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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0238
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154 Dentſchlands Knnſtſchätze.

Wie ein umgehendes Geſpenſt durchwanderte Marſil das ganze Haus; aber „Madame“ war
nicht zu finden. Zerknirſcht entfernte er ſich endlich, nachdem er einen Bedienten die Treppen
hinabgeworfen und dem Portier Ohrfeigen gegeben hatte, weil ſie nicht ſagen konnten oder wollten,
wo ſich Madame Arnould befinde.

Fünf Tage ſpäter kam Dupleſſis und mit ihm das Portrait Gluck's. Der Ritter war genau
ſo aufgefaßt, wie er an jenem Morgen erſchienen war, als er über ſeine Heimath und ſeine
Jugendzeit phantaſirte. Die Arnould ward hingeriſſen von Bewunderung. Nie, verſicherte ſie,
habe ſie ein Portrait einer ihr bekannten Perſönlichkeit geſehen, in welchem, neben treffendſter
Aehnlichkeit, ſo tief und vollſtändig Geiſt und Seele zur Erſcheinung gekommen ſeien, als in dieſem
Meiſterbilde Gluck's.

An demſelben Abende erſchien der Chevalier bei der Sängerin und hielt ihr ſchon bei *E
Eintritt in das Zimmer einen kleinen Brief entgegen.

„Nun, Iphigenie“, ſagte Gluck mit freudiger Miene, „wollen Sie den Beweis, daß es nur
in Ihrem Willen liegt, allenthalben Siegerin zu ſein? Hier iſt der Beweis ...“

Er reichte ihr den bereits geöffneten Brief.

„Aber wer kann * das leſen, Chevalier?“ fragte Sophie ganz erſtaunt. „Dies ſind ja
lauter Hieroglyphen..

„Es iſt deutſche Schrift, Madame, die Ehrfurcht verdient, auch wenn der Name der Königin
nicht darunter ſtände.“

„Der Königin? Zeigen Sie noch einmal! Wo da? Wahrlich, Maria Antoinette ... Aber
weshalb geben Sie mir den Brief, Maoſtro?“ rief Sophie, ſehr aufgeregt werdend.

„Warum? Nun, Ihr Name ſteht doch darin ...“

„Wo? Sie wollen mich mit Ihren boshaften Erfindungen auf die Folter ſpannen?“

„Hier ſteht groß und breit: Sophie Arnould...“

„Ah! Alſo ſo ſehe ich germaniſirt aus? Wenn man's weiß, kann man ſich ſelbſt aus der
Hieroglyphe herausbuchſtabiren ...“ Grauſamer, Dein Geheimniß will ich ergründen — ſang ſie
dann — oder Dein Tod winkt Dir an dieſes Schloſſes Pforten ... Ueberſetzen Sie das
Chevalier, oder ich ſtehe nicht dafür, daß ich irgend eine Tollheit —

„Iphigenia, bedenken Sie, daß Sie Prieſterin ſind!“ ſagte Gluck. abwehrend, als Sophie
Arnould ihn ſtürmiſch umarmte. „Hören Sie zu... Die Königin ſchreibt: „Mein lieber Lehrer
Gluck! Sie haben Tauſende von Herzen und auch das meinige durch Ihre unſterblichen Werke
entzückt; es iſt billig, daß Sie den Wunſch hegen, Ihr erhabenſtes Werk, die „Iphigenie“ in Ihrer
eigenen Weiſe zu genießen. Ich bin glücklich, wenn ich Ihnen eine Freude bereiten kann, und ſo
ſteht denn auf des Königs Befehl unſere Bühne für die Aufführung Ihrer Iphigenie in hoffentlich
genügender Bereitſchaft. Was Demoiſelle Sophie Arnould betrifft, ſo habe ich ſelbſt Seiner
Majeſtät Wunſch erbeten und bitte Sie, dieſer Dame ſagen zu wollen, daß ich ihr mein Ver-
langen, ſie möge hier auf der Hofbühne als Iphigenie auftreten, mündlich kundgeben werde, falls
ſie ſich bei meiner Oberhofmeiſterin für die kleine Audienz anmelden läßt Ich bitte Gott, ſie in
Schutz zu nehmen ... Wohlaffectionirt, Chevalier, Ihre Schülerin Marie Antoinette.“

Sophie war leichenblaß geworden, aber ihre Augen glühten wie Kohlen.«

„Ma6ſtro, was verlangen Sie für dieſen Brief?“
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