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Brodersen, Kai; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Wahn Welt Bild: die Sammlung Prinzhorn ; Beiträge zur Museumseröffnung — Berlin, Heidelberg [u.a.], 46.2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.4062#0046

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32 Thomas Röske

trat er mit dem entwaffnenden aphoristischen Ausspruch entgegen: „Der
Schluß: dieser Maler malt wie jener Geisteskranke, also ist er geisteskrank, ist
keineswegs beweisender und geistvoller als der andere: Pechstein, Heckel u.a.
machen Holzfiguren wie Kamerunneger, also sind sie Kamerunneger."5

Doch etwas anderes wird beim Zurückschreiten in der Zeit deutlich. Zwei
Grundhaltungen, die Prinzhorn anfallig machten für die Ideologie der Nazis,
sind schon in seinem ersten Buch „Bildnerei der Geisteskranken" von 1922 zu
finden und haben dort ebenfalls bedenkliche Auswirkungen - wenn auch nicht
politische.

Fahrlässige Versöhnungsbereitschaft

Als Prinzhorn zwischen 1930 und 1932 die Artikel-Folge „Über den Natio-
nalsozialismus" in der konservativen Berliner Wochenzeitung „Der Ring"
publizierte,6 war er eine bekannte Persönlichkeit. Durch viele Vortragsreisen
sowie eine erstaunliche Anzahl von Büchern und Aufsätzen hatte er sich einen
Namen als Psychologe und philosophischer Schriftsteller gemacht.7 Er durfte
also mit Aufmerksamkeit rechnen für seine vier „Ring"-Aufsätze, von denen
die letzten drei eigene Überschriften trugen: „Zur Problematik des nationalen
Radikalismus" .„Moralische Verpflichtungen" und „Psychologisches zum Füh-
rertum". Nicht mehr gedruckt wurde eine weitere, fünfte Folge, die Prinzhorn
wohl im Mai 1933, einen Monat vor seinem Tod, verfasst hat: „Der Politiker und
die Sammlung der Volkskräfte".8

In allen fünf Texten behandelt Prinzhorn, zumeist ausgehend von aktuel-
len Ereignissen, Aspekte des Nationalsozialismus aus psychologischer Per-
spektive. Dabei kritisiert er Einzelnes scharf, etwa die Hetze gegen Anders-
denkende in dem Parteiorgan „Der Stürmer", die gleichschaltende Kultur-
politik Wilhelm Fricks in Thüringen9 oder die Haltung der Nazis gegenüber
der sogenannten „Judenfrage" (wobei er seinen eigenen Antisemitismus
nicht verschweigt).10 Letztlich lenkt er jedoch immer wieder ein und ent-
schuldigt selbst schwerwiegende Eingriffe der Faschisten in die Freiheit
anderer als „nicht schön aber vielleicht taktisch notwendig".11 Denn mit
Wesentlichem der Bewegung stimmt er überein; ja, er bekennt sich sogar

s Prinzhorn 1922, wie Anm. 3, S. 346.

6 Hans Prinzhorn, Über den Nationalsozialismus, in: Der Ring 3 (1930), S. 884-885; Zur Problematik des nationalen
Radikalismus. Über den Nationalsozialismus II, in: Der Ring 4 (1931), S. 573-577; Moralische Verpflichtungen. Über den
Nationalsozialismus III, in: Der Ring 5 (1932), S. 88-90 [= Prinzhorn 1932a]; Psychologisches zum Führertum. Über den
Nationalsozialismus IV, in: Der Ring 5 (1932}, S. 769-770 [= Prinzhorn 1932b]. Siehe hierzu auch den Abschnitt „Handelnde
und Sinnende" in: Thomas Röske, Der Arzt als Künstler. Ästhetik und Psychotherapie bei Hans Prinzhorn (1886-1933),
Bielefeld 1995, S. 249-262.

7 Alle aber, die ihn nicht kannten, konnten ausführlich über ihn im Brockhaus der Ausgabe von 1933 nachlesen, die bald nach
seinem Tod erschien; siehe: Der große Brockhaus, 15. Aufl., 15. Bd., Leipzig 1933, S. 128. Den Artikel hat vermutlich Prinzhorns
Freund Werner Deubel verfasst.

* Hans Prinzhorn, Der Politiker und die Sammlung der Volkskräfte (1933), Manuskript (Privatbesitz, Frankfurt am Main).

9 Prinzhorn 1931, wie Anm. 6, S. 574.

10 Ebd., S. 576, und Prinzhorn 1933, wie Anm. 8.

11 Prinzhorn 1930, wie Anm. 6, S. 885.
 
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