Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Brodersen, Kai; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Wahn Welt Bild: die Sammlung Prinzhorn ; Beiträge zur Museumseröffnung — Berlin, Heidelberg [u.a.], 46.2002

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4062#0093

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„Kunst ohne Nerven?

Was hat die zeitgenössische Kunst noch

mit der Prinzhorn-Ästhetik zu tun?"

Eduard Beaucamp und
Peter Gorsen im Gespräch

Beaucamp

Leider kann ich den angekündigten Vortrag nicht halten. Ich muss gestehen,
ich bin da zu etwas überredet worden, und als ich mich damit beschäftigen
wollte, merkte ich, dass mich das bei weitem überfordert. Ich bin Laie, Kunst-
kritiker, Liebhaber sozusagen, ich interessiere mich allerdings für die Thematik
sehr. Groß war meine Begeisterung, als der Prinzhorn 1968 wiedergedruckt
erschien. Da hat man sich damals drauf gestürzt. Jetzt suche ich Stütze bei dem
Kenner, aber auch gleichzeitig Kollegen, Herrn Gorsen, der ja auch Kunstkriti-
ker ist und also viele Lager überschaut.

Ich möchte nur ein paar Stichworte, die mir so durch den Kopf gegangen sind,
referieren. Wenn ich von einem aktuellen Beispiel ausgehen darf. Sie haben es
vielleicht gelesen: im Düsseldorfer Ehrenhof hat Herbert Martin - das ist ein frü-
herer Pompidou-Direktor, der bekannt geworden ist vor allen Dingen durch die
umstrittene Ausstellung „Les magiciens de la terre" - eine Ausstellung „Altäre"
zur Eröffnung des Neubaus inszeniert, wo er sehr rigoros die Authentizität oder
Glaubwürdigkeit der Westkunst bei den kultischen Themen ablehnt und 66
authentische zeitgenössische Altäre aus allen Religionen, Sekten, rund um den
Globus, hinduistische, buddhistische, nomadische aus Innerasien, aber auch
einen christlichen Altar installiert hat und von Priestern und Schamanen auch
hat weihen lassen. Interessante daran ist die Absage an die zeitgenössischen
Westkünstler, verbunden mit heftiger Kritik, wenn nicht geradezu Verachtung.
Alle Annäherungsversuche, Anbiederungsversuche, Ausbeutungsversuche unse-
rer Künstler, die sie sich mit dem Exotismus selbst aufladen, also Installationen,
Environments, Pseudoaltäre, werden nicht mehr zugelassen. So möchte ich hier
die Frage stellen, ob das übertragbar ist, dieser Umgang mit dem, wie die Fran-
zosen sehr schön sagen: „l'art premier" auf den Umgang der Künstler mit den
 
Annotationen