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Dandolo: J Volontari Lombardi.
mich täusche, geschieht das gewiss nicht mit Vorsatz. Ich wage nicht
politische Bemerkungen oder Deduclionen zu machen, ich erzähle bloss,
was ich gesehen habe und was ich dabei fühlte, ohne auf Ausarbeitung
einer vollständigen Geschichte Anspruch zu machen.
Obgleich ich den Vorsatz habe, mit der grössten Sorgfalt jedes
Wort zu vermeiden, welches irgend einen Anschein von persönlichem Hass
haben könnte, so habe ich doch manchmal heraussagen müssen, was ich
von Jedem, wer er auch seyn mag (^di tutti i quali), denke, welcher
durch seine schlechte Leitung der Staatsgeschäfte viel zum Verderben un-
serer ganzen Sache beigetragen hat.
Meine Erzählung wird mir viele Feinde und grossen Verdruss zu-
ziehen. Viele Lombarden werden mir Mangel an Liebe zu meinen Lands-
leuten oder wenigstens grosse Unbarmherzigkeit im Aufdecken vieler unserer
Wunden Schuld geben, welche ich nach ihrer Meinung besser thäte, mit
liebender Hand zuzudecken. Ich bin aber der Meinung, dass wir Lom-
barden uns zu viel geschmeichelt haben, und dass es ein unsinniges und
verderbliches Beginnen (provedimento} ist, die traurigen Ursachen unse-
res verfehlten Beginnens fnoslra caduta} beschönigen zu wollen. Von
der andern Seite tröste ich mich mit dem Gedanken, dass mein früheres
Betragen und mein gegenwärtiges Missgeschick beweisen werde, dass ich
an Liebe zu unserm unglücklichen Vaterlande Keinem nachstehe.
Wenn es scheint, dass ich viele Sachen gar nicht berührt habe
und mich über andere gar zu ausführlich ausgelassen, so mag der Leser
bedenken, dass ein Mann, der seine eigene Unglücksfälle erzählt, einen
Trost darin findet, sich auch sogar über unbedeutende Kleinigkeiten aus-
führlich auszulassen, die für einen nicht Betheiligten gar keine Bedeu-
tung haben.
Noch ganz jung (giovanissimo} an Jahren, musste ich fühlen, wie
das widrige Geschick mich mit eisener Hand unterdrückte; musste so
manche berauschende innere Bewegungen erfahren, musste schauen, wie
die herbsten Ereignisse hereinbrachen, bin selbst von so vielen Unfällen
getroffen worden, dass ich, wenn es keinen andern Trost gäbe, als den,
welchen man in der Welt findet, dafür halten würde, dass mein Leben
den Gipfel alles Herben und jeder Enttäuschung erreicht habe. Man wird
es mir daher gewiss gerne gönnen, wenn ich bei der Erinnerung je-
ner Tage froher Hoffnung, wo sich meine Seele in der Aussicht auf eine
Zukunft gefiel, die mir und meinen armen Freunden lächelte, ein wenig
zu lange verweile. Gewiss, ich verspreche mir, Theilnahme und Ueber-
einstimmung der Gefühle bei meinen Lesern zu finden.
Dandolo: J Volontari Lombardi.
mich täusche, geschieht das gewiss nicht mit Vorsatz. Ich wage nicht
politische Bemerkungen oder Deduclionen zu machen, ich erzähle bloss,
was ich gesehen habe und was ich dabei fühlte, ohne auf Ausarbeitung
einer vollständigen Geschichte Anspruch zu machen.
Obgleich ich den Vorsatz habe, mit der grössten Sorgfalt jedes
Wort zu vermeiden, welches irgend einen Anschein von persönlichem Hass
haben könnte, so habe ich doch manchmal heraussagen müssen, was ich
von Jedem, wer er auch seyn mag (^di tutti i quali), denke, welcher
durch seine schlechte Leitung der Staatsgeschäfte viel zum Verderben un-
serer ganzen Sache beigetragen hat.
Meine Erzählung wird mir viele Feinde und grossen Verdruss zu-
ziehen. Viele Lombarden werden mir Mangel an Liebe zu meinen Lands-
leuten oder wenigstens grosse Unbarmherzigkeit im Aufdecken vieler unserer
Wunden Schuld geben, welche ich nach ihrer Meinung besser thäte, mit
liebender Hand zuzudecken. Ich bin aber der Meinung, dass wir Lom-
barden uns zu viel geschmeichelt haben, und dass es ein unsinniges und
verderbliches Beginnen (provedimento} ist, die traurigen Ursachen unse-
res verfehlten Beginnens fnoslra caduta} beschönigen zu wollen. Von
der andern Seite tröste ich mich mit dem Gedanken, dass mein früheres
Betragen und mein gegenwärtiges Missgeschick beweisen werde, dass ich
an Liebe zu unserm unglücklichen Vaterlande Keinem nachstehe.
Wenn es scheint, dass ich viele Sachen gar nicht berührt habe
und mich über andere gar zu ausführlich ausgelassen, so mag der Leser
bedenken, dass ein Mann, der seine eigene Unglücksfälle erzählt, einen
Trost darin findet, sich auch sogar über unbedeutende Kleinigkeiten aus-
führlich auszulassen, die für einen nicht Betheiligten gar keine Bedeu-
tung haben.
Noch ganz jung (giovanissimo} an Jahren, musste ich fühlen, wie
das widrige Geschick mich mit eisener Hand unterdrückte; musste so
manche berauschende innere Bewegungen erfahren, musste schauen, wie
die herbsten Ereignisse hereinbrachen, bin selbst von so vielen Unfällen
getroffen worden, dass ich, wenn es keinen andern Trost gäbe, als den,
welchen man in der Welt findet, dafür halten würde, dass mein Leben
den Gipfel alles Herben und jeder Enttäuschung erreicht habe. Man wird
es mir daher gewiss gerne gönnen, wenn ich bei der Erinnerung je-
ner Tage froher Hoffnung, wo sich meine Seele in der Aussicht auf eine
Zukunft gefiel, die mir und meinen armen Freunden lächelte, ein wenig
zu lange verweile. Gewiss, ich verspreche mir, Theilnahme und Ueber-
einstimmung der Gefühle bei meinen Lesern zu finden.