IllustrirLe Welt.
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des Dichters — behandeln. Roseggers Novellen und Erzäh-
lungen haben nichts Sensationelles und Spannendes an sich,
aber es sind tiefempfundene, ernsthafte und drollige Geschichten,
die sich vor allem durch anmutige Wärme und Einfachheit aus-
zeichnen. Und was Roseggers Schriften noch besonders so un-
gemein anziehend macht, ist die schlichte Wahrheit, der frische,
herzerfreuende Humor und die echte volkstümliche Sprache. Durch
alle feine Werke zieht ein Hauch wahrer Poesie, der uns wie
Waldcsdnft entgegen weht; sie find erfüllt von reiner Menschen-
liebe und muten uns an, wie ein frischer, klarer Gebirgsquell,
alles in allem Eigentümlichkeiten, deren Zauber sich niemand
entziehen kann und an denen wir Freude haben, weil sie stets
den Herzenston zu treffen wissen. Roseggers Lebensgang gibt
Zeugnis, das; der Dichter nicht nur ein bedeutendes Talent, son-
dern auch ein seltener Charakter ist. Zu Alpl unweit Krieglach
im steierischen Oberlande wurde er am 31. Juli 1843 als der
Sohn braver Bauersleute geboren. Ihrer beschränkten Ver-
mögenslage wegen konnten ihn seine Eltern keine Schule be-
suchen lassen, er mußte statt dessen fleißig bei der Feldarbeit
mithelfen und oft den ganzen Tag die Rinder und Schafe im
Freien hüten, was für die schwächliche Konstitution des Knaben
sehr gut war. Bei einem alten Dorfschulmeister lernte er lesen
und schreiben und bald regte sich der künftige Volkspoet in ihm.
Alle ihm zugänglichen Bücher las er mit wahrer Gier, jedes
Stück Papier beschrieb er mit selbstverfaßten Gedichten und
kleinen Erzählungen, die fast alle auf eigenen Erlebnissen be-
ruhten, und als ihm einst ein Volkskalender von I. N. Vogl
in die Hände fiel, verfaßte der damals fünfzehnjährige Dichter
nach diesem Muster selbst einen Kalender. Jedes Buch spornte
ihn zu neuem poetischen Schassen an, und als die Eltern ein-
sahen, daß ihr Peter einen Hellen Kopf hatte, gaben sie ihn zu
einem Geistlichen, damit er sich zum Studium der Theologie
vorbereite. Aber schon nach wenigen Tagen erfaßte den jungen
Rosegger ein so heftiges Heimweh, daß er bei Nacht davonlief
und in sein Vaterhaus zurückkehrte. Es war das erstemal, daß
Rosegger sein Heimatland verlassen hatte, dem er bis heute alle-
zeit treu geblieben und dem er stets seine ganze Kraft geweiht.
„In jenen Tagen," bekennt er, „ist mein Heimweh geboren
worden, das mich seither nicht verließ, auf kleineren Touren,
wie auf größeren Reifen in Stadt und Land mein beständiger
Begleiter war und eine Quelle meiner Leiden geworden ist."
Da Rosegger für den landmünnischen Beruf nicht kräftig war,
kam er nun zu einem Schneider in die Lehre und zog mit seinem
Meister schneidernd und dichtend in der Umgegend seiner Heimat
umher. Endlich in seinem zweiundzwanzigstcn Lebensjahre lächelte
ihm das Glück. Dr. A. Svoboda, der Redakteur der „Grazer-
Tagespost" , dem Rosegger einige seiner Dichtungen zur Beur-
teilung einsandte, nahm sich des jungen Naturdichters an und
verschaffte demselben einige Freunde und Gönner, die dem Dichter
ermöglichten, zu feiner weiteren Ausbildung die Handelsakademie
in Graz zu besuchen. Nach vierjähriger Studienzeit verließ
Rosegger diese Bildungsanstalt und zog später nach deutscher
Poetenart in die weite Welt hinaus, um im Auslande sein
Wissen zu vervollständigen. Aber nicht lange litt es ihn in der
Fremde und bald kehrte er wieder in die Heimat zurück. Im
Jahre 1869 erschien Roseggers erstes Werk: „Zither und Hack-
brett" (Gedichte in obersteirischer Mundart) mit einem Vorworte
von Robert Hamerling, welches den jungen Dichter mit einem
Schlage berühmt machte und ihm ein Landesstipendium eintrug,
so daß er sich drei Jahre ganz seinen Studien widmen konnte.
