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Brodersen, Kai; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Wahn Welt Bild: die Sammlung Prinzhorn ; Beiträge zur Museumseröffnung — Berlin, Heidelberg [u.a.], 46.2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.4062#0015

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Die Kraft der Bilder

Die Kunst von .Geisteskranken' und der Bilddiskurs

Gottfried Boehm

I

„Früher oder später wird sich gewiss ein Wohltäter finden, der hier helfend
eingreift, so dass ein Raum für eine ständige Ausstellung eingerichtet werden
kann..."1 Mit diesen Worten formulierte Alfred Kubin, der Zeichner und Dich-
ter und einer der ersten faszinierten Besucher der Sammlung Prinzhorn,
schon um 1920 eine unbestimmte Hoffnung. Fast drei Generationen später hat
sich diese Hoffnung erfüllt. Die Sammlung Prinzhorn tritt in die Ära ihrer
musealen Präsenz ein.

Ihre bisherige Geschichte ist spektakulär genug verlaufen. Sie oszillierte
zwischen einem Kraft- und Anregungsfeld für Künstler, einem ideologischen
Propagandamittel gegen die „entartete Kunst", einer wissenschaftlichen Bear-
beitung und - einem Dornröschenschlaf. Nun aber wird sie auf Dauer unüber-
sehbar sein. Das ist der richtige Zeitpunkt, um über Bedeutung und Eigenart
ihres Inhalts nachzudenken. Wieder nachzudenken: Denn die Sammlung be-
gleitete von Anfang an ein disparater Diskurs. Für ihn ist bereits der Name
Hans Prinzhorns aussagekräftig, der als Philosoph, Arzt und Kunsthistoriker
im Auftrag seines damaligen Chefs, des Psychiaters Karl Wilmanns, diese Werke
zusammentrug und publizierte. Bereits am Beginn steht mit seiner „Bildnerei
der Geisteskranken" von 1922 ein höchst einfluss- und ideenreiches Werk, das
bis heute als ein „Klassiker" der Kulturwissenschaft gelten darf. Entsprechend
fochten danach psychiatrische, psychoanalytische, gestaltungstheoretische,
kunsthistorische, kunsttherapeutische und kulturpolitische Ansätze mit- und
gegeneinander. An Publikationen der letzten Jahre lässt sich das Gemenge
dieser Debatten gut nachvollziehen. Die Sammlung hat bereits, nicht zuletzt in
temporären Ausstellungen, selbstkritische Forschungen angestellt, angeregt
oder begleitet.

' Kubin, A. (1976) Die Kunst der Irren. In: Ders., Aus meiner Werkstatt. Dtv, München, S. 13-17; Zitat S. 17.
 
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