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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0408
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74 Künftter-Biographien.

dafür Belege, man braucht nur die Worte zu leſen, mit denen er ſeine Magdalene an Gonzaga
ſendet. Er ſpricht aus, daß ihm bewußt, Hand und Pinſel ſeien um Vieles hinter den großen
Ideen, die ihm im Sinne lagen, zurückgeblieben. „Schenkt mir indeß Eure Verzeihung'“, ſetzt er
hinzu, „und um dieſe leichter zu erlangen, hat mir die Magdalena verſprochen, Euch mit ihren über
die Bruſt gekreuzten Händen darum zu bitten und e& von Euch als eine Gunſt zu fordern.“ Im
Jahre 1530 ward Tizian an das Hoflager Kaiſer Karl's V. in Bologna berufen, bei dem er durch
ſeine Kunſt wie durch ſeine Perſönlichkeit bald in hoher Gunſt ſtand. Ein paar Anekdoten ſprechen
davon, und wenn es auch unnöthig iſt, dieſe hier zu wiederholen, ſo iſt ein ſicheres Zeichen dafür
Tizian's Ernennung zum Ritter des goldenen Sporen und zum Grafen des Lateranenſiſchen
Palaſtes, die im Jahre 1533 von Barcelona aus erfolgte. Nichts iſt ehrenvoller als das Diplom
darüber, welches ihn den „Apelles unſeres Jahrhunderts“ nennt und ſich ebenſowohl auf ſeine
übrigen ausgezeichneten Tugenden und Geiſtesgaben wie auf ſeine ſeltene Kunſt, Bilder zu malen,
beruft. Auch 1536 iſt Tizian im kaiſerlichen Feldlager zu Aſti und ſchreibt von hier aus an
Pietro Aretino mitten unter dem Trommelwirbel des Kriegs gegen Frankreich. 1548 und 1550
war er zur Zeit des Reichstags in Augsburg bei dem Kaiſer. Manche Vergünſtigung und manche
hohe Belohnung ward ihm von Karl V. verliehen, obwohl Tizian öfter Schwierigkeiten hatte, die
Auszahlung der bewilligten Summen zu erlangen, und aus ſolchen Gründen zu erneuten Briefen
an den Kaiſer wie an Philipp II. von Spanien genöthigt war.

Noch vor den Reiſen nach Augsburg hatte er eine andere wichtige Fahrt unternommen. Ein
Ruf des Cardinals Farneſe führte ihn 1546 nach Rom. Er erhält im Belvedere Wohnung und
wird beauftragt, das Bildniß des Papſtes Paul's III. zu malen. Er bewundert die Denkmäler
der ewigen Stadt, die Werke Raphael's, verkehrt perſönlich mit Michelangelo. Auf dem Rückwege
beſucht er Florenz und ſtaunt über die dortigen Kunſtwerke. Aber der Eindruck, den er empfängt
iſt für ſeine eigene künſtleriſche Auffaſſung keineswegs beſtimmend, wie es überhaupt für ihn
bezeichnend iſt, daß er, einmal in ſeiner Bahn, kaum mehr Entwickelungen durchzumachen, keine
künſtleriſchen Wandlungen zu erfahren hat. Er malt in der Folge nicht mehr ſo fein ausführend,
wie in der Zeit des Zinsgroſchens, und es geht, wie es bei einer vorzüglich maleriſchen Richtung
nahe liegt, in der Folge mehr auf breite, kühnere Behandlung aus. Im Kern der Sache bleibt -
ſeine Kunſt dieſelbe.

Wenngleich Tizian mit ſo vielen Großen und Mächtigen in Beziehung trat, ſo wußte er doch
immer ihnen gegenüber ſeine Unabhängigkeit zu bewahren, und es iſt charakteriſtiſch, daß auch die
glänzendſten Anerbietungen ihn nicht aus Venedig fortlocken konnten, das ihm zum wahren Vater-
lande geworden war. Frei ſtand er den Fürſten als der Bürger ſeiner Republik gegenüber, und
zu dieſer Harmonie des Daſeins, welche Tizian im perſönlichen Weſen wie in ſeinem Schaffen
zeigt, gehört auch die Freiheit ſeiner Exiſtenz. Aehnlich wie Rubens führte er in Venedig ein
vornehmes, wahrhaft fürſtliches Leben. Ob er früher etwa vermählt geweſen, läßt ſich nicht genau
ermitteln. Die Worte eines Documents, welches über Tizian's Verbindung mit einer Donna
Cecilia redet, ſind nicht hinreichend klar. Ihr Sohn war Pomponio Vecellio, der ſich dem geiſt-
lichen Stande widmete, durch Vermittelung des Vaters zwar einträgliche Pfründen erhielt, aber
einen ſittenloſen, verſchwenderiſchen Lebenswandel führte. Außerdem hatte Tizian noch einen
Sohn, Orazio, der Maler ward und dem Vater als Gehülfe zur Seite ſtand, und die beiden Töchter,
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