Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Echte Kunst, eines Liebenden Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0252

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Echte Kunst, eines Liebenden Kunst.

pablo
gargallo.
»kauernde
m. spiegel«

pwww

HMHHSHHHHMBMi

Es geschiebt aber nicht nur die Aufschließung
des sehenden Menschen, es geschieht nicht nur
die Aufschließung des gesehenen Objekts, es
geschieht vor allem auch ein Deutlichwerden,
ein Erwachen des großen Weltlebens überhaupt.
In der Liebe zu einem einzigen Ding oder Wesen
erfahren wir immer zugleich das Leben der ge-
samten Kreatur.

Wenn Rembrandt in dieser bestimmten, lie-
benden Weise ein Stück Geweb e — ich denke an
den Ärmel des Mannes in der „Judenbraut" —
erblickt und schildert, so tut sich ihm nicht nur
die stille, feierliche Pracht dieses Brokats auf,
sondern er hat auf einmal in ihm das ganze
Leben, die ganze Welt. Er erfährt dasselbe, was
der Liebende in seinem Verhältnis zur gelieb-
ten Person erfährt. Dieser merkt nämlich frü-
her oder später, daß er mit dieser Person zu-

gleich die Natur, die Wälder und Gärten, die
Blumen, die Tiere mit den wilden oder sanften
Augen liebt, sieht und umarmt. Alles ist dem
Liebenden gegenwärtig und eingefangen in diese
eine geliebte Gestalt. Das einzelne Wesen, das
wir lieben, wird unausweichlich zum Stellver-
treter der ganzen Kreatur, es wird uns zur Ge-
währ der Lebensallfülle, die im Umkreis der
Schöpfung wirkt. Deshalb kaon Rembrandt in
jenes Stück Brokat die Pracht aller Farben hin-
einwerfen. Wie das Trinkhorn, das die Riesen
dem Thor reichen, geheim mit dem Weltmeer
in Verbindung steht, so stebt jedes Geschöpf,
dessen Leben wir liebend entgegennehmen, mit
dem All-Leben in Verbindung. Wir trinken an-
scheinend aus geringem, vereinzeltem Becher,
aber mit Staunen haben wir bald den Geschmack
der großen Welt auf der Zunge.......w. m
 
Annotationen