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Die braun

, keine Minute zu verlieren! Ich muß trachten, davon zu kommen,
che sie mich fassen. Leb' wohl, Burgei!" schluchzte er, vor sie
hintretend. „Verzeihe mir das Elend, das ich über Dich ge-
hracht! . Lauschend hielt er inne.

„Es ist nichts!" sagte er dann, und der Schweiß rann
ihm von der Stirne. „Aber — lebe wohl!"

Er drückte einen Kuß auf die eiskalten Lippen Burgei's,
h>e wie im Starrkrampfe schien, denn als Mathics leise auf-
iretend die Thüre öffnete und rasch durch dieselbe verschwunden
war, wußte Burgei noch immer nicht, wie ihr geschehen . . .

Am folgenden Tage fand man sie unausgekleidet in halb-
hewußtlosem Zustande, die Beute eines hitzigen Fiebers.

Sechs Wochen lag sie auf dem Lager, ohne daß ein Laut
über ihre Lippen gekommen wäre.

In den Augenblicken, in welchen der Geist wieder zum
Bewußtsein kam, ließ sic ihr großes Leid über sich ergehen.

Ich war cs, der während ihrer ganzen Krankheit pflegend
und helfend bei ihr aushielt, während sich sonst Jeder von
dem Weibe des — Mörders ferne hielt.

Endlich genas Burgei, aber ihre Geisteskraft war geschwächt.

Starr blickte sie vor sich hin und nur manchmal flog ein
krübes Lächeln über ihr Gesicht.

Selbst das Sprechen war ihr schwer geworden und nur
stammelnd vermochte sie sich zu verständigen. In diesem Zu-
stande brachte Burgei mehrere Monate zu, während welcher ich
sie, da sie allein ganz hilflos war, in meinem Hause unterbrachte.

Inzwischen hatte Mathics die Martern des Flüchtlings-
stbens einige Wochen lang durchgcmacht, bis ihm sein moralischer
Zustand unerträglich geworden war. .

Er stellte sich selbst dem Gerichte.

Ta er das offene Gestündniß ablegte, im Momente der
gehabten Aufregung von der Absicht ausgcgangen zu sein, den
Hannes zu tödtcn, so war sein Proceß in kürzester Frist durch-
geführt. Er erlitt die vom Gesetze vorgeschriebcne Strafe seiner

That! -

Erst ein halbes Jahr darnach erfuhr Burgei, die langsam
wieder an Lebenskraft gewonnen hatte, das letzte Geschick ihres
unglücklichen Mathics.

Obwohl ihr die Mittheilung zufällig kam, so ertrug sie
^kselbe doch mit einer Seelenstürke, welche meine Bewunderung
Zwingen mußte, da ich die Tiefe ihrer Empfindungen kennen
-u lernen oft genug Gelegenheit gehabt hatte.

„Der Herr da droben wird wohl wissen, warum es so

nicht anders kommen mußte!" Diese waren die einzigen
^nrte, welche in rührender, kindlicher Ergebung über die Lip-

Burgei's kamen. —

lieber das Weitere, was Burgei betrifft, schloß die Mit-
teilung Mautinger's, vermag ich jetzt keine Zeile mehr nieder-
iuschreiben, da mir die Hand vor Aufregung in Erinnerung
Erlebten zittert. Hoffentlich treffen Sie bald bei uns ein, und

utnn sollen Sie mündlich das noch Fehlende ergänzt erhalten."

* *

*

An einem unbeschreiblich reizenden Maiabend fuhr ich im
i 'tbriolet des Post-Omnibus in das Thal ein, welches Heinrichs-

Burgei. 13b

bad in sich einschließt. Wie dufteten die üppig nnt buntfarbigen
Blumen besäten Wiesen, wie magisch glitt der röthliche Strahl
der hinabsinkenden Sonne über sie hinweg, wie zauberhaft traten
die Bergspitzen ringsumher in dem goldenen Abglanze hervor!

Friedlich klang die Vesperglocke vom Kirchthurmc des Dorfes
und heilige Stille nahm diesen frommen Gruß in sich auf.

Wie anders mag es wohl hier im Winter ausgesehen
haben, der, wie man mir sagte, gar derb und rauh aufzu-
treten pflegt!

Aber die sich ewig verjüngende Natur hatte jedwede Spur
des Winterkleides unter frischem jungfräulichem Grün verwischt.

Grünt des Menschen Herz wieder, wenn der kalte Winter-
sturm des Unglücks darüberfuhr und es mit der Eisdecke des
Schmerzes überzog? Ich dachte an Burgei!

Ein wehmüthiges Gefühl beschlich mich.

Ich konnte es nicht von mir loskriegen, und als ich vor
Heinrichsbad abstieg, zögerte ich eine Weile, bevor ich über dessen
Schwelle trat.

Es war mir, als müßte mir mein Freund Mautinger blaß
und traurig entgegenkommen.

Aber die kleinen Veränderungen, die ich schon von Außen
an dem Gebäude bemerkte, wie grüne Ranken, die sich an der
Mauer emporhoben, nette, geschnitzte Bänke auf einem neu an-
gelegten, wohl gepflegten Vorplatz, sie bemühten sich, sich mit
meinem dunklen, trüben Gefühle in Widerspruch zu setzen.

„Es waltet nun ein milder Geist in meinem Hause."

Diese Stelle aus Mautinger's letztem Briefe kam mir nun
plötzlich in den Sinn. Meine Gedanken suchten nach einem
Faden, um sich zu orientiren. Da trat Mautinger an's Thor.

„Ach, so sind Sie da!" rief er mir freudig entgegen, und
herzlich drückte er mir die Hand. Ich wußte nicht warum, aber
es war, als fiele mir ein Stein vom Herzen, nachdem ich ihn
gesehen. Er sah gesünder, frischer aus als früher und eine ge-
wisse heitere Ruhe sprach aus seinem ganzen Benehmen.

Er führte mich über eine mit Blumen gezierte Treppe in
das für mich bereit gehaltene Zimmer.

Ich war überrascht von dem Geschmacke, mit dem die ein-
fache, aber nette Einrichtung arrangirt war.

„Ja, Sie haben recht!" jagte ich. „Es waltet hier ein
milder Geist, fast möchte ich vermuthen, der Geist einer Frau."

Mautinger lächelte in sich hinein.

Tann nahm er neben mir auf dem Sopha Platz.

„Ich bin Ihnen noch eine Ergänzung zu meiner letzten
brieflichen Mittheilung schuldig," sagte er ohne weitere Vorbe-
reitung zu mir. „Ich habe Gründe, Ihnen die Lücke baldigst
auszufüllen." Ich sah ihn nicht ohne Spannung an.

„Sie erinnern sich, daß Burgei endlich nach uud nach in
meinem Hause sich zu erholen begann. Zur selben Zeit herrschte
hier im Thale der Typhus. Ich selbst ward von dieser Krank-
heit in heftigem Grade befallen. Ich brauche Ihnen nicht zu
sagen, daß Burgei an mir zu vergelten suchte, was ich während
ihrer Krankheit an ihr gcthan. Sie wich nicht von meinem
Krankenlager. Sie war auch die erste Person, auf die mein
erster Blick fiel, den ich wieder in's Leben that. — „Gottlob!"

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