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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0173
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Deutſchlands Kunkkfchäße. 107

der Kunſt ungeſchwächt in Deinem Buſen; der Beweis iſt, daß Du Dich ungeachtet Deiner Genüſſe
elend fühlſt, weil Du — Gott weiß, in wie langer Zeit — keine Palette und keinen Pinſel in die
Hand nahmſt.“

Van Dyck ward wieder finſter.

„Bin ich denn ein Knabe?“ fragte er. „Wer ſagt Euch, daß Ihr mir etwas bieten könnt,
was ich nicht allein finde? Wer macht Euch ſo ſicher, daß Eure Schätze für mich Werth haben,
daß ſie wohl gar noch die meinigen an Werth übertreffen?“

Der Herzog von Buckingham griff in die Seitenbauſchen ſeines gleides und zog ein hand-
großes Medaillon aus dem Buſen.

„Betrachtet dies Bildniß, Meiſter!“ ſagte er ſanft, * ſiegreich lächelnd. „Dann reden wir
weiter. Das Gemälde iſt freilich von keinem van Dyck; aber eine Göttin hat zu große Schönheit,
als daß ſelbſt einem ungeübten Pinſel alle ihre Reize entſchlüpfen könnten.“

Der Maler bemächtigte ſich des Medaillons und betrachtete daſſelbe ſehr aufmerkſam. Bald
aber glühte das vorhin faſt erloſchene Feuer in ſeinem Auge wieder auf; er faßte das Bildniß feſter;
ſeine Wangen rötheten ſich und er fing an, unwillkürlich zwiſchen den Zähnen zu murmeln. Er war
in die Betrachtung des Bildes ſo vertieft, daß er die Anweſenheit ſeiner Freunde völlig vergeſſen
zu haben ſchien.

Digby berührte ſeine Schulter ſanft mit der Hand.

„Wen“, fragte der Maler, wie aus einem Traume erwachend, „wen, meine Freunde, ſtellt
dies Portrait dar? Ach, als ich einſt das Fräulein von Maleder?) erblickte, da glaubte auch ich
an Schönheit in der Wirklichkeit; ſeitdem meinte ich, daß ſie nur in den Köpfen träumeriſcher
Maler lebt . .. Aber dies Portrait ... Dies ſagt mir mit überraſchender Wahrheit, daß die
Schönheit der Dame, welche daſſelbe darſtellt, noch lange nicht erreicht wurde... Wer iſt dies?...“

„Wollt Ihr nur ein wenig vernünftiger werden, Sir“, erwiederte Buckingham; „ſo iſt dieſe
Dame, ſicherlich das ſchönſte Mädchen unſerer drei Reiche, die Eurige . .. iſt Eure Gattin; dafür
ſtehe ich. Dieſe Dame, Meiſter, liebt Euch, merkt es wohl, ſie liebt Euch ... Es iſt Maria von
Ruthven, die Tochter des ſchottiſchen Grafen von Gore. Wollt Ihr der Einladung des Königs
folgen und ſofort mit uns zu Hofe fahren, ſo werdet Ihr „Schön-Mary“ noch heute Abend ſehen.“

In einem Augenblick war van Dyck aus ſeiner Apathie erwacht; er ſprang auf und rief nach
ſeinen Dienern.

„Sacht, Sir!“ ſprach Buckingham. „Ihr werdet die Gräfin nicht im Hofſaale ſehen, ſondern
Euch zu einem kleinen Kunſtgriffe bequemen müſſen. Sie iſt nur in den Gemächern der Königin
zu finden; denn ich, Maria's Vormund, habe ſie abſichtlich von den Feſten fern gehalten, habe ihr,
um ſie zu bewahren, jede oſtentatiöſe, öffentliche Erſcheinung unterſagt. Die junge Gräfin Gore
iſt die Hofmeiſterin des Prinzen Karl von Wales und ſeiner beiden Geſchwiſter. Wollt Ihr Die-
jenige ſehen, welche an dem glänzendſten Hofe der Welt das klöſterliche Leben einer Nonne führt,
ſo nehmt Euer Zeichnengeräth und begehrt, die königlichen Kinder abzubilden. Dann werdet Ihr
die Schöne ſicherlich ungeſtört ſehen und ſprechen können.“

Van Dyck gehorchte. Er fuhr mit Buckingham und Digby nach Whitehall, ſtellte ſich dem

*) Eine von van Dyck's Geliebten.

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