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Nr. 44.

HEIDELBERGER

1871.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Forschungen zur spartanischen Verfassungsgeschichte von Conrad
Triebner. Berlin. Weidmann’sehe Buchhandlung. 1871.
VI und 138 Seiten Octav.

Der Säuberungsprocess auf dem Gebiete der Geschichte nimmt
seinen unaufhaltsamen Fortgang und was Jahrhunderte, ja Jahr-
tausende lang für unbezweifelt gegolten, steigt von dieser Stellung
herab und wird in das Reich der Fabel verwiesen. Und zwar
wird nicht nur die Periode des grauen Alterthums diesem Ver-
fahren unterworfen, nicht nur Semiramis und Romulus haben sich
als Nebelgestalten erwiesen, sondern auch Wilhelm Teil und Robin
Hood und Guetzalcobuatl und mancher andere Nationalheld noch,
so wie gleichermassen die neuere Zeit, wenn nicht Personen, aber
doch was bisher als geschichtliche Thatsache betrachtet worden,
sich in nichts auflösen sieht; so ist Gorregio’s »Anch ’io son
pittore« und nachweisbar Galilei’s »Eppur si muove« ganz
gestrichen und »La vieille garde ne se rend pas« hat sich
in »merde« verwandelt. Ob wir dies alles bedauern sollen, da
ja so viel Schönes und Erhebendes damit zugleich verloren geht?
Wir müssten mit J a antworten, wenn es sich nicht um ein höheres
Gut handelte, um die Wahrheit, welche unendlich höher steht
oder doch stehen sollte, nicht nur als das, was uns gefällt oder
schmeichelt, sondern selbst als die Einheit in Staat und Kirche.
Um dieses preiswürdigen Strebens nach historischer Wahrheit
willen, welches alle Vorurtheile zerstört und selbst den so übel-
berüchtigten Anstifter des Stockholmer Blutbades jetzt als Volks-
freund erscheinen lässt, heissen wir auch die vorliegenden »For-
schungen« willkommen, die zwar keine so überraschende Rehabili-
tation bezwecken wie die eben genannten, aber doch verschiedene
Puncte der spartanischen Verfassungsgeschichte zu berichtigen, das
Sagenhafte darin auszumerzen und andererseits den berühmten Ge-
setzgeber zwar nicht zu beseitigen, aber doch aus dem historischen
Licht in das Dunkel der Sage zu rücken bestimmt sind. Aus dem
Gange der Untersuchungen will ich nun in dem Folgenden einige
Einzelnheiten hervorheben und daran hie und da eine Bemerkung
knüpfen. So erörtert der Verf. in dem ersten Abschnitte »Von
der spartanischen Heeresorganisation« unter anderm das eigent-
liche Wesen der allbekannten φείδύτιαχ, die erst spätere Schrift-
steller missbräuchlich als (jvdöfrta bezeichnen, trotzdem beide Aus-
drücke ursprünglich keineswegs identisch waren und unter jenen
streng genommen nur militärische Tischgesellschaften zu ver-
LXIV. .Tfthrg. 9. Heft. . 44
 
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