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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 50.1922

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Osborn, Max: Arbeiten von Marie Elisabeth Fränkel
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https://doi.org/10.11588/diglit.9143#0118

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Arbeiten von Marie Elisabeth Frankel.

108

MARIE E. FRANKEL-BERLIN.

ans Licht gebracht. Sie
scheinen noch nicht ganz aus
dem Schlummer ihrer Ver-
kapselung erwacht. Noch ist
um sie gleichsam ein Traum-
schleier gebreitet, unter des-
sen kaum merklicher Ver-
hüllung wir ihre Verbun-
denheit mit der Materie, aus
der sie bestehen, doppelt
eindringlich spüren. — Alle
diese Figuren sind Gefäße
einer versonnenen Sehn-
sucht. Sie äußert sich ver-
schieden. In frommem Ge-
bet, in tiefem Nachdenken,
in musikalischer Versunken-
heit, in religiöser Schwär-
merei. Das „Sinnende Mäd-
chen" ist, fast wie eine
Kwannon aufgebaut, eine
ganz ferne, bescheidene
Verwandte des Rodin'sehen
Denkers. Ausgezeichnet,
wie die Linien des Gewan-
des aus natürlicher, stil-
mäßig benutzter Breite em-

nach der Heimkehr, ent-
standen. Was Marie
Elisabeth innerlich er-
lebt hatte, berührte sich
ganz natürlich mit den
Wünschen der jüngsten
Kunst, deren ganze
Sehnsucht darauf ge-
stellt ist, das uferlos wo-
gende Meer des erreg-
ten Gefühls in sichtbare
Form zu zwingen. So
entstanden diese Re-
liefs und Holzschnitze-
reien, die von einer zar-
ten Mystik bestimmt
sind. M. E. Fränkel
nimmt ihre Schnitzmes-
ser zur Hand und aus
einem rohen Stück Birn-
baumholz lösen sich Fi-
guren, die so aussehen,
als seien sie seit tausend
Jahren in den Fasern
des Holzes verzaubert
gewesen, mit ihnen lang-
sam gewachsen und nun

MARIE ELISABETH FRANKEL. »CELLOSPIELER«

HOLZPLASTIK »KNIENDE«

porstreben, um dort in die
Umrisse des Körpers und
der Arme überzugehen und
in die kugelhafte Rundung
des Schädels zu münden.
Wie hier, ist bei ihren Schwe-
stern die Flächenbehand-
lung aufs Einfachste zurück-
geführt, wahrhaft aus dem
Holz gedacht. Nur die ent-
scheidenden Formteile sind
herausgehoben und mit ei-
ner überraschendenKlarheit
zusammengefügt. Der Kopf
ist gern ein wenig größer
gehalten, als es ein natura-
listischer Maßstab zuließe.
Die Arbeiten erhalten da-
durch einen Zug des Primi-
tiven , der aber nicht modisch
erzwungen, sondern wirk-
lich aus der Anlage des
Ganzen geboren scheint.
Ein Gran Urtümlichkeit und
ein Gran Gotik mischen sich
mit technischer Erfahrung,
die rührend vergeistigt ward.
 
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