Roseggers erstem Werke folgten Jahr für Jahr neue Schriften,
die alle das herrliche Steiermark und feine lebensfrohen Be-
wohner schildern und die so bekannt find, daß es unnötig ist,
sie alle einzeln aufzuzühlen. Nachdem Roseggers erstes Weib
nach kurzer glücklicher Ehe gestorben, vermählte sich der Dichter
zum zweitenmale und baute sich in der Nähe seines Heimats-
dorfes in Krieglach ein Haus, in welchem er mit seiner Familie
den Sommer über wohnt. Im Winter lebt Rosegger, der popu-
lärste Mann der Steiermark, in Graz. Seit 1876 gibt der
.Dichter die Monatsschrift „Der Heimgarten" heraus, in welcher
stets zuerst die innigen Gedichte, Schwänke und Erzählungen er-
scheinen, die uns beweisen, daß Rosegger einer der bedeutendsten
Volksschriftsteller ist. Aber P. K. Rosegger ist nicht allein ein
gottbegnadeter Poet, ein echter Volksdichter, sondern auch ein
liebenswürdiger, für alles Edle und Schöne begeisterter Mensch,
ein treuer Sohn feiner Heimat, die er in feinen herrlichen Werken
besingt. Ihr allein verdankt er die köstlichen Geschichten, mit
welchen er feit Jahren die deutschen Leser erfreut, und er wäre
vielleicht nie ein so großer Dichter geworden, Hütte ihm nicht
das Glück ein so reizendes Heimatland beschieden, denn nur „in
den dunklen Waldesgründen und an Bergeshängen gibt es", wie
Berthold Auerbach schreibt, „noch Charaktere wie die wilden
Rosen, einblätterig und osscn bis in den Herzensgrund, und
Weißdornblüten, die nur in einer Sturmnacht ausbrechen. Hier
ist die Herrschaft der halben Zustände, der relativen Hingebung,
die sich in der Reflexion einen Hinterhalt wahrt, noch spärlich.
Hier ist noch Lachen und Weinen, Jauchzen und Klagen herzhaft
und ohne Zurückhaltung. Die Leidenschaft hat hier noch ihren
vollen Mut, man weicht ihr nicht aus; sie wird hier leicht zur
absoluten. Das ganze Sein brennt in ihr auf und verzehrt
sich." — Und nur in einer solchen Gegend konnte Rosegger zum
Dichter werden.
Möge uns der edle Poet noch mit manchem Werke erfreuen
und möge ihm auch in Zukunft ein sonniges Leben beschieden sein!
Georg Westeuberger.
Jagd aus Sonnenfische im Atlantic.
(Bild S. 16.)
