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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

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Zak, Eugène: Charles Despiau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0385

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CHARLES DESPIAU.

Siebzehn Jahre alt kam Despiau nach Paris
mit der Absicht, ein Bildhauer zu werden,
Die ganze französische Plastik befand sich da-
zumal unter dem Einfluß von Rodin. Der ge-
strenge Meister gab ihm mehrmals Zeichen
seiner Anerkennung und Achtung; für einen
Anfänger eine bedeutungsvolle Ermutigung.
Aber trotz seiner Bewunderung für Rodin be-
griff er sehr schnell, daß sein Weg sich von
dem lyrischen Naturalismus, dem der große
Bildhauer immer mehr verfiel, zusehends ent-
fernte. Die Wahrheit, die Natur zogen ihn
mächtig an. Und so hätte er ohne Zweifel einen
durchaus eigenen Weg finden können. Tat-
sächlich wurden aber die Anregungen, die der
Bildhauer Lucien Schmegg ihm gab, für seine
fernere Arbeit entscheidend. Sie fielen gerade
in jene Stunde des fieberhaften Suchens, in der
ein Künstler zwischen zwei Wegen wählen muß:
dem, den die anderen schon gegangen sind,
und dem eigenen, den er noch nicht kennt.

Lucien Schmegg, der ein klares Verständnis für
die ewigen Gesetze der Skulptur besaß, be-
mühte sich vor allen Dingen, schöne Bezieh-
ungen der Massen innerhalb des Bildwerks zu
erreichen. Das hieß zu dem königlichen Wege
zurückzukehren, den die großen Künstler aller
Kulturen, sowohl der alten als auch der mo-
dernen, gegangen sind. Schmegg zeigte diesen
Weg Despiau, der ihn selber suchte und sich
ihm schon genähert hatte. Von nun an ver-
folgte er ihn, mit dem Ergebnis, daß von allen
Werken, denen diese künstlerische Anschauung
zugrunde lag, die seinigen die vollkommenste
Erfüllung des erwähnten Strebens darboten.

Despiaus Arbeiten sind zwar wenig zahlreich,
aber unter ihnen gibt es doch so viel Vollkom-
menes und Meisterliches, daß man ruhig sagen
kann: kein anderer moderner Bildhauer hat
eine derartige Fülle von Werken absoluten
Wertes geschaffen und seinen Ruhm schon
bei Lebzeiten so unzweideutig gesichert.

XXVIII. September 1925. 5
 
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