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fr. 22. HEIDELBERGER 1872.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

J. Huber: Kleine Schriften.


(Schluss.)
Das Schicksal des Arbeiters hängt nicht mehr vom Zufalle,
sondern von seinem Willen, seiner That ab. Die Association ist
ein Hauptmittel zur Verbesserung der materiellen Verhältnisse der
Arbeiter. Trotz diesen optimistischen Anschauungen des Herrn
Verfassers bleibt das sociale Problem bei der immer mehr über-
hand nehmenden Masse des Proletariats, bei dem arbeitsunfähigen
oder keine Arbeit erhaltenden oder nicht nach seinen nothwendigen
Bedürfnissen durch entsprechenden Lohn befriedigten, nicht unbedeu-
tenden Theile desselben immer noch ein ungelöstes. Nur der Staat
kann und muss hier helfen. Immer ist ee misslich, wenn der Staat
durch seine Gesetze ohne Eröffnung neuer Arbeitsquellen die Zahl
des Proletariats selbst vermehrt. Es ist gewiss wahr, was der
Hr. Verf. S. 268 sagt, dass es dabei einer Kraft der Resignation
bedürfe, weil der Mensch nicht bloss um seiner materiellen Wohl-
fahrt willen vorhanden, sondern weil das Leben vor Allem eine
sittliche Aufgabe sei. Mit Recht macht er auf die hohe Bedeutung
der religiösen Weltanschauung für den Arbeiterstand aufmerksam.
Mit Recht weist er auf das Christenthum, da3 Evangelium der
Armen, hin, welches, wie er am Schlüsse der Abhandlung sagt,
«die Arbeit frei gemacht und zu Ehren gebracht hat, so auch
vor Allem dazu angethan ist, die unvermeidlichen Schläge und
Lasten des Geschickes mit starkem Muth und zum Zwecke sitt-
licher Entwicklung tragen zu lehren.» Leider kann Ref., wenn
er dem socialen Probleme gegenüber steht, beim Hinblicke auf die
Zukunft, auch hier nicht die optimistischen Ansichten des Herrn
Verfassers theilen. Wo die religiöse Weltanschauung in den untern
Volksschichten bei einem beträchtlichen Theile entweder auf dem
blossen Aberglauben an die wunderbare Wirkung eines an sich
gleichgültigen, mit der inneren sittlichen Natur in keinem Zusam-
menhänge stehenden äussern Werkes oder auf der Negation Gottes
und der Unsterblichkeit beruht, ist wenig Erspriessliches für die
Zukunft zu hoffen. Die letzten Aufstände der internationalen Ar-
beitervereine in Paris sind uns ein warnendes Beispiel.
Eine ganz besondere Aufmerksamkeit des Lesers verdient die
fünfte Abhandlung, welche die Nachtseite Londons dar-
stellt. Sie behandelt einen eben so wichtigen, als ergreifenden
LXV. Jahrg. 5. Heft. 22
 
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