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Nr- ■ HEIDELBERGER 1872.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Les Grecs a toutes les Epoques par un ancien Diplomate en Orient.
Troisieme Edition. Paris Dentu 1870. Dossier ä consulter pour
la question d’Orient.
Obwohl es gegenwärtig nur unbarmherzig und wohlfeil genug
ist, die Schwächen der Franzosen zu kritisiren, so fordert doch
das Produkt einer mit so beispielloser Anmassung gepaarten Igno-
ranz, welches in den Studien eines »Ancien diplomate en Orient«
über die »Grecs ä toutes les öpoques« vorliegt, unbedingt dazu
auf, zu konstatiren, dass die Toquevilles in Frankreich ausgestorben,
und dass die Abbös Domenöque dort oben auf sind.
Ein im Schlamm des zweiten Kaiserreichs zu höchster üeppig-
keit herangediehener Literat, E. About, hat ein Paar Tropfen rich-
tiger Beobachtungen einem Eimer geistreicher Lügen über Griechen-
land beigemischt, und mit seiner Gröce contemporaine wie mit
seinem Roi des montagnes einen entschiedenen literarischen Erfolg
erzielt. Offenbar haben About’s Lorbeern unseren »alten Diplo-
maten« nicht ruhen lassen, bis er unter der anspruchsvollen Eti-
quette : »Dossier ä consulter pour la question d’Orient« seinem Mangel
gründlicher historischer Kenntnisse über Griechenland einen präg-
nanten Ausdruck leihen konnte.
Er beginnt mit einer Enthüllung, für welche ihm die franzö-
sische Schuljugend den Dank des Vaterlandes votiren mag. Es ist
nichts mit der Antike, zumal mit dem Hellenismus. Die Begeiste-
rung für die Griechen ist verschwendet an ein Raubgesindel, an
ein Volk, das von jeher »allen Schändlichkeiten Altäre gebaut und
nur in drei Hauptlastern: dem Hochmuth, der Lüge und der
Schwelgerei den Preis errungen hat. Diese Laster wusste es so
gut auszubeuten, und in Scene zu setzen, dass sie ihm während
zweitausend Jahren den ersten Platz in der Geschichte verschafft
haben.«
Welch’ ein Verdienst erwirbt sich doch der »alte Diplomat«
indem er diesen zweitausendjährigen historischen Irrthum aufdeckt!
Dass man überhaupt von den Griechen Etwas halten und Auf-
hebens machen konnte, daran waren in erster Linie die Römer
Schuld. Die verkommene römische Gesellschaft sah in der griechi-
schen Korruption eine Art von Ideal. »Messalina brachte es noch
über Lamia, Nero über Demetrius, Heliogabal über Alkibiadee
hinaus. Im Mittelalter schlich sich die klassische Verderbniss in
die Klöster ein, sie bot der Phantasie der dort Eingesperrten einen
verführerischen Kontrast zu den Gebeten und Bussübungen dar:
thatsächlich Mönch zu sein und in der Idee wie die Banditen des
LXV. .Tahrg. 1. Heft. 0
 
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