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Schriften von Colquhoun und Bowyer über röm. Recht in England. 61
mischen Rechts geprüft werden. In den Aussprüchen des höchsten Ge-
richts in England liegt häufig eine, obwohl gedrängte, aber schlagende,
klare und scharfsinnige Darstellung der ganzen Rechtstheorie, die auf die
vorliegende Lehre sich bezieht. Macht man sich näher in einzelnen Fra-
gen mit .dem Entwicklungsgänge des Rechtssatzes in England vertraut, so
trifft man oft in den Aussprüchen der Oberrichter Englands und in den
Entscheidungen des höchsten Gerichts einen Schatz praktischer juristischer
Weisheit; es ist nicht schwierig, nachzuweisen, dass oft ein einziger
Ausspruch eines grossen Richters schon vor Jahrzehnten in einer Lehre
durchgeschlagen und eine Umgestaltung der Ansichten hervorgebracht hat.
Wer erinnert sich nicht an den Ausspruch des muthigen Richters Vaug-
han in Bushel’s case im Jahr 1670, von dem an sich die richtige Theorie
der selbständigen Stellung der Geschwornen herleitet? Mit Achtung liest
auch der ausländische Jurist die Aussprüche englischer Oberrichter, wie
Holt, Mansfield u. A. Die Juristen des Continents beachten nicht
genug wichtige Einrichtungen des englischen Rechtslebens, in welchen zu-
gleich der Grund liegt, dass die von manchen ausländischen Juristen so
sehr befürchteten Gefahren, dass die Geschworenen zu sehr durch ihre
Wahrsprüche über Rechtspunkte bloss nach Laune und ohne gehörige
Rechtskenntnisse entscheiden, und auf diese Art eine Rechtswissenschaft
in England sich nicht gehörig ausbilden kann, beseitigt werden. Es ist
diess die Einrichtung der charges durch die Richter und die der Special-
verdikts. Der englisch - präsidirende Richter instruirt nämlich , wenn die
Verhandlungen geschlossen sind, in seinem Schlussvortrage (charge} die
Geschwornen über die auf ihren Wahrspruch einflussreichen Rechtspunkte
und entwickelt ihnen in einer klaren, allgemein verständlichen Weise mit
grosser Präcision die Rechtssätze, auf welche es in dem Falle ankömmt;
häufig gibt der Richter dabei auch die Gründe an, welche die Richtigkeit
des Rechtssatzes nach der Zweckmässigkeit zeigen. In diesen charges
liegt oft grosse praktische Weisheit, obwohl wir auf der andern Seite
eine sehr gefährliche den Geschwornen imponirende Uebermacht der Rich-
ter in diesen charges finden und wohl wissen, dass nicht selten Sätze
darin aufgestellt werden, welche der unparteiische Jurist nicht billigen
kann. Die Geschwrornen werden durch sie geleitet, aber sie folgen nicht
blind, ihr gesunder Verstand prüft selbst die Eigenthümlichkeiten und Be-
dürfnisse des Falles. Damit stehen aber noch im Zusammenhänge die
Specialyerdikts, die in Strafprocessen höchst selten, desto häufiger aber
in Civilprocessen vorkommen, wo selbst die Parteien zuweilen die Ge-
schwornen auffordern, ein solches Yerdict zu erlassen, durch welches die
 
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