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1841.

JV®. 49. HEIDELBERGER
JAHRBÜCHER DER LITERATUR,

/
Reiff: Anfang der Philosophie.
CBe sc h lus s.)
Das reine Ich auch, indem es, statt an seinen wahren Ort im Gedan-
kenkreise, an den Anfangspunkt der wissenschaftlichen Linie gestellt und
als ungeschiedene Einheit aller Bestimmungen gefasst wird, ist rückfäl-
lig, so sehr sich auch Herr Reiff dagegen sträuben mag, und zwar rück-
fällig bis auf den Standpunkt, welchen Schelling früher inne hatte, als
er mit dem Vorrechte des Auserwählten Unendliches und Endliches, Den-
ken und Seyn, Himmel und Erde in den Schooss seiner Anschauung ver-
senkte. Es lässt sich wohl nicht anders anfangen, als auf Hegel’s ge-
doppelte Art, entweder mit dem Gedanken des Seyns, oder mit einer
Gabe des Sinnes. Dieser Doppelanfang entspricht genau der Doppelnatur
der Philosophie, ihrer überirdischen und irdischen Seite. Er ist ihrem
Begriffe gemäss, welcher nicht nur ewige, sondern auch zeitliche Ele-
mente in sich schliesst. Wenn nun aber diese Entgegnungen nicht im
Stande wären, den Anfang, den der Herr Verfasser aufstellt, zu gefähr-
den, so möchte es durch die Ergebnisse geschehen, die aus ihr hervor-
treten. Fassen wir ihre Anordnung ins Auge! Der Lehre von der Na-
tur, dem Rechte, der Religion, der Kunst folgen Psychologie, Logik,
Metaphysik, Erkenntnisslehre. Die vier ersteren erhalten den gewöhnli-
chen Namen der angewandten, die vier letzteren den der reinen. Diese
Folge ist magisch, die Anwendung von dem, was angewandt werden soll,
das Gemälde vor dem Maler, die Bildsäule vor dem Bildhauer. Den
Herrn Verfasser seihst ergreift ein Befremden über diese befremdliche
Sache; er sucht es aber zu entfernen, vorzugsweise durch die Bemerkung,
es habe sich eben im Laufe der Entwicklung so gemacht. Besser wäre
es gewesen, wenn diese verkehrte Stellung in ihm den Gedanken hervor-
gerufen hätte, dass in der ganzen Anlage des Baues ein Fehler Statt fin-
den müsse. Wenn nun die Ordnung, in Welche Herr Reiff die einzelnen
Wissenschaften bringt, nicht befriedigt, so gewährt doch ihr Inhalt noch
weniger Befriedigung. Er gibt sieh für einen ßauin aus, der ganz aus
dem reinen Ich hervorwachse, er sagt von eich, dass sein Ende der An-
fang der Erfahrung sey. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Er ist
eine Mischung allgemeiner Gedanken und einzelner Erfahrungen, deren
Glieder ohne Barmherzigkeit gestreckt wurden. Wir sind wenigstens der
Meinung, dass die Israeliten, welche die Bewohner Kanaan’s ausrotteten,
keine Gewächse des reinen Ichs sind, so wenig als die römischen Trium-
phatoren oder die Lehensherrn und Lehensträger des Mittelalters, Wir
Jahrg. XXXIV. 5. Doppelheft 49
 
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