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ſein neues goldenes Kleid anziehen. Am Altare ſte-
hen große goldene Gefäße mit herrlichen bunten Blu-
men, und viele, viele Kerzen werden brennen. „Ich,“
fuhr er dann mit ſeltſamen Feuer ſort, „ich werde
auch miniſtriren und das ſchöne weißſeidene Kleid⸗- an-
ziehen mit den rothen Bändern und goldenen Flügeln.
Nicht wahr, Dora, Du freuſt Dich, wenn Du mich als
Engel ſiehſt?“ Und Dora horchte eifrig zu und fal-
bet die kleinen Hände. Das Kind ſchien dann zu
eten.
„Kannſt Du noch das Vater unſer?“
„Und auch das Kreuz machen?“
„Ja, auch!“ flüſterte uoch leiſer Dora.
„Zeige es mir, bitte, bitte?
„Aber wenn es die Mutter ſieht!“ wandte ſchüch-
tern die Kleine ein und ſchmiegte ſich feſter an den
Jugendfreund; „die würde mich ſchelten.“
„Nein, nein, die Mutter iſt zu Hauſe,“ beruhigte
Eduard, „und ſie kann Dir auch nicht böſe ſein, wenn
Du eine Chriſtin werden willſt.
den Himmel kommen, ſonſt ſehen wir uns nicht wie-
der, wenn wir ſterben!“
AUnd Dora betete dann und küßte mit kindlich
gläub 0
Eduard geſchenkt hatte.
Verſtohlen ſich umblickend ſchlich das Mädchen mit
ihrem Geſpielen in die ſchön geſchmückte Kirche und
Eduard zeigte ihr die ernſten Heiligen mit den langen
weißen Bärten, die bausbäckigen Engel mit weit ge-
öffneten Flügeln, und die Mütter Gottes. Mild blickte
dieſe herab auf die Betenden, und das Jeſuskindlein
hatte ſeine vollen Arme um den Nacken der Gnaden-
mutter geſchlungen und lächelte ſo ſanft zu den An-
dächtihen herab. Da rauſchte es vom Chor. Harmo-
niſche Klänge in tiefen ergreifenden Accorden zitterten
bald wie des Sturmes Toſen, bald wie däs leiſe Säu-
ſeln ſüßberauſchender Ahendlüfte durch die Räume des
von Gläubigen erfüllten Gotteshauſes. Dort aus der-
Thüre kam ein Herr mit weißem Haare, mit nüldem
verklärtem Antlitz, im goldenen Gewande, und ihm
folgten goldgeflügelte Engel der eine war Eduard!
Da ergriff es ſo ſonderbar der kleinen Dora Herz.
Laut hätte ſie aufſchreien mögen“ vor Fräude, hätte
ineilen wollen zu ihrem kleinen Geſpielen, um mit
ihm auch ein Engel zu ſein. Aber ringsum lag Alles
in tiefer Andacht auf den Knien, und Eduar
auch Io ernſt aus. Heftiger preßte die Kleine ihre
Händchen gegen das zuriſch vehend Hers
ſank auch ſie in irgend einem dunkeln Winkelchen auf
die Knie und machte das Zeichen des Kreuzes, wie
Eduard die Jüdin gelehrt hatte.
Viele Jahre waren auf dieſe Weiſe den Glück-
lichen verſtrichen. Die Gluth der Jugend kettete die
Beiden noch inniger zuſammen, als es bereits
Kindheit Unſchuldstraum gethan. Die Umgebun war
an das geiſtige und geſellige Zuſammenleben der her-
angewachſenen Kinder gewöhnt, aber es entging nur
να 4— *
Du mußt ja auch in
iger Andacht ein kleines Metallkreuzchen, das ihr
d ſah jetzt ei N Hottt!
ihre Die junge Männer muß ma Jo heitzudag mit de Hoor
ich leeſ'r was vor. Alſo
Wenigen, daß die ſchöne Jüdin im Herzen eine glän-
bige Chriſtin geworden
Die Deitin und die Kannegießern.
