Muzika - Ein Projektbericht 241
lock Holmes'schem Scharfsinn, dem Einsatz eines Computers und einem Schuss
Süffisanz brillant gelöst. Sein Forschungsbericht konnte im Programmheft des
Heidelberger Konzerts vom Februar 1992 erstmals nachgelesen werden.
Sven-Äke Johansson, der in seiner ca. 10-minütigen „Aufführung" die einzel-
nen Zeichen des Textes minutiös in abgezirkelte Drehungen des Körpers, Arm-
bewegungen und Beckenschläge umsetzt, hat dennoch eine künstlerisch über-
zeugende und adäquate Lösung gefunden. Seine Performance gewinnt ihre
Spannung gerade dadurch, dass er bei seiner Übersetzung des Textes in eine
musikalisch-gestische Sprache dessen geheime Bedeutung unentschlüsselt lässt
und sie dem Zuschauer völlig unangetastet überantwortet.
Werkbeispiel 5
Henning Christiansen
Alida Fehrings geöffnetes Prokrustesbett - Space and Object op. 191
Alida Fehring, geboren um 1935 in Cuxhaven, litt wahrscheinlich an Schi-
zophrenie. Sie wurde wohl lebenslang in eine private Heilanstalt in Schleswig-
Holstein abgeschoben, angeblich auch deshalb, um ihren manischen Gestal-
tungsdrang zu unterbinden. Ihre für die Zeit erstaunlich modern anmutenden
Bilder galten als „abartig". Übliche Mal- und Zeichenutensilien wurden ihr
vorenthalten. So arbeitete sie heimlich und benutzte jede Art erreichbaren
Papiers und Kartons, u.a. bedruckte Notenblätter, deren Charakteristika sie
mit großem Geschick in ihre Darstellungen einbezog. Viele ihrer Bilder, auch
die nicht auf Notenpapier gefertigten, evozieren beim Betrachter musikalische
Vorstellungen. Sie verfasste auch poetisch-schamanistische Texte, die teilweise
in die Bilder eingearbeitet sind. Die rund 40 in der weiteren Familie erhalte-
nen Graphiken Alida Fehrings, von denen 26 vom Schleswig-Holsteinischen
Landesmuseum angekauft wurden, sind wohl sämtlich in der Anstalt entstan-
den (Farbtaf. 36, Abb.3.)18
Henning Christiansen Komposition ist ein beschwörendes Porträt der Per-
sönlichkeit Alida Fehrings, zu der er als Däne aufgrund ihrer nordischen Her-
kunft und ihrer Vorliebe für nordische Mythologeme eine enge Affinität emp-
fand. Seine etwa 20-minütige schamanistische Performance mit Stimme,
Geräuschen, vielerlei Objekten und Live-Elektronik führt er zusammen mit
Werner Durand auf, der auf selbst gebauten Plastikröhren bläst. Die graphi-
sche Aktionspartitur, in der sich eine Landschaft mit Tieren und Lauten im
Zeithorizont ausbreitet, greift bildnerische und sprachliche Motive aus Feh-
rings halluzinativem Werk auf. (Abb.16.) Mit dem Bild des Prokrustes, jenem
Unhold der griechischen Sage, der den Menschen Gastfreundschaft bot, sie
dann aber so streckte oder verstümmelte, dass sie in das angebotene Bett
passten, wird an die soziale Fesüegung und Normierung individueller
Kreativität erinnert.
18 Katalog des Künstlerhauses Kiel e.V. (Hg.), Alida Fehring - Zeichnungen und Handschriften aus dem Besitz des
Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf. Kiel 1983.
lock Holmes'schem Scharfsinn, dem Einsatz eines Computers und einem Schuss
Süffisanz brillant gelöst. Sein Forschungsbericht konnte im Programmheft des
Heidelberger Konzerts vom Februar 1992 erstmals nachgelesen werden.
Sven-Äke Johansson, der in seiner ca. 10-minütigen „Aufführung" die einzel-
nen Zeichen des Textes minutiös in abgezirkelte Drehungen des Körpers, Arm-
bewegungen und Beckenschläge umsetzt, hat dennoch eine künstlerisch über-
zeugende und adäquate Lösung gefunden. Seine Performance gewinnt ihre
Spannung gerade dadurch, dass er bei seiner Übersetzung des Textes in eine
musikalisch-gestische Sprache dessen geheime Bedeutung unentschlüsselt lässt
und sie dem Zuschauer völlig unangetastet überantwortet.
Werkbeispiel 5
Henning Christiansen
Alida Fehrings geöffnetes Prokrustesbett - Space and Object op. 191
Alida Fehring, geboren um 1935 in Cuxhaven, litt wahrscheinlich an Schi-
zophrenie. Sie wurde wohl lebenslang in eine private Heilanstalt in Schleswig-
Holstein abgeschoben, angeblich auch deshalb, um ihren manischen Gestal-
tungsdrang zu unterbinden. Ihre für die Zeit erstaunlich modern anmutenden
Bilder galten als „abartig". Übliche Mal- und Zeichenutensilien wurden ihr
vorenthalten. So arbeitete sie heimlich und benutzte jede Art erreichbaren
Papiers und Kartons, u.a. bedruckte Notenblätter, deren Charakteristika sie
mit großem Geschick in ihre Darstellungen einbezog. Viele ihrer Bilder, auch
die nicht auf Notenpapier gefertigten, evozieren beim Betrachter musikalische
Vorstellungen. Sie verfasste auch poetisch-schamanistische Texte, die teilweise
in die Bilder eingearbeitet sind. Die rund 40 in der weiteren Familie erhalte-
nen Graphiken Alida Fehrings, von denen 26 vom Schleswig-Holsteinischen
Landesmuseum angekauft wurden, sind wohl sämtlich in der Anstalt entstan-
den (Farbtaf. 36, Abb.3.)18
Henning Christiansen Komposition ist ein beschwörendes Porträt der Per-
sönlichkeit Alida Fehrings, zu der er als Däne aufgrund ihrer nordischen Her-
kunft und ihrer Vorliebe für nordische Mythologeme eine enge Affinität emp-
fand. Seine etwa 20-minütige schamanistische Performance mit Stimme,
Geräuschen, vielerlei Objekten und Live-Elektronik führt er zusammen mit
Werner Durand auf, der auf selbst gebauten Plastikröhren bläst. Die graphi-
sche Aktionspartitur, in der sich eine Landschaft mit Tieren und Lauten im
Zeithorizont ausbreitet, greift bildnerische und sprachliche Motive aus Feh-
rings halluzinativem Werk auf. (Abb.16.) Mit dem Bild des Prokrustes, jenem
Unhold der griechischen Sage, der den Menschen Gastfreundschaft bot, sie
dann aber so streckte oder verstümmelte, dass sie in das angebotene Bett
passten, wird an die soziale Fesüegung und Normierung individueller
Kreativität erinnert.
18 Katalog des Künstlerhauses Kiel e.V. (Hg.), Alida Fehring - Zeichnungen und Handschriften aus dem Besitz des
Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf. Kiel 1983.