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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

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Ritter, Heinrich: Dienende Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0303

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Dienende Kunst.

gaffen, mit dem lie-
ben Nächsten zu be-
fassen. Dem kommt
die Kunst mit ihrer
liebenswürdigen In-
diskretion entgegen.
Dann will die Kunst
uns auch gewisse
Zeitinhalte mitteilen,
sei es, daß sie be-
stimmte Gegenstän-
de behandelt und er-
örtert, sei es, daß
sie eine Zeitpsycho-
logie vorträgt in der
Art, wie der Maler
sich ausdruckt, wie
er mit Farbe, Pinsel
und Stift verfährt,
wie er das ihm Wich-
tige an den Din-
gen herausholt. Die
Kunst hat eine phy-
siognomische Bedeu-
tung; man kann aus
ihr die Gesinnungen
und Stimmungen der
Zeit ablesen. Und
hat schließlich jeder
Mensch eine Freude,
wenn er bei einem
Künstler den be-
stimmten Rhythmus
seines eigenen Emp-
findens , die Farbe
seines eigenen Tem-
peramentsoder Welt-
gefühls wiederfindet.
— So wendet sich
die Kunst in vielerlei
Weise an den Men-
schen. Sie bringt
nicht nur das Schöne
und Große, sondern
auch das, was die
kleineren Leiden-
schaften und Inter-
essen des Menschen
anspricht, also das
„Interessante", das
Reizvolle, das Lie-
benswürdige. Und
sie tut das gerade
auch mit ihren Lei-
stungen mittle-
ren Ranges. Ge-
wiß.Rembrandt.Grü-

JOHANNES SCHIFFNER—BERLIN.

GROSSPLASTIK ȆBER DER WELT SEIN.

AUSSTELLUNG DER AKADEMIE DER KÜNSTE ZU HERLIN.

newald, Michelange-
lo sind Gipfel der
Kunst, und es ist ein
großes Erlebnis, ih-
nen zu begegnen.
Aber man kann den
Kunstgenuß mit dem
Naturgenuß verglei-
chen : man braucht
wirklich nicht jedes-
mal auf den Mont-
blanc oder auf den
Gaurisankar zu stei-
gen, wenn man eine
schöne Aussicht ge-
nießen will. Es gibt
auch von beschei-
deneren Erhöhungen
aus allerlei Feines
und Herzerquicken-
des zu sehen. Und
es ist viel wichtiger,
daß man das rechte
Verhältnis zur Land-
schaft hat, als daß
man sie immer von
denhübschen Gipfeln
aus betrachtet. So
ist es auch mit der
Kunst. Man kann
sogar sagen: viel-
leicht ist die Schul-
ung an ihren kleinen
Freuden ein recht
guter Weg zur Emp-
fänglichkeit für ihre
großen Freuden. —
Gewiß dürfen uns
die endgültigen, die
strengen Maßstäbe
nicht verloren gehen.
Das Hohe muß im-
mer sichtbar bleiben
als Ziel des Stre-
bens, als letzter Ver-
gleichspunkt , damit
nicht Trägheit und
Verrat am höchsten
Beruf der Kunst ein-
treten. Man wird
auch nicht die Aus-
stellungspolitik einer
Kunststadt oder ei-
nes Landes auf dem
Gedanken an diese
mittleren Dienste der
Kunst aufbauen kön-
 
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