistesleben der Be-
wohner in die junge Berlinerin, die hier aus
der wirren materiellen Zivilisationswelt der
Großstadt in die Nähe einfacher, mit ihrem Gott
vertrauten Umgang pflegender Menschen ge-
kommen war. Aus solchen Stimmungen wurden
die eigenartigen Arbeiten geboren, die dann,

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