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Brodersen, Kai; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Wahn Welt Bild: die Sammlung Prinzhorn ; Beiträge zur Museumseröffnung — Berlin, Heidelberg [u.a.], 46.2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.4062#0277

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Eine wissenschaftliche Dokumentation wird zum Kunstereignis

Inge Jädi

Zusammenfassung

Hans Prinzhorns Buch Bildnerei der Geisteskranken erregte vor
allem bei den zeitgenössischen avantgardistischen Künstlern großes
Aufsehen. In den letzten zwanzig Jahren erlebte die Sammlung eine
zweite begeisterte Rezeption in der internationalen Kunstwelt. Die
folgende Betrachtung kreist um die zentrale Bedeutung der Kunst in
der Sammlung Prinzhorn.

Die Notwendigkeit, einen Vortragstitel zu kreieren, noch bevor sich im
Dialog mit dem gewählten Thema eine stimmige Form abgezeichnet hat,
erzeugt bei vielen Referenten kurzfristig Notstand. Andererseits ist dies oft der
erste Schritt der Auseinandersetzung zwischen Innen und Außen, Anliegen und
Vermittlung, der Eröffhungskampf mit den Worten. Ich betrachte im Nach-
hinein etwas irritiert meinen für mich eher untypischen statuarischen Titel. So
eindeutig ist die Sachlage nicht, denke ich, und das Schwierigste ist, wenn ich
von Kunst rede: Was ist Kunst?

Beginnen wir mit der wissenschaftlichen Dokumentation. Tatsächlich steht
am Anfang der Heidelberger Sammlung eine kleine hauseigene Bildersamm-
lung zu Lehrzwecken. Eine Ausweitung erfuhr dieser Grundbestand in den Jah-
ren 1919 bis 1921 auf fast 5000 Objekte, denen bis 1933 noch einige Nachzügler
folgten. Dieser plötzliche Zuwachs war der Initiative des damaligen Klinik-
leiters Prof. Wilmanns und Hans Prinzhorns zu verdanken, deren raffinierte
Rundbriefaktion die großen deutschsprachigen Anstalten und etliche Privat-
krankenhäuser zu erstaunlichen Gaben motivierte. Erbeten waren „hervor-
ragende Einzelleistungen", „sogenannte ,katatonische Zeichnungen"' sowie
„jede Art von Kritzelei, auch primitivster Qualität"1. Das breite Spektrum
gestalterischer Patientenäußerungen in der Sammlung Prinzhorn, welches
sich vom Banalen, Alltäglichen bis zu eigensinnig geformten, einzigartigen

1 Aus einem Rundbrief Karl Wilmanns vom 1. Januar 1920 (Archiv der Sammlung Prinzhorn).
 
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