Wenn der atlantische Ozean ruhig und seine kaum merkliche
lange Dünung steht, so kann man oft vom Schiff aus dunkle,
unförmige Klumpen aus dem Wasser springen und mit einem
klatschenden Geräusch wieder verschwinden sehen und weiß nicht,
was es gewesen ist. Der Seemann weiß es aber und gibt dann
gern Auskunft. Es ist der Sonnenfisch (OrtüraZ-orlsaus Nola),
auch schwimmender Kopf genannt, der sich bei ruhigem Wetter
in Gesellschaft in diesen Saltomortalcs ergeht, ohne zu ahnen,
daß vielleicht der nächste Sprung aus dem Wasser seinen Tod
zur Folge hat, denn der Seemann wird hier zum passionirten
Jäger. Haben sich nun bei ruhigem Wetter in der Nähe eines
Seglers — vom Dampfer kann nicht die Rede fein — mehrere
Springer gezeigt, so wird die Erlaubnis vom Kapitän geholt
und eine Jagd beginnt. Die Gig wird seeklar gemacht,
zwei Mann am Riemen und der dritte mit Büchse und Messer
ausgerüstet bilden die Besatzung, und nun gleitet schnell und
lautlos die Gig dem Tummelplatz der Fische zu. In der Nähe
zeigen sich Flossen über Wasser, ein Wink mit der Hand, und
das Boot dreht bei. In meterhohem Sprung setzt ein Fisch
aus, ein Schuß kracht über das Wasser hin, und verendet klatscht
die Beute ins Wasser. Das Boot ist nun rasch zur Stelle, ein
Ende eines Taues wird um den fleischigen Körper gelegt, längsseit
des Schiffes geschleppt und hier der anderthalb Zentner schwere
Fisch an Deck geholt. Willy Stöwer.
Weibliche Handarbeiten.
(Detailzeichnungen siehe Umschlag Seite 2.)
Fußkissen in Tuchmosaik. Den meisten Verirrungen auf
dem Gebiete der Stickerei begegnet man in der Nachahmung der
Mofaiktechnik, in dem Zufammenfügen einzelner Stoffteile zu
einer bestimmten Musterung. Alle alten Stoffreste werden zu
einem Ganzen vereinigt, unbekümmert, ob die Farben auch zu
einander stimmen, ob dieser oder jener Stoffteil infolge feiner
Feinheit und Elastizität zu seinem Nachbar aus dickem, steifem
Tuch paßt oder nicht, ob die eine Farbe sich von der anderen
genügend trennt, kurz, man ist bestrebt, die totliegenden Neste
Fußkissen in Tuchmosaik.
zu verwerten und nutzbar zu machen. Wenn auch dieses letztere
Bestreben nur lobend anzuerkennen ist, kann es doch nicht gleich-
giltig sein, ob wir unsere Wohnräume geschmackvoll oder ge-
schmacklos ausstattcn, ob unsere Augen und die unserer Bekannten
mit Wohlgefallen auf dem gefertigten Gegenstand ruhen oder,
ob wir im Gefühle, etwas Unschönes verfertigt zu haben, uns
damit für entschuldigt halten zu müssen glauben, daß der Spar-
samkeit Genüge geleistet wurde.
Alles hat seine Grenzen, so auch die Sparsamkeit! Das
Verarbeiten von Stoffresten in der Mosaiktechnik ist durchaus
nicht ausgeschlossen, nur muß die Auswahl derartig getroffen
werden, daß eine Farbenharmonie dadurch erzielt wird und
gleichwertige Stoffe verwendet werden. — Das beste Material
zur Mosaiktechnik ist Tuch, aus welchem auch das für ein Fuß-
kissen bestimmte Modell Figur I hergestellt ist.
Das zwar einfache, aber durch korrekte Ausführung und har-
monische Farbenzusammenstellung sich auszeichnende Kissen ist in
den Farben schwarz, refedagrün, terracotta und goldgelb gehalten,
deren Verteilung die Zeichnung Figur II ersichtlich macht. —
Die Stoffteile sind durchwegs mit einer Paspoilirung von gold-
gelbem Tuch versehen, wodurch sich die Konturen verschärfen und
die Farben sich gut von einander trennen.
Die Uebertragung der Zeichnung hat man, den verschiedenen
Farben entsprechend, auf das korrekteste vorzunehmen, ebenso das
Ausschneiden der Stoffteile, und dies mittelst kleiner, scharfer
Schere. Die Zusammenfügung der Stosfteile ist von dem Mittel-
punkte des Kiffens aus zu beginnen, die Paspoilstreifchen, welche
circa fts Centimeter breit und schief zu schneiden find, in etwas
ausgedehntem Zustande auf die einzelnen Teile und auf die
rechte Seite derselben aufzuheften (siehe Figur II) und dann mit
dem angrenzenden Stoffteil mittelst Windelstichen, die nicht zu
tief gestochen werden dürfen, an der linken Seite an einander
zu nähen.
