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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

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Lützel, W.: "Positive" Kunst und "negative" Kunst: die Gipfelung aller Kunst ist das Schöne
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https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0111

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„POSITIVE" KUNST UND „NEGATIVE" KUNST.

DIE GIPFELUNG ALLER KUNST IST DAS SCHÖNE.

Das Phänomen der Suggestion ist von der das Tatsächliche jener Wirkungen, und es ist

modernen Wissenschaft neu entdeckt wor- sicher, daß unserem Zeitalter unter anderm

den. Erst in unseren Tagen aber beginnt man die Aufgabe zugefallen ist, das menschliche

zu begreifen, welcher ungeheure Komplex von Wissen gerade nach dieser Seite hin von neuem

Tatsachen mit dieser einen, trockenen Einzelheit zu erweitern und zusichern. — Die Tatsache

unlösbar verbunden ist. Die „Suggestion" war der „Suggestion" (im gewöhnlichen Sprachge-

nur ein kleines, greif-
bares , verschwin-
dend geringes End-
chen dieser großen

Gesamt-Tatsache,
welche sich nennt die
Eingewobenheit des
Menschen in ein ufer-
loses System von wir-
kenden Kräften, die
ihn fortwährend auf
dem Umweg über das
Unbewußte beein-
flussen. — Es ist
ganz sicher, daß die
moderne Menschheit
in der Verfolgung
dieser Wirkungen, in
der Pflege und An-
wendung dieser im
Unbewußten wirken-
den Kräfte eine Men-
ge Irrtümer und Ver-
stiegenheiten begeht.
Die zahllosen Schu-
len, Richtungen, Be-
wegungen, die ihnen
dienen, haben min-
destens ebensoviel
Nachteil wie Vorteil
gestiftet. Sie haben
beiallem „Wissenum
das Unbewußte" oft
einen blinden, schäd-
lichenRezeptglauben
erzeugt. Sie haben
das menschliche Le-
ben oft gerade da
angegriffen, wo sein
Heiligstes u. Schön-
stes liegt, seine Un-
schuld, seine stille,
unberührbare Ein-
falt. — Aber dieser
Mißbrauch darf nicht
den Blick trüben für

PROFESSOR RICHARD LANGER. »HIRTE« KLEIN PLASTIK.

brauch) betrifft zu-
nächst nur jene ab-
sichtliche Willens-
einwirkung auf das
Unterbewußtsein ei-
nes Menschen, die
heute in der Hand
desArztesschonzum
simplen, trockenen
Heilmittel geworden
ist. Aber unser Un-
terbewußtsein horcht
immer, es nimmt im-
mer auf und gibt im-
mer die entsprechen-
de Antwort. Weil
dies so ist, deshalb
sind wir durchgängig
von „Mächten" um-
geben, nicht von blo-
ßen „Dingen". Da
wir selbst „Mächte"
sind und da wir zu-
gleich grenzenlosEm-
pfangende sind, wird
alles zur „Kraft",
was auf uns einwirkt.
Wir wissen heute
wieder, daß Worte
nicht bloße Zeichen
für intellektuelle Ver-
ständigung sind, son-
dern auch Kräfte, die
uns dienenoder scha-
den. Gedanken,
die in uns auftau-
chen und denen wir
uns hingeben, sind
nicht belanglose, un-
wirkliche Spiele uns-
res Gehirns, sondern
tatsächliche, wenig-
stens in ihrem Wir-
ken, Benehmen, Auf-
treten und Wieder-
kommen tatsächliche

XXVID. Mai 1926. 4
 
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