Jan van der Meer von Delft
pieter de Hoogh.
Ein eigenthümliches Schickſal verbindet den ſogenannten „Delftſchen“ van der Meer und
ſeinen Zeitgenoſſen Pieter de Hoogh. In Ermangelung genauer Nachrichten über den Erſteren
gingen ſeine Bilder faſt überall unter dem Namen des bekannteren Zweiten, bis vor wenigen Jahren
der inzwiſchen verſtorbene pariſer Kunſtforſcher Wilhelm Bürger die Künſtlerindividualität
jenes, nach gewöhnlicher holländiſcher Weiſe auch abgekürzt Vermeer genaunten Meiſters ent-
deckte und feſtſtellte, und ihn von einigen gleichnamigen Malern unterſchied, worauf ſich das Ruh-
mesverhältniß Beider geradezu umkehrte.
Jan van der Meer wurde 1632 zu Delft geboren; er war der Schüler des Carel Fabri-
tius, der aus der Schule Rembrandt's ſtammte und 1654 bei einer Pulverexploſion in Delft um 'ð
Leben kam, nachher wahrſcheinlich wohl des Rembrandt ſelbſt. Doch 1660 war er ſicher wieder
in Delft, wo er ſeit 1661 als „Hoofdman“, einer der ſechs Vertreter der Malerinnung, genannt
wird. Seine Blüthezeit fällt zwiſchen 1660 und 1670. Man nimmt an, daß er in oder gegen
1696 geſtorben iſt, weil da einundzwanzig Bilder von ihm in einer Auction in Amſterdam ver-
ſteigert wurden.
„Wir kennen jetzt“, ſagt Bürger, „nahe an fünfzig Gemälde von van der Meer von Delft,
die Städtebilder und Landſchaften ungerechnet. Das bedeutendſte von allen iſt ohne Zweifel, als
ein Bild mit lebensgroßen Figuren, „Die Courtiſane“ in der Dresdener Galerie; das intereſſanteſte,
weil es den Maler ſelbſt in ſeinem Atelier darſtellt (und zugleich merkwürdigerweiſe die deutliche
Namensinſchrift van der Meer's und de Hoogh's trägt), das Bild in der Galerie des Grafen Ezer-
nin zu Wien; das bewunderungswürdigſte, was den Werth der Malerei anbelangt, „Das Milch-
mädchen“ in der Galerie Six van Hillegom in Amſterdam; das reizvollſte endlich, in Compoſition,
Eleganz der Darſtellung und Feinheit der Köpfe iſt vielleicht „Das Mädchen mit dem Weinglaſe“
im Muſeum zu Braunſchweig . . ... Nun wähle man einmal die Capitalbilder eines Terburg,
Metſu, Pieter de Hoogh, Jan Steen und Frans van Mieris aus und ſtelle in ihre Mitte „Das
Mädchen mit dem Weinglaſe“, und man wird ſehen: es ſtrahlt wie ein Diamant unter Edelſteinen!“
Unter ſeinen Vorzügen muß neben Lebhaftigkeit des Ausdrucks, Humor in der Charakteriſtik,
Gemüthlichkeit der Auffaſſung und glänzender Harmonie der Färbung ſowohl in tiefen und ſatten
wie in kühlen und gebrochenen Farbentönen auch eine frappante, aber meiſterhafte Lichtführung
(meiſt ſcharf von der Seite einfallendes Sonnenlicht) hervorgehoben werden. Der auf letzterer
Eigenthümlichkeit beruhende Reiz in einſeitiger Ausbildung beim Vorwalten eines gewiſſen glühend
rothen Tones (den auch Vermeer liebt) bildet das hervorſtechendſte Merkmal in der Kunſtweiſe
Pieter's de Hoogh. Er iſt wahrſcheinlich 1628 geboren; die Datirungen ſeiner Bilder um-
faſſen die Jahre 1658 *1670. Weiter iſt nichts von ſeinem Leben bekannt. B. M.