Nach vollendetem Znsammcnnähen der Stoffe werden die
Heftstiche der Paspoilstreifchen entfernt, letztere sodann aufgcrichtet
und ziemlich knapp an der Naht weggeschnitten. — Um den ge-
fertigten Gegenstand glatt zu bekommen, legt man ihn zwischen
feuchte Tücher und plättet ihn mit einem heißen Eisen so lange,
bis sich alle Ausdehnungen wieder zufammengezogen haben.
Bei gewöhnlicher Ausführung der Mofaiktechnik werden die
Stoffteile, ohne Paspoilirung, mit Windelstichen an einander
genäht und die Nähte an der rechten Seite entweder mit einer
Schnur, kleinen Soutache, mit dem Kettenstich oder anderen
Phantasiestichen gedeckt. S.
Kern K o e z.
Von
W. Machs.
^Aine weite Heidefläche. Fern am Horizont Kiefern-
Waldung; einige Dörfer und Weiler spärlich ver-
teilt auf den weiten Raum, der fast wie das
Meer — großartig iu seiner Einsamkeit wirkt, und
augenblicklich — wir befinden uns im August — im
höchsten Festesschmucke steht, denn die Erika blüht.
Die Lilablümchen, leise vom Winde bewegt, glei-
chen in ihrem Ausundniederwogen den Meereswellen,
alles in der Natur ist still, kaum daß ein Schmetter-
ling über die Fläche dahingaukelt, oder eine Biene,
zur Arbeit gerüstet, Besitz von den Blumenkelchen
nimmt. Das menschliche Herz fühlt sich tief ergriffen,
schlägt es allein mit seinem Schöpfer in dieser tiefsten
Einsamkeit.
Und doch — wo gibt es eine absolute Einsamkeit
in einem Jahrhundert, in dem man Wüsten durch-
forscht und sie zu kultiviren versucht, oder die fernsten
unbekanntesten Meere durchschifft, um neue Länder zu
entdecken? Auch hier in der Heide zeigen die mehr-
fach neben einander gelegten Schienenstränge, daß der
Handelsverkehr sich schon einen Weg durch die öden
Heideflächen gebahnt hat, und läßt vermuten, daß die
Zeit nicht allzu fern liegt, in der es menschlicher Arbeit
gelingen wird, auch diese unfruchtbare Strecke urbar
zu machen. Blüht doch schon jetzt in dem kleinen
Gärtchen, welches sich dem mit wildem Wein bewachse-
nen Wärterhäuschen anschließt, manche Sommer-
blume und erntet die Wärterfamilie doch ihren ganzen
Bedarf an Gemüsen von dem kleinen Gartenfleck, der
freilich den fleißigen Bearbeitern manchen Schweiß-
tropfen gekostet hat.
Seit einigen Jahren hat der Militäranwürter
Schulz die Würterstelle bekommen, und freute sich dessen,
trotz der Einsamkeit, denn er sowohl als seine Frau,
waren aus dem eine Viertelstunde entfernten Dorfe
gebürtig, und die Heimat behält einen eigenen Reiz,
selbst wenn sie in einer Wüste liegt.
Leider starb ihm die Frau nach wenigen Zehren
und ließ ihren Mann mit einem zweijährigen TKHter-
chen allein in dem Wärterhäuschen zurück.
Seine Schwester, die in dem Heimatdorfe an einen
Arbeiter verheiratet ist, nahm für den Augenblick
freilich das hilflose Wesen mit in ihre enge Häuslich-
keit, aber — sie hatte viele Kinder und viele Arbeit,
und es dauerte gar nicht lange, da sagte sie zu ihrem
Bruder:
„Du mußt Dich bald nach einer Frau umthun,
Jochen, denn — arme Leute haben keine Zeit zum
Trauern, das dürfen sich nur die reichen Leute ge-
statten. Deine Line gebraucht eine Mutter, denn ich
selbst habe Plage genug und kann sie nicht lange be-
halten, und Du hast eine Frau nötig, die für Dich
kocht und wäscht und Dich einmal im Dienste ablöst,
wenn Du krank oder nicht zu Hause bist. Du kannst
nicht lange allein bleiben."