Kannegi eßern: No, wo ſchteckt Se dann, Deitzin?
Ich hab Se jo hunnert Johr nit geſehe. Was gibt's
dann Neies, wann ma froge derrf
Deitzin: Neies? Du liewer Gott! Sie kennt doch
unſer Heidlberger Winterſemeſchter. Alles dod und
ſchtill, Kannegießern. Wann ich mer die Heidlberger
Zeitung un de Anzeiger nit halte dhät, wär ich ſchun
g'ſchtorwe for Langweil. Mein eenzigi Unnerhaltung
is noch deß Schtickl Kerchebuchauszug, deß ma die
Blätter alle Dag bringe. Soe Schtickl Kerchebuchaus-
zug alle Dag macht ſich gar ſo ſcheen.
Kannegießern: Ja, wem's g'fallt. Deitzin. Ich
for mein Dheel will awer die Kerchebuchneiigkeite gleich
ganz hawe. Nitheitie Schtickl, un morge e Schtickl.
In Krähwinkl loß ich mer ſo was g'falle, Deitzin. —
No, hott Se ſunſcht nix uffm Herze? Kee dreiloſi
Liebſchaft? Kee neii Brautſchaft?
Deitzin: Neii Brautſchaft! Ou liebs Herrgoltl!
zum Heiräthe ziehge. Lees⸗-Se norr nemool den Hei-
rathsg'ſuch, der am Dunnerſchtag im „Anzeiger“ ſchteht.
Wart Se emool, ich hab mer deß Blatt d'r Merkwer-
ditkeit wege in de Sack g'ſchteckt. Heb Se emool doß,
Heiraths-Geſuch
Eein gebildetes Frauenzimmer von angenehmem-
Aeußern und in den beſten Jahren, ſucht, da ihre au-
geborene Schüchternheit einen andern Weg nicht zuläßt,
auf dieſem Weze einen Lebensgefährten. Reflectanten
ᷣ** *
νππνπι
ſein neues goldenes Kleid anziehen. Am Altare ſte-
hen große goldene Gefäße mit herrlichen bunten Blu-
men, und viele, viele Kerzen werden brennen. „Ich,“
fuhr er dann mit ſeltſamen Feuer ſort, „ich werde
auch miniſtriren und das ſchöne weißſeidene Kleid⸗- an-
ziehen mit den rothen Bändern und goldenen Flügeln.
Nicht wahr, Dora, Du freuſt Dich, wenn Du mich als
Engel ſiehſt?“ Und Dora horchte eifrig zu und fal-
bet die kleinen Hände. Das Kind ſchien dann zu
eten.
„Kannſt Du noch das Vater unſer?“
„Und auch das Kreuz machen?“
„Ja, auch!“ flüſterte uoch leiſer Dora.
„Zeige es mir, bitte, bitte?
„Aber wenn es die Mutter ſieht!“ wandte ſchüch-
tern die Kleine ein und ſchmiegte ſich feſter an den
Jugendfreund; „die würde mich ſchelten.“
„Nein, nein, die Mutter iſt zu Hauſe,“ beruhigte
Eduard, „und ſie kann Dir auch nicht böſe ſein, wenn
Du eine Chriſtin werden willſt.
den Himmel kommen, ſonſt ſehen wir uns nicht wie-
der, wenn wir ſterben!“
AUnd Dora betete dann und küßte mit kindlich
gläub 0
Eduard geſchenkt hatte.
