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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

DOI Kapitel:
Nr. 51 - Nr. 58 (2. December - 30. December)
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227⁷

— Dir meine erſte Begegnung mit Sternau be-
richte.“s“u *
„Der Eintritt Steinborn's unterbrach die Mittheilun-
gen Friedrich's, zu deren Fortſetzung keine Gelegenheit
zich fand. Als der alte Herr das Zimmer verließ, um
in ſein Schlafgemach zu gehen, bat er ſeinen künftigen
Schwiegerſohn, ihn zu begleiten. Dem junge Manne
entging nicht, daß der Prinzipal ſich bei übler Laune
pefand, er vermuthete, daß einige Unannehmlichkeiten
im Geſchäfte die Urſache derſelben ſeien.
ßer war ſeine Ueberraſchung, als Steinborn ihn auf-
forderte, ſich über ſeinen früheren Lebenswandel zu
Techtfertigen und ohne Umſchweife zu erklären, in wel-
chem Verhältniß er zu dem Mädchen ſtehe, welches er
derzeit auf dem Dampfboot ſo ſehr in Schutz genom-
men habe. Friedrich nahm keinen Anſtand, jenen Vor-
fall der Wahrheit gemäß zu berichten. Steinborn aber
gab ſich mit dieſer Erklärung nicht zufrieden, beſchul-
digte vielmehr den jungen Mann in harten Ausdrücken
des Leichtfinns und der Heuchelei, behauptend, daß der-

ſelbe noch jetzt zu jenem Mädchen in einem engeren

Verhältniß ſtehe und die Begegnung auf dem Dampf-
boot keine zufällige geweſen ſei. —

Friedrich wies entrüſtet dieſen Vorwurf zurück und

reizte durch ſeine Entſchiedenhett die Exbitterung des
alten Mannes, der Entſchuldigüngen und gute Vorſätze,

nicht aber Entrüſtung und beharrliches Läugnen er-

wartet hatte. ö
Sie ſchieden in Groll. Friedrich ſuchte ſofort den
Rentner auf.
Wirz ſchüttelte bedenklich das Haupt, als er die

zuwarten. Feldner könne ihm nichts anhaben, ſo lange

Friedrich ſeine Pflicht thue und ſich der Außenwelt ſo

fern halte wie bisher; die gegenwärtige Situation ſei

ein Prüfſtein für die Tugend Emma's und den Cha-

den, müſſe die Erfahrung lehrrren.
„Ich bezweifle dies,“ verſetzte Friedrich, „die Ereig-
niſſe des geſtrigen Abends ließen mich einen Blick in
die Seele Emma's werfen, ich fand, daß Ihre damals
geäußerten Zweifel begründet ſind.“ ö

rakter Steinborn's: ob Beide die Probe beſtehen wür-

„Um ſo beſſer für Sie, wenn. Sie dies ſchon jetz

entdecken,“ entgegnete der Rentner. „Laſſen Sie die
Angelegenheit ruhen. Weiß der Alte noch nicht, was
er an Ihnen hat, ſo iſt es vergebliche Mühe, ihn dar-
über zu belehren; will Emma ihren Verſicherungen kei-
nen Glauben ſchenken, ſo können Sie das Mädchen
nicht zur Einſicht zwingen. Erſt dann, wenn Feldner

und Sternau handelnd gegen Sie auftreten, dürfen Sie ö

mit Ausſicht auf Erfolg den Kampf aufnehmen.“

Friedrich verſprach, am Abend den alten Freund in

ſeiner Geſellſchaft aufzuſuchen und entfernte ſich.
Als Friedrich am Abend das Haus verließ, ſah er
untex dem mit Eiſenſtäben vergitterten Comtoirſenſter

drei Herren ſtehen, welche in Mäntel gehüllt, die Hüte

tief in's Geſicht gerückt, ſich eifrig zu unterhalten ſchie-
nen. Sein Weg führte ihn an denſelben vorbei; täuſch-

Rücken wandten.

Um ſo grö-

ten ihn ſeine Augen nicht, ſo erkannte er die beiden

Wüſtlinge, die, als ſie ihn bemerkten, ihm raſch den
Dies erregte ſeinen Argwohn, er bog
in eine Seitengaſſe ein, blieb aber an der Ecke ſtehen,
und ſah, daß einer der Herren an den Eiſenſtäben rüt-

telte und dann den Kopf ſchüttelte. Gleich darauf ent-

fernten ſie ſich, zwei von ihnen traten in das Haus
Steinborn's, während der andere raſch die Straße
hinunter ging. ö ö
Gern hätte Friedrich mit dem alten erfahrenen

Freunde über alles das, was ſein Herz bewegte, ge-

plaudert, aber der Rentner war bereits zu einer Whiſt-
partie engagirt und nach Beendigung derſelben blieb
zu einer vertraulichen Unterredung keine Zeit mehr.
Mitternacht war vorüber, der Rentner fühlte ſich er-
müdet, und die Unterhaltung auf dem Heimwege, ſo
oft auch Friedrich dieſelbe anzuregen verſuchte, wollte
nicht in Gang kommen. ——————
Als der junge Mann in ſein Schlafzimmer trat,
wehte die kalte Nachtluft ihm entgegen. Die Ent-
deckung, daß das Fenſter offen ſtand, befremdete ihn,

er entſann ſich, daß er ſelbſt es geſchloſſen hatte, be-
vor er ſeine Wohnung verließ. Den Schlüſſel zur

Thüre trug er in der Taſche, einen zweiten Schlüſſel
beſaßen die Hausleute nicht. Das Zimmer lag zu ebener
Erde, bei näherer Beſichtigung fand ſich, daß eine
Scheibe zerbrochen war. Aber die Befürchtungen des

jungen Mannes ſchwanden, als er ein Licht angezün-

det hatte und Alles in beſter Ordnung vorfand. Wahr-

ſcheinlich hatte er das Fenſter nicht feſt geſchloſſen und
ö der Wind daſſelbe geöffnet; möglich auch, daß ein Ein-
Mittheilungen ſeines jungen Freundes vernommen hatte,
er wußte keinen beſſeren Rath, als den, geduldig ab-

bruch verſucht, aber durch die Dazwiſchenkunft eines
Wächters verhütet worden war. ö
EEchluß folgt.) ö

Das iſt's, was an der Menſchenbruſt
Mich oftmals läßt verzagen
Daß ſie den Kummer wie die Luſt
Verzißt in wenig Tagen. —

Und war der Schmerg, um den es weint,
Dem Herzen noch ſo heilig —
Der Vogel ſingt, die Sonne ſcheint,
Vergeſſen iſt er eilig.

Und war die Freude noch ſo ſüß —
Ein Wölkchen kommt gezogens
Und vom geträumten Paradies
Iſt jede Spur perflozgen.

und ffhl' ich das, lo weiß ich kanm,
Was weckt mir tiefern Schauer:
Daß gar ſo kurz der Freude Traummm.
Oder ſo kurz dis Trauer:eü
 
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