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Nr. 41.

HEIDELBERGER

1871.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Weigand, Gustave, Tratte de la versification fran^aise. Nouvelle
edition revue et augmentee. Bromberg 1871. E. 8. Mittler.
320 SS. 8.
Die erste Auflage dieses Buches erschien im Jahre 1861; die
vorliegende zweite ist nicht eigentlich eine neue Auflage, sondern
der Text derselben ist mit einer bedeutenden Anzahl von Zusätzen
und Verbesserungen versehen, welche die SS. 275—320 einnebmen.
Es wäre genau genommen daher nur von diesen Zusätzen zu be-
richten; da jedoch die erste Auflage, soviel mir bekannt ist, in
diesen Jahrbüchern nicht besprochen wurde, so sei es gestattet,
auch auf die ursprüngliche Gestalt des Buches zurückzugreifen.
Gleich in den ersten Paragraphen begegnen wir einem Grund-
sätze, den ich nicht als richtig anerkennen kann und der um so
mehr eine Widerlegung erfordert, als er eben ein Grundsatz, mit-
hin auf das ganze Werk von wesentlichem Einfluss ist. Der Ver-
fasser stellt als Grundgesetz für den französischen Versbau auf, der
Vers verlange »une relation proportionelle et une succession har-
monieuse de syllabes accentuöes et inaccentuöes. La somme des
arses et des thbses est determinäe.« Aber dieser letzte Satz wird
in dem darauf Folgenden gleich dabin beschränkt: »Le nornbre
des arses et, par consöquent, le nornbre des thbses est ä peu
pres determine, c.-ä-d. ordinairement il ne döpasse tel ou tel
nornbre ni ne reste en arribre de ce nornbre.« Es leuchtet ein,
dass ein solches Gesetz, auf diese Weise beschränkt, aufhört ein
Grundgesetz zu sein. Wenn nun weiter hinzugefügt wird, dass
die Stellung der Arsen und Thesen d. h. der betonten und unbe-
tonten Silben, mit Ausnahme des Reims und der Cäsur, willkürlich
ist, so verliert damit das vermeintliche Gesetz vollends an Geltung
und wird geradezu illusorisch. Denn es läuft nun doch auf nichts
anderes hinaus als dass der französische Vers eine bestimmte An-
zahl von Silben hat deren Betonung freigestellt ist, mit Aus-
nahme von Reim und Cäsur, auf welche betonte Silben fallen
müssen. Aber dieses naturgemässe und aus der römischen Poesie,
nachdem sie die Quantität aufgegeben hatte, von selbst sich ent-
wickelnde Gesetz will der Verfasser nur für die altfranzösische
Metrik gelten lassen. Er spricht freilich davon (§ 5), dass die
Silbenzählung von Anfang an in dem französischen Verse geherrscht
habe; indess er scheint für die neuere Poesie, seit Malherbe, dies
Gesetz nicht zuzugeben, da er im Verlauf desselben Paragraphen
darauf zurückkommt, dass das Mass der Silben durch Malherbe
LXIV. Jahrg. 9. Heft. 41
 
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