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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Die Offenbacher Kunstgewerbeschule und Ignatz Wiemelers Lederkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0257

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DIE OFFENBACHER KUNSTGEWERBESCHULE UND
IGNATZ WIEMELERS LEDERKUNST.

Wenn mich die Offenbacher Kunstgewerbe-
schule zu Schau, Betrachtung und Beur-
teilung luden, dann bin ich immer gern gefolgt.
Es ist ein ganz Besonderes um das Wirken in
Hugo Eberhardts stattlichem Hause. Da sind
keine verstaubten Ecken und keine toten Win-
kel, da weht keine verbrauchte Luft, da wankt
man nicht auf unfruchtbarem Boden. Wo immer
man eine Türe öffnet, blitzt einem festliche
Arbeitslust und junges Künstlerwollen ent-
gegen. Blickt man näher zu, da sieht man ein
reges Schaffen und Wirken, gesund und fest im
Handwerklichen verankert, überall ist für An-
regung und Einwirkung durch Lehrbild und Bei-
spiel gesorgt, und ein im Geiste einiger Lehrer-
stab sorgt und pflanzt, macht Karges wachsen
und beschneidet das Allzuüppige I Immer neue
Aufgaben werden gestellt und treiben zu erhöh-
ten Leistungen, die in sorglich bereiteten Aus-
stellungen Bewertung und Beurteilung erhalten.

Alles im allem ist Atmosphäre in Offenbach
— fruchtbare, nährende Atmosphäre, die um
so erstaunlicher wirkt, als sie die an sich wohl
begründete Meinung, Industriestädte könnten
nicht Kunststädte sein, glänzend widerlegt!
Offenbach ist durch seine Kunstgewerbeschule
entschieden ein moderner kunstgewerblicher
Kristallisationsstock, ein bedeutendes Zentrum

in seiner Art. Es mag ihr dafür dankbar sein,
dankbar dem vortrefflichen Eberhardt und sei-
nen Mitarbeitern, die ein solches Kunststück
vollbracht haben 1 Daß es ihnen vorbildlich ge-
lang, hat seinen guten Grund: Man hatte das
einzig Richtige erkannt: Künstlerische Lehr-
werkstätten können nur dann in einer Industrie-
stadt Lebenselement werden, wenn sie ihre
Aufgabe darin erblicken, den Boden um sie
herum, sich nutzbar zu machen, ihn zu befruch-
ten und anzuregen und sich ihrerseits wiederum
von ihm anregen, nähren und fördern lassen.
Eine einfache Wahrheit und doch nur dort ver-
wirklicht, wo ein erkennender und unermüdlich
wollender und fruchtbarer Geist an der Spitze
steht. An erster Stelle steht in Offenbach schon
seit Isenburgischen Tagen die „Portefeuille-und
Lederindustrie". — Ihr zu dienen, sich nützlich
zu erweisen — erkannte Prof. Eberhardt als
erste Pflicht. So schuf er das unvergleichliche
Ledermuseum mit seinen köstlichen Schätzen
zu Nutz und Vorbild, das von der kunstvollen
Truhe über Futterale und Etuis und Tasche bis
zum herrlichen Buchdeckel alles begreift, was
aus Leder gemacht werden kann. So richtete
er Lehrwerkstätten ein, in denen für diese Indu-
strie künstlerische und technische Kräfte heran-
gezogen werden. Damit wäre seiner Anstalt an
 
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