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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 56.1925

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Michel, Wilhelm: Ausstellung "Bayerisches Kunsthandwerk 1925" in München, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9179#0399

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ARCHITEKT PROF. O. BIEBER.

»AUSSTELLUNGS-GEBÄUDE«

AUSSTELLUNG „BAYERISCHES KUNSTHANDWERK 1925"

IN MÜNCHEN.

Ursprünglich war diese Ausstellung, deren
Pavillon sich im alten botanischen Garten
hinter dem Glaspalast erhebt, als festliche Ver-
anstaltung zu einem Jubiläum des Bayerischen
Kunstgewerbe-Vereins gedacht. Der Gang der
Dinge brachte es mit sich, daß am Ende unge-
fähr das Gegenteil daraus wurde, nämlich eine
Verlautbarung der betont fortschrittlichen Kräf-
te. Statt eines Ausgehens in die Breite kam es zu
programmatischer Zuspitzung im Sinne der Jun-
gen. Man wird das, gerade im Interesse Mün-
chens, kaum bedauern können. Im Bayerischen
Kunstgewerbeverein kommt die nicht unbedenk-
liche Neigung zum Haften und Verweilen, die auf
dem Münchener Boden gedeiht, besonders klar
zum Ausdruck. Ihre Kennzeichen sind die be-
hagliche Auswertung des ehemals Erreichten,
die ausgesprochene Breitenentwicklung, die

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bürgerliche Ausmünzung, die Scheu vor Wag-
nissen und Abenteuern. In dieser Haltung liegt
etwas Löbliches; auf ihr beruht jene weitgehende
geschmackliche Durchwirkung des Münchener
Lebens und Leistens, die im Gesamtbild der
Stadt angenehm bemerkbar wird. Aber zu-
gleich beruht auf dieser Haltuog Münchens
schwerster Mangel: die Scheu vor dem An-
zweifeln und Verlassen des allgemeinen „Ni-
veaus", das kompakte Mißtrauen gegen das
besondere Wagnis, die Abneigung gegen das
Ausscheiden unergiebig gewordener Kräfte und
Tendenzen. Das veranlaßte Lovis Corinth
wenige Wochen vor seinem Tode noch zu der
Bemerkung, München sei ausgezeichnet zum
Studieren und sich nach getaner Arbeit zur
Ruhe setzen; aber zur Werkstatt für den täti-
gen und wagenden Mann eigne es sich wenig.

FT

ARCHITEKT PROFESSOR OSWALD BIEBER—MÜNCHEN.
 
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