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Brodersen, Kai; Fuchs, Thomas [Editor]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Jahrbücher: Wahn Welt Bild: die Sammlung Prinzhorn ; Beiträge zur Museumseröffnung — Berlin, Heidelberg [u.a.], 46.2002

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4062#0412

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350 Franz Resch

Person, Selbst und Rolle

Alle Form von Therapie hat ein bestimmtes Menschenbild. So sieht die
Psychotherapie, die sich kreativer Verfahrensweisen bedient, das Kind nicht nur
als objektivierbares funktionelles System, sondern als Person, als Subjekt, das
sich und seine Lebensgeschichte künstlerisch zum Ausdruck bringen kann. Wie
Thomas Fuchs (2002) unlängst in einer schönen Abhandlung über den Begriff
der Person hervorgehoben hat, stammt die Person vom lateinischen persona,
das ursprünglich die Maske im antiken Theater bedeutet. Im übertragenen
Sinne war persona schließlich auch die Rolle, in der jemand gesellschaftlich
zum Ausdruck kommt. Gesicht, Maske und Person sind also untrennbare
Begriffe, was bedeutet, dass die heutige Vorstellung von Person, die mit Ich-
Bewusstsein, Einheit, Authentizität und Subjekthaftigkeit einhergeht, weiterhin
ein Janusgesicht behält. Die Person ist ebenso nach innen wie nach außen wirk-
sam. In moderner Formulierung sprechen wir vom Selbstkonzept. Der post-
moderne Mensch kämpft um die Einheit seiner Person und weiß um die
Vielgestaltigkeit der eigenen Ausdrucks- und Lebensformen.

Damasio (2000), ein amerikanischer Hirnforscher, hat uns zum Begriff der
Person wichtige neue Einsichten vermittelt; ich möchte sie im Folgenden etwas
verkürzt und bildhaft darstellen. Wir können uns das Selbst des Menschen wie
einen Baum denken. Dieser Baum besitzt Wurzeln in Form des „Protoselbst",
das nach Damasio die innere Zuständlichkeit des Organismus unter dem Druck
der Außenwelt monitorisiert: Es handelt sich dabei um die Veränderungen neu-
ronaler Netzwerke in der Interaktion mit der Umwelt, die von anderen neuro-
nalen Strukturen nochmals erfasst und somit innerlich wahrgenommen wer-
den. Solche inneren Wahrnehmungen von Veränderungen der Zuständlichkeit
des Organismus bilden nun die Voraussetzung für das subjektive Bewusstsein,
das im „Kernselbst" oder „subjektiven Selbst" als unmittelbare Erlebnisinstanz
zum Ausdruck kommt. Dieses subjektive Selbst entspricht unserer Evidenz
eines denkenden, fühlenden und handelnden Akteurs. Dieses subjektive Selbst
lässt uns ohne jeden Zweifel Ich sagen. Es ist stark an affektive Prozesse ge-
bunden und entspricht der ganzheitlichen, unmittelbaren Ich-Erfahrung im
Lebenskontext; es bildet die Grundlage personaler Eigentlichkeit. Darin sind die
Erfahrungen der Selbstbestimmtheit des Handelns, der Konsistenz über unter-
schiedliche Gefühlslagen hinweg und der Kohärenz im Zeitverlauf enthalten.
Die selbstreflexive Bestätigung dieser ganzheitlichen Ich-Erfahrung führt zum
Gefühl der Identität (Resch, Parzer et al. 1999).

Darüber erhebt sich nun die Baumkrone des sogenannten „definitorischen
Selbst" oder auch das "figurale Ich" (Bischof 1996). Es speist sich aus dem
autobiografischen Gedächtnis und ist das Ergebnis einer differenzierten,
immer objektivierenderen Selbsterkenntnis. Das definitorische Selbst stellt
die Gesamtheit aller affektiv-kognitiven Information über das Selbst dar, die
in unterschiedlichen Verästelungen und Verzweigungen, die wir Domänen
nennen, zum Ausdruck kommt. Solche Domänen stellen beispielsweise das
Körper-Selbst, das handelnde Selbst, das soziale Selbst oder das spirituelle
 
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