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Hübschmann: Ein zoroastrisches Lied. 423
zu können, dass nämlich derselbe noch engere Beziehungen zu den
Vedas haben werde als die späteren Theile dieses Buches. Im
Gegentheil fehlen aber dort gerade die lebensfrischen Gestalten,
welche die dränische Mythologie mit der alten indischen verknüpfen
und die dem Herzen des Volkes theuer sein mussten. Man sieht,
die Religion der Gathäs hat sich irgend ein von der Volksreligion
absehender Denker in abstrakter Weise zurecht gelegt, mit der
letzteren ist sie erst später verknüpft worden (p. 2). Es wird nun
angenommen, dass die ältere Religionsform wenigstens theilweise
von Zarathustra selbst herrühre und dieser alte Religionsstifter
um 1200 v. Chr. gesetzt, so weit sollen auch die ältesten Lieder
zurückgehen. Es folgt dann (p. 3 fg.) ein kurzer Abriss dieser
Religion. An der Spitze derselben steht ein Schöpfer, der alle
Dinge geschaffen hat, sein Name ist gewöhnlich Ahura. Ihm wer-
den andere Geister: Asha, Vohumano, Armaiti und Khshathra
vairya beigesellt, aber ihre Personificirung ist noch nicht vollzogen,
man muss im Auge behalten, dass sie im Wesentlichen blosse
allegorische Figuren sind, wenn sie auch persönlich erscheinen.
Von einer Personificirung des Haurvatät und Ameretät, welche
später die Reihe der obersten Gottheiten abschliessen, ist in der
alten Religion noch keine Spur (p. 5). Ausserdem ist nur noch
das Feuer als geheiligtes Wesen zu nennen. Was die Welt des
Bösen betrifft, so wird anerkannt, dass der böse Geist mit seinem
gewöhnlichen Namen bereits vorhanden sei, es wird aber darum
doch bezweifelt, dass der Dualismus in den älteren Liedern schon
vollkommen ausgebildet war, vielmehr erscheine Ahura als der
alleinige Schöpfer und die ältere Religionsform soll darum mono-
theistisch sein. Von dem Reiche der Bösen werden Akem mano
und Aesbma als zwar bestehend aber noch ganz unbestimmt aner-
kannt, mit diesen bösen Wesen im Bunde stehen die Daevas »die
alten Götter der Inder« (p. 7). In dieser Welt stehen sich der
Gläubige und der Ungläubige schroff gegenüber, wer der Lehre des
Ahura und seines Propheten folgt geht über die Cinvatbrücke in
die Wohnung der Seligen, die Seele der Bösen geht in die Hölle.
Am Ende der Welt wird das jüngste Gericht abgehalten, die Druj
geht unter, die Welt wird umgestaltet und unvergänglich gemacht.
— Obwohl wir nun diese Skizze in ihren wesentlichen Punkten
für richtig halten, so haben wir gleichwohl einige Bemerkungen
zu machen. Wir stellen zuerst fest: nach dem Verfasser glaubt
Zarathustra — in Baktrien natürlich — um 1200 v. Chr. an einen
alleinigen Schöpfer Himmels und der Erde. Wir fragen nun: wo-
her kam ihm diese Lehre? Aus den Vedas stammt sie gewiss
nicht, denn diesen ist der Begriff des Schaffens ebenso fremd wie
den übrigen alten Indogermanen. Es muss also Zarathustra diese
Lehre entweder selbst gefunden oder aus dem Westen erhalten
haben, wo wir sie dem Moses gewiss zuschreiben dürfen, selbst
wenn wir nur den Dekalog als von ihm herrührend betrachten.
 
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