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Heffter: Geschichte der lateinischen Sprache.

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mehr allein nach dem Massstabe griechischer Spracherscheinungen gerich-
tet, sie trat hinein in den Kreis einer grossen Verwandtschaft, mit der
sie von Uranbeginn verschwistert war und an der sie ihr Ebenbild hatte.
Die Formen fanden durch Vergleichung mit den übrigen Indogermanischen
Sprachen eine früher nicht geahnte Erklärung und erhielten ihre Stelle im
Ganzen des Organismus nach lediglich historischen Principien, nach ihrem
Alter, nach ihrer grösseren oder minder grossen Unversehrtheit. Die
Grammatik ward aus einem Gewebe logischer Bestimmungen zu einer hi-
storischen auf die Zeitfolge und den auf diese begründeten Kausalnexus
gebaute Wissenschaft. Die Grammatik ward Sprachgeschichte.
Mit den Fortschritten der vergleichenden Grammatik ging Hand in
Hand die Forschung über die Denkmäler der übrigen Italischen Dialecte,
welche für das Lateinische eine nicht geringere Bedeutung haben, als das
Gothische und das Nordische für das Hochdeutsche. Bald hatte das Os-
kische oder Umbrische, bald das Lateinische die älteren Formen; dort
waren Triebe zur Ausbildung gelangt, welche sich im Lateinischen oft
nur in den ersten Ansätzen zeigten. Die gewonnenen grammatischen An-
schauungen schärften den Blick für die Analogien und Kontraste, gaben
Mittelglieder ab, durch welche man zu sicherer Auffassung lateinischer
Sprachformen gelangen konnte.
Auf der andern Seite hörte das Streben nicht auf, den Sprachstoff
zu mehren und ihn einer scharfen Kritik zu unterwerfen. Was für die
Läulerung der Texte geschehen ist, und was besonders in diesem Au-
genblicke geschieht, wird auch auf die Grammatik in vieler Beziehung
umgestallend einwirken. Nicht minder bedeutenden Ertrag versprechen die
Studien, welche gegenwärtig auf dem weiten Gebiete der lateinischen In-
schriftenkunde gemacht werden.
So treffen grade in unserer Zeit eine Anzahl verschiedener Richtun-
gen und Bestrebungen zusammen, durch welche einerseits der Stoff ver-
jüngt wird, andererseits ein von dem früheren völlig verschiedener Stand-
punkt vorbereitet wird. Eine Geschichte der lateinischen Sprache findet
daher in unserer Zeit ungleich mehr Stoff, ungleich mehr Resultate vor,
als diess früher der Fall gewesen wäre, sie wird hierdurch aber auch
zugleich zu einer um so schwierigeren Aufgabe.
Der Verf. der vorliegenden Schrift macht Anspruch darauf, auf dem
Standpuncte der jetzigen Sprachwissenschaft zu stehen Q?. 4. 9}. Dem-
zufolge stellt er den Satz obenan, „dass die lateinische Sprache ein Dia-
lect des Indogermanischen Stammes ist“ (^S. 3). Auffallend ist dabei,
dass er unter den Schwestersprachen des Lateinischen auch die Semiti-
 
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