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Böhmer: Romanische Studien.

englische Gebiet soll nur insoweit hinübergegriffen werden, als es
zur Aufhellung romanischer Erscheinungen dient. Zunächst ist ein
Unterschied zwischen dem »Jahrbuch für romanische Literatur«
und den »Studien« darin ersichtlich, dass in diesen auch sprach-
wissenschaftliche Forschungen vertreten sein werden. Das »Jahr-
buch«, welches sich seinem Titel entsprechend der Literatur zu-
wandte, hat allerdings in den neueren Jahrgängen auch das sprach-
liche Element herangezogen, und mir schien es von Anfang an ein
Mangel, dass eine romanische Zeitschrift es ausschloss. Die »Stu-
dien« scheinen, nach dem angekündigten Inhalt der weiteren Hefte
zu schliessen, auf die sprachliche Seite ein grösseres Gewicht zu
legen, und mit Recht; denn die sprachlichlichen und grammatischen
Einzeluntersucbungen bedürfen einer Zeitschrift als ihres Organs,
und die romanische Philologie bedarf solcher Einzelforschungen
noch in hohem Grade, wenn das Meisterwerk von Diez ausgebaut
werden soll. Auch Textpublicationen sind in das Programm auf-
genommen und mehrere aus dem französischen und provenzalischen
Gebiete bereits angekündigt.
Das vorliegende erste Heft mit der Bezeichnung »Zu italie-
nischen Dichtern« gibt zu erkennen, dass der Inhalt der einzelnen
Hefte immer eine einzelne Sprache und Literatur zum Hauptgegen-
stande haben soll. Auch das will mir ein guter Gedanke scheinen,
zumal da bei der Einzelverkäuflichkeit der Hefte Jeder nach Be-
lieben sich auf dasjenige Gebiet beschränken kann, welches seinen
Studien am nächsten liegt.
Das Heft enthält fünf Aufsätze, wovon zwei von K. Witte,
zwei von Böhmer und einer von J. Grion. Dass einer der ersten
Meister und Kenner der italienischen Literatur gleich zwei Ar-
beiten beigesteuert hat, gereicht der Zeitschrift zu bester Empfeh-
lung. Die erste Abhandlung gibt unter dem anspruchslosen Titel
»Zu Michelagnolo Buonarotti’s Gedichten« (S. 1 — 60) eine der
Form nach, wie wir es von Witte gewohnt sind, geschmack- und
lichtvolle Untersuchung über die lyrischen Gedichte Michelagnolo’s,
wie Witte mit Recht statt der allgemein üblichen Schreibung
Michelangelo schreibt. Es handelt sich um die Ueberlieferung
dieser Gedichte und um ihre Anordnung. Die bis vor Kurzem ge-
läufigen Ausgaben beruhen auf dem Texte, welchen ein Grossneffe
des Dichters, Michelagnolo B. der Jüngere, um 1620 herstellte.
Er verfuhr dabei, wenn auch im besten Glauben, doch in einer
Weise, die wir als pietäts- und rücksichtslos bezeichnen müssen,
indem er sich nicht scheute, die Texte willkürlich umzugestalten.
Was ihn dazu veranlasste, war allerdings die Beschaffenheit der
Originalmanuscripte, welche in ihren vielfachen Textveränderungen,
wie sie der Dichter vornahm, freilich mitunter Schwierigkeiten
darbieten, aber doch des Dichters letzte Meinung fast überall er-
kennen lassen. Für den Einblick in das Schaffen des Dichters,
in seine geistige Werkstatt, sind jene Varianten, ist jenes allmählige
 
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