Verſtohlen ſich umblickend ſchlich das Mädchen mit
ihrem Geſpielen in die ſchön geſchmückte Kirche und
Eduard zeigte ihr die ernſten Heiligen mit den langen
weißen Bärten, die bausbäckigen Engel mit weit ge-
öffneten Flügeln, und die Mütter Gottes. Mild blickte
dieſe herab auf die Betenden, und das Jeſuskindlein
hatte ſeine vollen Arme um den Nacken der Gnaden-
mutter geſchlungen und lächelte ſo ſanft zu den An-
dächtihen herab. Da rauſchte es vom Chor. Harmo-
niſche Klänge in tiefen ergreifenden Accorden zitterten
bald wie des Sturmes Toſen, bald wie däs leiſe Säu-
ſeln ſüßberauſchender Ahendlüfte durch die Räume des
von Gläubigen erfüllten Gotteshauſes. Dort aus der-
Thüre kam ein Herr mit weißem Haare, mit nüldem
verklärtem Antlitz, im goldenen Gewande, und ihm
folgten goldgeflügelte Engel der eine war Eduard!
Da ergriff es ſo ſonderbar der kleinen Dora Herz.
Laut hätte ſie aufſchreien mögen“ vor Fräude, hätte
ineilen wollen zu ihrem kleinen Geſpielen, um mit
ihm auch ein Engel zu ſein. Aber ringsum lag Alles
in tiefer Andacht auf den Knien, und Eduar
auch Io ernſt aus. Heftiger preßte die Kleine ihre
Händchen gegen das zuriſch vehend Hers
ſank auch ſie in irgend einem dunkeln Winkelchen auf
die Knie und machte das Zeichen des Kreuzes, wie
Eduard die Jüdin gelehrt hatte.
Viele Jahre waren auf dieſe Weiſe den Glück-
lichen verſtrichen. Die Gluth der Jugend kettete die
Beiden noch inniger zuſammen, als es bereits
Kindheit Unſchuldstraum gethan. Die Umgebun war
an das geiſtige und geſellige Zuſammenleben der her-
angewachſenen Kinder gewöhnt, aber es entging nur
να 4— *
Du mußt ja auch in
iger Andacht ein kleines Metallkreuzchen, das ihr
d ſah jetzt ei N Hottt!
ihre Die junge Männer muß ma Jo heitzudag mit de Hoor
ich leeſ'r was vor. Alſo
Wenigen, daß die ſchöne Jüdin im Herzen eine glän-
bige Chriſtin geworden
Die Deitin und die Kannegießern.
Kannegi eßern: No, wo ſchteckt Se dann, Deitzin?
Ich hab Se jo hunnert Johr nit geſehe. Was gibt's
dann Neies, wann ma froge derrf
Deitzin: Neies? Du liewer Gott! Sie kennt doch
unſer Heidlberger Winterſemeſchter. Alles dod und
ſchtill, Kannegießern. Wann ich mer die Heidlberger
Zeitung un de Anzeiger nit halte dhät, wär ich ſchun
g'ſchtorwe for Langweil. Mein eenzigi Unnerhaltung
is noch deß Schtickl Kerchebuchauszug, deß ma die
Blätter alle Dag bringe. Soe Schtickl Kerchebuchaus-
zug alle Dag macht ſich gar ſo ſcheen.
Kannegießern: Ja, wem's g'fallt. Deitzin. Ich
for mein Dheel will awer die Kerchebuchneiigkeite gleich
ganz hawe. Nitheitie Schtickl, un morge e Schtickl.
In Krähwinkl loß ich mer ſo was g'falle, Deitzin. —
No, hott Se ſunſcht nix uffm Herze? Kee dreiloſi
Liebſchaft? Kee neii Brautſchaft?
Deitzin: Neii Brautſchaft! Ou liebs Herrgoltl!
zum Heiräthe ziehge. Lees⸗-Se norr nemool den Hei-
rathsg'ſuch, der am Dunnerſchtag im „Anzeiger“ ſchteht.
Wart Se emool, ich hab mer deß Blatt d'r Merkwer-
ditkeit wege in de Sack g'ſchteckt. Heb Se emool doß,
Heiraths-Geſuch
Eein gebildetes Frauenzimmer von angenehmem-
Aeußern und in den beſten Jahren, ſucht, da ihre au-
geborene Schüchternheit einen andern Weg nicht zuläßt,
auf dieſem Weze einen Lebensgefährten. Reflectanten
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