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Böker, Doris [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 31): Stadt Oldenburg (Oldenburg) — Braunschweig, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.44439#0230
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vergleichbar einem Landschaftsgarten durch
diese Richtungsänderung überraschende
Ausblicke eröffnete. Sie geht in die von
1821—1830 neu angelegte und gepflasterte
Bremer Heerstraße über, die eine kürzere
Verbindung nach Bremen durch das Ostern-
burger Moor schuf, dessen Trockenlegung in
der Folge systematisch vorangetrieben
wurde. Indem Kreuzungspunkt von Cloppen-
burger, Stedinger und Bremer Straße am
westlichen Rand des Geestkammes, die als
Ausfallstraßen gleichzeitig die Hauptlinien für
die Bebauung bildeten, liefen also die Fern-
verkehrswege zusammen, um die Huntenie-
derung in einer gemeinsamen Straße, dem
Damm, zu überqueren.
Die Entwicklung Osternburgs zum Industrie-
vorort mit städtischem Gepräge setzte um die
Mitte des 19. Jh. ein, als nördlich der Stedin-
ger Straße auf dem Grundbesitz des Gutes
Drielake 1845 eine Glashütte und 1856 eine
Warpsspinnerei gegründet wurden. Die zu-
nächst als Handwerksbetrieb, ab 1857 dann
als ein auf Großproduktion ausgerichteter In-
dustriebetrieb mit eigenem Werkshafen ar-

beitende Glashütte produzierte in erster Linie
für den Export und wurde erst 1983 stillgelegt.
Die Warpsspinnerei, die 1858 die Produktion
aufnahm, entwickelte sich bis 1861 mit 331
Arbeitern zum größten Betrieb im Großher-
zogtum Oldenburg (Produktion endgültig
1975 eingestellt). Der Besiedlungsschwer-
punkt lag nun außerhalb des alten Dorfes im
Umfeld dieser Betriebe, wo sich außer Arbei-
tern kleine Geschäftsleute und Handwerker
ansiedelten, denen die 1857/59 nach Plänen
von C. Inhülsen errichtete Dragonerkaserne
(Bremer Straße 71, abgebrochen 1981) Ver-
dienstmöglichkeiten bot. Begünstigt wurde
die Entwicklung des Ortes 1876 durch den
Bau der Eisenbahnstrecke nach Osnabrück,
an der Osternburg einen eigenen Bahnhof er-
hielt, und die Anlage des Osternburger Ka-
nals (1876/78), derfüreine bessere Moorent-
wässerung sorgte und als Wasserstraße für
die Torfverladung genutzt wurde. Der Anstieg
der Einwohnerzahlen von 2.800 im Jahre
1850 über 6.000 im Jahre 1887 auf 11.930 im
Jahre 1919 spiegelt die rasche Entfaltung der
Vorstadt Osternburg wider. Die Anlage neuer
Straßen in der 2. Hälfte des 19. Jh. richtete

Cloppenburger Str., Dreifaltigkeitskirche, 1614-16


sich zunächst, wie der Straßenzug von Dra-
goner- und Schützenhofstraße am östlichen
Rand des Flugsandrückens zeigt, nach den
geographischen Gegebenheiten. Erst um
1900 kommt es zu einer weiteren Ausdeh-
nung des Wegesystems: Kennzeichnend für
die Moorkultivierung sind z. B. die beiden pa-
rallel nach Südosten vorstoßenden Straßen
Sand- und Herrenweg. Von dem einhüftigen
Straßendorf an der Cloppenburger Straße hat
sich der Siedlungskern in unserem Jahrhun-
dert in das Gebiet zwischen Cäcilien- und
Amalienbrücke verlagert, die Osternburg an
die Oldenburger Altstadt anbinden. Das heu-
tige Erscheinungsbild setzt sich daher aus
mehreren, räumlich weit auseinanderliegen-
den und funktionell unterschiedlichen Berei-
chen zusammen: dem alten Straßendorf an
der Cloppenburger Straße, dem Osternbur-
ger Bahnhofsviertel an der Bremer Heer-
straße sowie dem Industrie- und Gewerbege-
biet im Norden an der Stedinger Straße.

CLOPPENBURGER STRASSE
Die Cloppenburger Straße, welche in die seit
den fünfziger Jahren stark angewachsenen
südlichen Stadtviertel führt, weist in ihrem bis
1928 Cloppenburger Chaussee genannten
Abschnitt südlich der BAB 28 das typische
Nutzungsspektrum einer großstädtischen
Ausfallstraße auf. Im nördlichen Bereich zeigt
sie mit den wenigen noch erhaltenen, jedoch
stark veränderten ehern. Wohn-/Wirtschafts-
gebäuden, den Landhäusern des frühen 19.
Jh. sowie der im letzten Viertel des 19. Jh.
auch auf der Nordwestseite einsetzenden
Wohnbebauung aus traufständigen Doppel-
häusern und giebelständigen Gebäuden mit
Drempel eine größere städtebauliche Ge-
schlossenheit. Den Mittelpunkt des ehern.
Straßendorfs bildete die 1614-1616 erbaute
Dreifaltigkeitskirche, eine der wenigen nach-
reformatorischen Neugründungen im Olden-
burger Land, die sich auf der Ostseite der
Straße innerhalb des ummauerten und leicht
erhöht liegenden Osternburger Friedhofs er-
hebt. Sie wurde ursprünglich westlich eines
bereits bestehenden Friedhofs errichtet, des-
sen Nordgrenze mit der nördlichen Kirchen-
wand fluchtete. Der als schlichte Saalkirche
mit dreiseitigem Chorschluß aufgeführte
Backsteinbau unter steilem Dach wurde 1734
nach Westen um eine Fensterachse und ei-
nen Turm erweitert, der ein freistehendes,
hölzernes Glockengerüst ersetzte und heute
mit einem niedrigen Kupferhelm von 1927
eingedeckt ist. Den ursprünglichen Hauptein-
gang auf der südlichen Traufseite zeichnet ein
Sandsteinrelief des gräflichen Wappens aus.
Der durch große Rundbogenfenster belich-
tete Innenraum, den eine Empore auf Ost-
und Nordseite strukturiert, ist wegen der aus
der Erbauungszeit stammenden Ausstattung
besonders bemerkenswert. Die Bemalung
der Balkendecke mit figürlichen Darstellun-
gen und manieristischer Ornamentik (datiert
1634) sowie der Empore (datiert 1636) ist ein
Werk von Johann Kirchring d. J., ebenso wohl
die Altarwand mit dem Salvator als Mittelbild
und dem Abendmahl in der Predella. Die far-
big gefaßte Sandsteinkanzel (datiert 1616)

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