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I

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Die Junker auf de

Rechte zu sein. Weh' mir, ich bin verloren, der Arzt weiß
keine Rettung — Heinrich! Ich grüße Dich — von Deiner
Mutter!"

„O Gott!" rief ich schmerzlich bewegt, „von meiner un-
glückseligen Mutter! O sprecht, lebt sie noch?"

„Sie ist todt — und ruht in Upsala's Erde. Hier —"
und der Sterbende bemühte sich, von seiner blutbefleckten Brust
eine goldene Kette zu nehmen. „Dies Kleinod soll ich Dir
bringen, Dir, an dem erst in späteren Jahren, nachdem Jugend,
Sinnenrausch und Leichtsinn des Weibes verflogen, Deine krän-
kelnde Mutter mit qualvoller Erinnerung hing. Dir, Heinrich,
sollte ich —• so wollte sie's vor zwei Monden, ehe sie starb
— nachforschen und die Kette hier übergeben, auf daß Du sie
vereinigest mit der anderen, welche Dein Vater trug. Sollte
dieser noch leben, so möge er ihr — dies waren ihre letzten
Worte — verzeihen, was sie an ihm verbrochen!"

Mühsam holte der Sterbende Athem. Dann begann er,
j immer schwächer werdend, auf's Neue: „Ich erkannte Dich längst
an der Schwalbenkette an Deinem Halse. Scheu und Scham
, hielten mich bisher zurück, mich Dir zu entdecken. Auch hat
mein wilder, vergnügungssüchtiger Sinn mich hier zu Nürnberg
! so hingerissen, daß ich mich an schwelgerische Gelage setzte, in
die Arme der Weiber warf und beim Spiele und Bankette die
' Ruhe suchte, die Betäubung, so daß ich manchmal wieder schwankte,

; ob ich Dir überhaupt mich entdecken sollte! Mein Tod —

| zwingt mich — Dir Alles zu enthüllen, damit ich jenseits nicht
verloren sei. Aber — verlangst Du noch ein wörtliches Be-
kenntnis O, Du hast cs bereits errathen: Niemand als ich
war der Entführer Deiner Mutter. Ich nahm sie mit mir
zum Kriegsschauplätze. Bei dem Heere mißbilligte aber unser
Gebieter, Wallenstein, sonst so nachsichtig gegen die Soldaten,
meinen Bund mit der Entführten und drohte, sie dem Gatten
zurückzuführen. Da flohen wir aus den deutschen Landen und
suchten in Schweden unseren Herd zu gründen. So gelang es
j mir, Deine Mutter zu sichern und auf immerdar an mich zu
! ketten. Ich stieg im schwedischen Kriegsdienste empor. In Upsala
galt Deine Mutter als mein Weib und dort lebte ich mit ihr,

* bis der Krieg mich auf's Neue nach Deutschland rief. Ich
kehrte erst vor wenig Monden wieder nach Upsala zurück. Da
fühlte Deine Mutter bereits ihr Ende nahen. Ich mußte ihr
! versprechen, Dich zu suchen. Zur selben Zeit erging des Kanzlers
Oxenstierna Auftrag an mich, Schweden in Nürnberg zu ver-
! treten. Ich ging gerne hieher, nachdem Deine Mutter gestor-
! ben, weil reiche Belohnung mir vom Kanzler in Aussicht ge-
stellt ward, wenn ich Alles für Schweden glücklich beendigen
! würde — und ich ging auch mit dem Vorgefühle, daß da,
wo ich ein so großes Vergehen verübt, es auch gesühnt wcr-
! den müsse. Und das ist — geschehen! Ich sterbe. Gott sei
mir gnädig!"

