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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0410
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Pordenone. — Moretto.

Giovanni Antonio Licinio, von ſeinem Geburtsort Pordenone genannt, iſt 1483 geboren.
Vaſari zufolge war er Autodidact und ſtudirte nach Giorgione's Werken. Ein großes Sterben zu
Pordenone veranlaßte ihn, den Ort zu verlaſſen, er malte kirchliche Frescogemälde in verſchiedenen
Ortſchaften des Friaul, zu Conegliano, zu Spilimbergo, an einigen Orten des Treviſaniſchen Ge-
biets, dann auch zu Udine, Mantua, Piacenza und beſonders in Pordenone ſelbſt, wohin er zurück-
kehrte. In der Folge aber ließ der Maler ſich in Venedig nieder, wo er ſich ebenfalls vorzugsweiſe
der Frescotechnik hingab und nicht nur das Innere von Kirchen mit religiöſen Scenen, ſondern auch
Palaſtfagaden mit mythologiſchen und geſchichtlichen Darſtellungen aus dem Alterthume ſchmückte.
Bei kühner, dreiſter Pinſelführung ſuchte er mit Tizian zu wetteifern. In deutſchen Galerien
lernt man ihn vorzugsweiſe durch „die Ehebrecherin vor Chriſtus“ in Berlin kennen, ein Werk,
das in der pſychologiſchen Auffaſſung des Ganzen freilich eine tiefere Durchdringung, im Chriſtus
eine wärmere Empfindung vermiſſen läßt, im Uebrigen aber äußerſt lebendig erfaßte, aus der
Wirklichkeit gegriffene Charaktere zeigt. Hier giebt man Vaſari Recht, der das Große in der
Zeichnung ſeiner Geſtalten und die Abrundung, welche er ihnen zu verleihen weiß, rühmt. Von
Venedig aus ward er nach Genua, ſpäter nach Ferrara berufen, wo ihn der Herzog mit Auszeich-
nung empfing. Bald nach der Aukunft aber ergriff den Künſtler ein heftiges Bruſtleiden, dem er
nach wenigen Tagen, im Jahre 1539), erlag.

Der Name Pordenone war bis vor Kurzem irrthümlich an ein Hauptwerk des Wiener
Belvedere geheftet; die ſtehende heilige Juſtina, welche der Donator, ein vornehmer Mann im
Coſtüme der Zeit, der zu ihren Füßen kniet, umfängt. Es iſt ein Werk des Aleſſandro Bon-
vicino, genannt il Moretto, aus Brescia. Dieſer Künſtler, deſſen wahre Bedeutung lange
vergeſſen blieb, und über welchen die biographiſchen Nachrichten ſo ſpärlich ſind, daß man weder
ſein Geburtsjahr noch ſein Todesjahr kennt, iſt der größte und eigenthümlichſte unter denjenigen
Malern, welche nicht zu der engeren Schule von Venedig gehören, wohl aber von dort her
weſentlich in ihrer Richtung beſtimmt ſind. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts mag er geboren
ſein und etwa bis um 1560 gelebt haben. Die Kirchen ſeiner Vaterſtadt ſind die Stätten,
an denen man ihn kennen lernt, einige größere religiöſe Gemälde beſitzen Frankfurt und Berlin.
In ſeinem Eolorit tritt eine kühle Stimmung von ſeltener Schönheit an Stelle des warmen Gold-
tones der Venetianer, und damit weiß er eine Hoheit des Gefühls, einen Adel der Linien, eine
ſchlichte Größe der Form zu verbinden, welche über das hinausgehen, was die Malerei der Inſel-
ſtadt erſtrebt. Sein Nachfolger iſt der geiſtvolle Bildnißmaler Giovanni Battiſta Moroni.
Ein anderer gleichzeitiger Meiſter aus Brescia, Girolamo Savolde, wird denjenigen als ein
liebenswürdiger Künſtler im Gedächtniß ſein, welche die holde verhüllte Mädchengeſtalt zwiſchen
Ruinen im Muſeum zu Berlin fenner. A, W.
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