Deutſchlands Kunſtſchätze. 16
pieter de Hoogh.
Ein eigenthümliches Schickſal verbindet den ſogenannten „Delftſchen“ van der Meer und
ſeinen Zeitgenoſſen Pieter de Hoogh. In Ermangelung genauer Nachrichten über den Erſteren
gingen ſeine Bilder faſt überall unter dem Namen des bekannteren Zweiten, bis vor wenigen Jahren
der inzwiſchen verſtorbene pariſer Kunſtforſcher Wilhelm Bürger die Künſtlerindividualität
jenes, nach gewöhnlicher holländiſcher Weiſe auch abgekürzt Vermeer genaunten Meiſters ent-
deckte und feſtſtellte, und ihn von einigen gleichnamigen Malern unterſchied, worauf ſich das Ruh-
mesverhältniß Beider geradezu umkehrte.
Jan van der Meer wurde 1632 zu Delft geboren; er war der Schüler des Carel Fabri-
tius, der aus der Schule Rembrandt's ſtammte und 1654 bei einer Pulverexploſion in Delft um 'ð
Leben kam, nachher wahrſcheinlich wohl des Rembrandt ſelbſt. Doch 1660 war er ſicher wieder
in Delft, wo er ſeit 1661 als „Hoofdman“, einer der ſechs Vertreter der Malerinnung, genannt
wird. Seine Blüthezeit fällt zwiſchen 1660 und 1670. Man nimmt an, daß er in oder gegen
1696 geſtorben iſt, weil da einundzwanzig Bilder von ihm in einer Auction in Amſterdam ver-
ſteigert wurden.
„Wir kennen jetzt“, ſagt Bürger, „nahe an fünfzig Gemälde von van der Meer von Delft,
die Städtebilder und Landſchaften ungerechnet. Das bedeutendſte von allen iſt ohne Zweifel, als
ein Bild mit lebensgroßen Figuren, „Die Courtiſane“ in der Dresdener Galerie; das intereſſanteſte,
weil es den Maler ſelbſt in ſeinem Atelier darſtellt (und zugleich merkwürdigerweiſe die deutliche
Namensinſchrift van der Meer's und de Hoogh's trägt), das Bild in der Galerie des Grafen Ezer-
nin zu Wien; das bewunderungswürdigſte, was den Werth der Malerei anbelangt, „Das Milch-
mädchen“ in der Galerie Six van Hillegom in Amſterdam; das reizvollſte endlich, in Compoſition,
Eleganz der Darſtellung und Feinheit der Köpfe iſt vielleicht „Das Mädchen mit dem Weinglaſe“
im Muſeum zu Braunſchweig . . ... Nun wähle man einmal die Capitalbilder eines Terburg,
Metſu, Pieter de Hoogh, Jan Steen und Frans van Mieris aus und ſtelle in ihre Mitte „Das
Mädchen mit dem Weinglaſe“, und man wird ſehen: es ſtrahlt wie ein Diamant unter Edelſteinen!“
Unter ſeinen Vorzügen muß neben Lebhaftigkeit des Ausdrucks, Humor in der Charakteriſtik,
Gemüthlichkeit der Auffaſſung und glänzender Harmonie der Färbung ſowohl in tiefen und ſatten
wie in kühlen und gebrochenen Farbentönen auch eine frappante, aber meiſterhafte Lichtführung
(meiſt ſcharf von der Seite einfallendes Sonnenlicht) hervorgehoben werden. Der auf letzterer
Eigenthümlichkeit beruhende Reiz in einſeitiger Ausbildung beim Vorwalten eines gewiſſen glühend
rothen Tones (den auch Vermeer liebt) bildet das hervorſtechendſte Merkmal in der Kunſtweiſe
Pieter's de Hoogh. Er iſt wahrſcheinlich 1628 geboren; die Datirungen ſeiner Bilder um-
faſſen die Jahre 1658 *1670. Weiter iſt nichts von ſeinem Leben bekannt. B. M.
Deutſchlands Kunſtſchätze. 16