Tätarström hatte vollendet. Ich sprach ein Gebet für ihn
und versank in die Betrachtung der geheimnißvollen Wege Gottes,
j Die Anderen, welche das Gemach verlassen hatten, traten end-
! lich, besorgt um den Verlauf der Dinge, wieder ein. Ich wies
! ihnen den Verschiedenen, auf dessen Zügen nunmehr eine fried-

m Schwalbenhofe.

liche Ruhe lag, und zeigte ihnen die goldene Kette, die ich von
der Brust des Todten genommen. Sodann erzählte ich Wcrnern
und Mechthildis — die Uebrigen verließen uns auf Werners
Geheiß — Alles, was zwischen mir und dem Todten noch vor-
gegangcn und der Kaufherr, sowie die Jungfrau priesen das
Walten der Vorsehung, durch welches Frieden und Sühne kam
über manch' unseliges Verschulden.

Ich kann nun meine Chronik mit wenigen Worten zum
Schlüsse bringen. Sie mag dann ruhen in jenem Schreine bei
den goldenen Ketten und dem Pergamente, das mein Vater
mir hinterließ, bis mein Erstgeborner, mein thcurer Heinrich,
sie einst als Erbtheil seines Vaters empfängt und kindlich ehret.
Und so mag sie sich fortvererben auf alle Zeiten, bis Niemand
mehr ihre Bedeutung enträthseln kann.

Nach des Schweden Tode, worüber eine gar peinliche und
die ganze Stadt aufregende Untersuchung entstand, war und
blieb Hug Finkcnzeller verschwunden. Mehrere Wochen darauf
fand man dessen Leiche im Pcgnitzflusse eine Stunde von Nürn-
berg unter einem Gestäudc. In der Behausung seines Vaters
aber fand man bald darauf eine schriftliche Aufzeichnung von
der Hand des — Selbstmörders geschrieben und in einem
Schranke hinterlegt, und hieß es in deren Zeilen, daß ihn,
Hug, seine That nur deßhalb gereue, weil nicht — der Junker
vom Schwalbenhofe, sondern der Schwede deren Opfer gewor-
den! Ich, der Junker, sei ihm nach des Schweden Tode un-
erreichbar gewesen, da man über mich allzu ängstlich wachte,
sonst würde er auch mich noch gctödtet haben. Und jetzt, da
Mechthildis mir in wenig Tagen am Altäre die Hand reichen
werde, sei ihm das Leben eine Last, die er gerne abschüttelte.

Gott möge dem Armen verzeihen, daß er selbst Hand an
sich gelegt. Als sie den Schweden auf St. Johannis Kirchhofe
begruben, warf auch ich eine Scholle auf seinen Sarg hernieder
und sprach leise; „Im Namen meines Vaters, dessen Leben Du
zu Grunde gerichtet, verzeihe ich Dir. Du, Gott, richte nicht
zu strenge über ihn. Erbarme dich der Seele meiner Mutter;
sei uns Allen gnädig, Amen."

Im Frühlinge führte ich Mechthildis zum Altäre. Und
wieder war es in St. Lorenz!-Kirche, wie bei der Hochzeit
meiner Eltern, wo sich die schönen Pforten auflhaten und ein
junges Paar hcraustrat in die blaue, sonnige Luft. Und wie-
der klangen so feierlich die Glocken und die Schwalben um-
kreisten die schlanken Thürme und der Helle Ton der lieben
Vöglein floß durch die Luft. O mein Vater! Wie gedachte
ich damals Dein und all der rührenden Trauer Deines ver-
lassenen Herzens! Und doch — so ist einmal die Mcnschen-
seele — es war dieß mein Gedenken an meines Vaters Leiden >
nur ein an meinem Herzen vorüberziehender schwarzer Schatten,
welcher jählings zerfloß im sonnigen Glanze der reizenden
Gegenwart.

Wir zogen ein auf dem Schwalbenhofe. Und siehe, bald
nach dem Hochzcitsscste erzeigte sich der Sitz meiner Väter be-
wohnt von zahllosen Schwalben und mir klang's, als zwitscherten
sie: Vorüber sind die Jahre der Trauer, gesühnt ist die Schuld,
vcrtobt hat der Krieg, nun kehren wir gerne wieder und sür
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