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Streuber: Basler Taschenbuch.

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Pfründen vertrieben waren. Denn wie vorher um Pfründen alles nach
Rom lief, so liefen jetzt die Schwaben darum nach Zürich“ {S. 18}. In
St. Gallen überzog man die Freskogemälde der Kirchenwände, welche
Scenen aus dem Leben des h. Gall und Ottmar vorstellten, mit Kalk, ver-
wandelte die Kapelle des h. Johannes in eine Werkstätte, die des h. Ja-
kob in einen Kalkofen, schickte die Glocken mit dem übrigen Messing
nach Lindau und liess daraus eine grosse Karthaune Rohraff giessen. —■
Der Basler Bildersturm, durch ein recht gutes Bild von Constantin Guise
erläutert, wird anschaulich nach dem zeitgenössischen Chronisten Nikol.
Ripp eil, bisher Handschrift, geschildert: „Was, sagt derselbe neben
anderm, von Steinwerk wass und Altären wurden all abgebrochen und
zerschlagen, die kilchen all geweisset“ {S. 36}. So recht! — Der
zweite Aufsatz von Dr. Streuber gibt ein Lebensbild des Erasmus
von Rotterdam zu Basel und sucht den um die Wissenschaft hochver-
dienten Mann gegenüber seiner schwankenden Stellung zu den Zeitfragen
nach Kräften zu rechtfertigen. Erasmus gehörte aber nicht der star-
ken, sondern schwächlichen Mitte an; sein Charakter bleibt im Dämmer-
licht nicht der überwundenen, sondern hin und her wogenden Gegen-
sätze; er ist Ausdruck des stets negirenden, nie p o s i t i v - handelnden
Princips und verschwindet daher in den hoch gehenden Wogen der Re-
volution. Er will es Allen recht machen und verdirbt es daher mit Al-
len; seine Bequemlichkeit, sein vornehmer Umgang, seine Dosen und gol-
denen Ringe u. s. w. machen einen festen, unerschütterlichen Entschluss im
kritischen Augenblick unmöglich; er war ein doktrinärer Wühler; —
den Wein und sonstigen Comfort Basels kann er in seinem Freiburger
Exil nimmer vergessen, zum Theil wohl in Folge einer wirklich zarten
und schwächlichen Leibesbeschaffenheit. Herr Streuber hätte überhaupt
die Briefe des Erasmus an Am erb ach (jEpistolae familiäres ad Bonif.
Amerbachium Basel. 1779} mehr benutzen sollen. Wie charakteristisch
heisst es z. B. ep. 61. (Jahr 1530} von Freiburg aus nicht: „Jam pri-
dem circumspicio sedem aliquam tranquillam, ubi quietus ac mecuin vi-
vens exspectem diem supremum, sed nondum obligit. Hoc corpusculum
multis eget, praesertim vino generös o. At non ubivis suppetunt
omnia. Nec tarnen desunt, qui mihi male velint in utrisque castris etc.“*}
— So ein zartes Männchen taugte eben nicht für die Stürme des Le-

♦) Referent besitzt Auszüge dieser merkwürdigen Briefe, welche ihm vor
Jahren Dr. Bercht mittheilte. In den sämmtlichen Werken des Erasmus
stehen sie nicht.
 
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