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Nr. 58.

HEIDELBERGER

1871.

Philosophie in Italien.

(Schluss.)
Die dritte Schrift des Herrn Professors Li 11a ist »die
Wissenschaft und das Leben« überschrieben. Er schickt
ihr eine mit frommer Begeisterung und in einer schönen Sprache
geschriebene Vorrede an seine Mutter voraus.
Im ersten Theile wird die Wahrheit als die autonome und
absolute Macht des Lebens bezeichnet. Das Leben der Menschheit
offenbart sich in den Schöpfungen des Geistes, in der Wissenschaft,
Kunst und in den das Gute bezweckenden Handlungen. Der Ge-
danke ist die Quelle dieses Lebens. Er ist das Princip und das
wahre Leben der Menschheit (S. 9). Das Bewusstsein beweist
diesen Satz in uns und die Geschichte bestätigt ihn im Leben aller
Völker. Das Leben ist der sich verwirklichende Gedanke (in cpianto
si attua). So ist der erste Gedanke, die unendliche That, das
wahre Leben, das Princip des endlichen Gedankens und der Welt.
Das Leben und der Staat sind Ausdrücke oder Offenbarungen dieses
Gedankens oder Gottes. Die einzelnen Momente der Menschheit
bezeichnen die Beziehungen des unendlichen Erkennens, Könnens
(posse) und Wollens zum endlichen Erkennen, Können und Wollen.
Gott, der in der Menschheit lebt unter der subjectiven Form, gibt
ihr »den relativen Gedanken« oder die Menschheit ist um so besser,
je mehr sie in Gott denkt, lebt und sich bewegt (S. 10). Der
Gedanke, der nichts als Gedanke ist und Anfang und Grund alles
Denkens, muss ein unendliches Leben haben, Das Leben ist die
Verwirklichung des Denkens und Wollens oder des Wahren und
Guten. In dem endlichen Gedanken ist der Irrthum und das Böse
möglich. Das Leben ist darum in doppelter Beziehung zu betrach-
ten, als inneres Leben, absoluter Gedanke, der das ganze Wahre
und Gute besitzt, und als äusseres Leben, relativer Gedanke, sich
mehr oder minder dem Wahren und Guten nähernd, oder sich von
ihm entfernend. Die wahre Wissenschaft hat das Wahre und Gute
zum Gegenstände und das wahre Leben begeistert sich durch diese
grossen Principien der Wissenschaft. So sind Wissenschaft und
Leben die beiden Bedingungen, unter welchen sich die menschliche
Gesellschaft entwickelt, die beiden Factoren des menschlichen
Staates (S. 11). Man kann daher ohne Irrthum und Sünde die
Wissenschaft und das Leben nicht trennen.
LXIV.Jahrg. 12. Heft. 58
 
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