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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

DOI Kapitel:
Nr. 51 - Nr. 58 (2. December - 30. December)
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eiilelberger

Samſtag, den 19. December 1868.

1. Jahrg.

Erſcheint Mittw ech und Samſtag. Preis monatlich 12 tr. Einzelne Nummer à 2 tr. Man abonnirt in der Druckerei, Untereſtr. 9 ö

— und bei den Trägern Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Der Comtoiriſt.
Erzählung von Ewald Auguſt Rönig.
(Fortſetzung.7

Friedrich nahm nach einigem Zögern das Buch und

barg- es in ſeiner Bruſttaſche. „Es ſoll mir theuer

ſein und recht oft Ihr liebes Antlitz im Bilde vor mich
hinzaubern; ich werde Ihnen, wenn Sie erlauben, von
Eöln aus ein kleines Gegengeſchenk als Andenken an
mich zuſchicken. ———
„„Sie reiſen nach Cöln?“ fragte Bertha.
„Ich gedenke dort ein, vielleicht auch zwei Jahre
zu weilen,“ fuhr Friedrich fort, „je nachdem die Ver-
hältniſſe ſich geſtalten.“ Mein ſeliger Vater gab mir
vor drei Monaten auf ſeinem Sterbebett ein Empfeh-
lungsſchreiben an ſeinen Jugendfreund, der in Cöln
einem bedeutenden Handlungshauſe vorſteht, und jener
Herr hat mir in der ehrendſten Weiſe ein Engagement
ngeboten. Ich habe weder Eltern noch Geſchwiſter,
gebunden.“ ö ö
Bertha ſah ſchweigend vor ſich hin. Friedrich glaubte
in ihren Zügen zu leſen, daß ſie im Begriff ſtand, eine
Frage zu ſtellen, welche ſie ſelbſt einigermaßen in Ver-
legenheit ſetzte.
„Wir ſind jetzt Freunde,“ hob ſie endlich an; „ich

denke, es iſt recht und billig, daß Sie, nachdem ich

Ihnen meinen Namen genannt habe — “

„Ich war auf dieſe Frage vorbereitet,“ fiel der junge

Mann ihr in's Wort. „Ich darf Ihren Wunſch nicht
erfüllen, wenn ich nicht unſer gutes Einvernehmen
ſtören will. Nennen Sie mich. „Friedrich“ und ver-
trauen Sie meinen Worten, wenn ich Ihnen erkläre,

daß nur einige Differenzen zwiſchen mir und ihrem

Vater mich abhalten, Ihnen meinen Namen zu nennen.“
„Einige Differenzen zwiſchen Ihnen und meinem
Vater?“ fragte Bertha. „Welcher Art könnten dieſe
ſein? Die Theilnahme, welche Sie mir bewieſen haben,
wird Sie mit ihm wieder ausſöhnen. Was auch mein
Vater gegen Sie haben mag, ich werde — “
„Mein Fräulein, Sie bedenken nicht, daß das Un-
recht auf ſeiner Seite ſein kann,“ nahm Friedrich in

gemeſſenem Tone das Wort, „es iſt beſſer, wir reden

nicht weitet darüber.“ ** *
„Bertha, über die Kälte, welche in dieſen Worten
lag, betroffen, drang nicht weiter in den jungen Mann,‚

bin alſo mein eigner Herr und an Rückſichten nicht

beſchloß aber, dieſes Zerwürfniß zu ergründen und den
Vater zu veranlaſſen, das Unrecht, über welches Frie-

drich ſich beſchwerte, wieder gut zu machen. Mit fei-

nem Takt lenkte ſie die Unterhaltung auf ein anderes
Thema. Friedrich erſtaunte, als er im Laufe des Ge-
ſprächs entdeckte, wie bewandert das junge Mädchen

im Gebiete der Kunſt und Literatur war. —

Sie plauderten bis das Schiff in Koblenz landete;

Bertha nahm von dem Freunde Abſchied und war in

dem Gedränge bald den Blicken des jungen Mannes

eatſchwunden. Nur noch einmal ſah er ſie, als das

Schiff wieder abſtieß; ſie ſtand unterhalb der Ladungs-
brücke am Ufer und winkte ihm einen Abſchiedsgruß zu. —

„Rührende Romantik!“ verſetzte Feldner, der keinen
Blick von dem hübſchen Mädchen verwandt hatte. „Dem
Dulcinea erkor, muß ge-

Dom Quixote, der dieſe zur
waltig das Herz. pochen“
„Vielleicht nicht ſtärker wie Ihnen, wenn Sie am
Spieltiſch das eintönige: „Messieurs, faites votre jeu!“

herbeten,“ erwiederte Friedrich, der, neben den Beiden

ſtehend, jedes Wort vernommen hatte.

die ſo manchen Ehrenmann in der Blüthe ſeiner Jahre

hingerafft, ſo manche Familie in Verzweiflung geſtürzt

hat.“ —*
Purpurgluth übergoß das Antlitz Feldner's. Sie
war nicht die Röthe der Scham, ſondern die der Wuth

darüber, ſich erkannt zu ſehen und nicht die Mittel zu

beſitzen, ſchon jetzt den brennenden Rachedurſt zu lö-
ſchen. „Warte Burſche, das ſollſt Du mir bezahlen;“
murmelte er, während er ſeine Hand auf den Arm

„Jetzt erkenne
nich Sie; im vergangenen Sommer ſaßen Sie am Rou-
lettetiſch in Ems, ein dienſtwilliger Gehülfe jener Peſt,

Sternau's legte und dieſen mit ſich fort zog. Der

Stunde ſollſt Du fluchen, in der Du dieſe Worte ge-

redet haſt.

Friedrich ging, zufrieden, ſeinem Unmuth Luft ge⸗ ö

macht zu haben, eine Weile auf dem Verdeck auf und

ab und nahm in der Nähe des Steuerrades Platz, um

ungeſtört ſeiner Unterhaltung mit dem ſchönen Mäd-
ſchen nachzudenken. Er ſah j
in das liebe, unſchuldige Antlitz, in die dunkeln, ſeelen-
vollen Augen. „Wenn das Geſchick Dich mit ihr be-

in dem Geiſte noch immer

kannt werden ließ, um Dir in ihr Deine künftige Le-

bensgefährtin zu zeigen! Wenn die Sympathie, welche
Dich zu ihr hinzieht, auch ihr Herz an Dich feſſelte!
— Thorheit!“ rief die kalte Vernunft, als ſie das
Herz bei dieſem Gedanken ertappte. „Die reiche Erbin

wird der armen mitteloſen Waiſe nicht Herz und Hand
 
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