Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

DOI Artikel:
Luzzatto, Guido Lodovico: Felice Casorati
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0085

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
FELICE CASORATI.

Feiice Casorati ist siebenunddreißig Jahre
alt; seine Schöpfungen aber, die einen rich-
tigen und bedeutenden Ausdruck seiner Per-
sönlichkeit geben, beginnen erst im Jahre 1922.
Damals ist Casorati als Künstler fast zum zwei-
ten Mal geboren worden. Seitdem hat er den
Kontakt mit seinen früheren Bestrebungen ge-
löst und auf einmal eine intensive, persönliche,
zielstrebende Tätigkeit begonnen.

Er gehört zu einer Maler-Generation, die das
qualvolle Gefühl einer Kunst ohne Gesetze,
ohne Schema, ohne Zwang und Hemmnisse an
sich erfahren hat, und die nun, um den festen
Boden unter sich zu fühlen, auf verschiedene
Weise den bestimmten Umriß des Bildes und
den geschlossenen Stil sucht, wie er in den
antiken Werken zum Vorschein kommt. Man
könnte sagen, daß die Maler, verzweifelt dar-
über, keine Schule in ihrer Umgebung gefunden
zuhaben, sich eine eigene Schule schufen, eine
Schule mit eigenen Gewohnheiten und eigenen
Regeln, um das Gefühl zu haben, unter einer

gewissen Bindung endgültige Werke schaffen zu
können. Es handelt sich nicht um eine Reak-
tion; die geistige Bewegung, welche Casorati in
die Nähe Mantegnas bringt, ist die gleiche, die
Kirchner zu seinem extremen Expressionismus
treibt. Es ist der Drang nach einem definitiven
Bilde, stilisiert durch eine vollkommene Zu-
sammenfassung der Ausdrucks-Elemente, das
Streben nach einem Bilde, das nicht nur in
sich begründet ist, sondern die Linie ewiger
Kunst enthält, und den Ausdruck des Indi-
viduellen übersteigt.

Feiice Casorati hat Gestalten malen und kon-
struieren wollen, die reine Form sein sollen,
die folglich fügsame, unmittelbare Elemente
werden sollten für seinen Traum, um die reine
Harmonie, die leuchtende Architektur, die er
in der Tiefe seines Geistes fühlte, schaffen zu
können. Er hat sich der Antike genähert, um
ihr einige Linien zu entleihen, doch die farbige
Beseelung, eine glänzende, tiefe, dichte Farbe
ist sein innerlicher Ausdruck und deshalb neu.

XXVIII. Mii 1925. 1
 
Annotationen