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Brodersen, Kai; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Wahn Welt Bild: die Sammlung Prinzhorn ; Beiträge zur Museumseröffnung — Berlin, Heidelberg [u.a.], 46.2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.4062#0183

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Sprachnotwendigkeiten
Texte aus der Sammlung Prinzhorn

Gisela Steinlechner

Zusammenfassung

Der Beitrag beschäftigt sich mit den Texten aus der Sammlung
Prinzhorn, die - einer Formulierung Walter Benjamins folgend - als
„Bewegungen im Medium der Sprache" aufgefasst werden. Anhand
konkreter Lektüren wird versucht, die sprachpoetische Verfasstheit
und Funktion dieser Texte zu beschreiben, sie als Idiome mit einer
eigenen Grammatik und Ästhetik zu begreifen, die die Möglichkeiten
von Sprache auf ihre je eigene Art und Weise entfalten und modifi-
zieren. Wobei eine an den Schreibpraktiken und Sprachexperimen-
ten der Moderne geschulte Wahrnehmung einen differenzierten
Blick auf das Geschehen in der Sprache ermöglichen soll, unter
besonderer Berücksichtung der ausgeprägten visuellen und mate-
rialen Qualitäten dieser Textproduktionen und ihres speziellen Ent-
stehungszusammenhanges.

Jean Cocteau, der französische Dichter und Regisseur, war einer der frühen
Bewunderer der Sammlung Prinzhorn, deren Künsder er einmal als „Kleinmeister
des Irrsinns" bezeichnet hat. In seinem ersten, 1930 fertiggestellten Film „Le sang
d 'un poete" (Das Blut eines Dichters) hatte Cocteau nach eigener Aussage versucht,
eine Vorstellung vom Alptraum zu geben, in dem Dichter leben. In bizarren, meta-
morphotischen Bildern wird die Erfahrung des schöpferischen Vorgangs nach
Außen - ins Visuelle und Gestalthafte - transformiert: Statuen und Bilder werden
plötzlich lebendig, in der Hand des Dichters öffnet sich ein Mund und beginnt zu
sprechen. Ich weiß nicht, ob Cocteau deutsch gesprochen hat, jedenfalls hätte er
dann in Hans Prinzhorns „Bildnerei der Geisteskranken" auf eine Stelle stoßen
können, wo August Natterer (im Buch unter dem Pseudonym Neter) den erstmali-
gen Ausbruch seiner Halluzinationen beschreibt: und zwar im Stil eines großen,
initiatorischen Freiluft-Kinoerlebnisses. Stattgefunden hat das Ganze um das Jahr
 
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