Zuerst schüttelte Jochen den Kops, er wollte vom
Wiederverheiraten nichts hören; als er aber merkte,
daß er ohne weibliche Pflege und Hilfe nicht fertig
werden konnte, daß keiner da war, der für ihn sorgte,
da hatte das Kopsschütteln aufgehört, und er hörte
seiner Schwester schweigend zu, wenn sie von seiner
demnächstigen Heirat sprach, und als noch eine kurze
Zeit darüber verflossen war, trug er ihr auf, sie möge
sich nach einer Frau für ihn umsehen, denn er habe
keine Zeit dazu.
Das war der Schwester eben recht, und sie schlug
ihm diese oder jene vor, die ihr als Schwägerin ge-
paßt hätte, aber au jeder wußte der Bruder etwas
auszusetzen, und ärgerlich rief seine Schwester:
„Für Dich muß wohl erst eine Prinzessin geboren
werden, damit Du etwas Besonderes hast, ich weiß
wenigstens keine andere für Dich. Du müßtest denn,"
fügte sie halb im Scherz, halb ärgerlich hinzu, „Wiede-
meiers Käthe nehmen."
„Warum nicht? Küthe war immer ein sauberes
Mädel, und ist das auch noch heutzutage," ant-
wortete der Wärter sinnend; „ich habe sie schon gut
gekannt, ehe ich meine erste geheiratet habe, und mochte
sie wohl leiden. — Ja, ich will es Dir nur anver-
trauen, Grete, es hat eine Zeit gegeben, da hätte ich
sie lieber geheiratet als meine Line, aber es machte
sich nicht, sie hatte für mich kein Herz."
„Sie hat überhaupt kein Herz," antwortete die
Schwester, „und deshalb mag sie auch wohl nicht ge-
heiratet haben, denn sie ist bildsauber, und fleißig,
und sparsam und ordentlich — das muß ihr der Neid
lassen — und doch hat es einen Haken mit ihr und
sie bekommt keinen Mann, denn wer wird eine Frau
nehmen, die kein Herz hat?"
„Ich," antwortete der Bruder schnell und fuhr
dann fort: „Wenn ich mir so alles überlege, dann
denke ich, daß sie die einzige ist, die für mich Paßt.
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des Dichters — behandeln. Roseggers Novellen und Erzäh-
lungen haben nichts Sensationelles und Spannendes an sich,
aber es sind tiefempfundene, ernsthafte und drollige Geschichten,
die sich vor allem durch anmutige Wärme und Einfachheit aus-
zeichnen. Und was Roseggers Schriften noch besonders so un-
gemein anziehend macht, ist die schlichte Wahrheit, der frische,
herzerfreuende Humor und die echte volkstümliche Sprache. Durch
alle feine Werke zieht ein Hauch wahrer Poesie, der uns wie
Waldcsdnft entgegen weht; sie find erfüllt von reiner Menschen-
liebe und muten uns an, wie ein frischer, klarer Gebirgsquell,
alles in allem Eigentümlichkeiten, deren Zauber sich niemand
entziehen kann und an denen wir Freude haben, weil sie stets
den Herzenston zu treffen wissen. Roseggers Lebensgang gibt
Zeugnis, das; der Dichter nicht nur ein bedeutendes Talent, son-
dern auch ein seltener Charakter ist. Zu Alpl unweit Krieglach
im steierischen Oberlande wurde er am 31. Juli 1843 als der
Sohn braver Bauersleute geboren. Ihrer beschränkten Ver-
mögenslage wegen konnten ihn seine Eltern keine Schule be-
suchen lassen, er mußte statt dessen fleißig bei der Feldarbeit
mithelfen und oft den ganzen Tag die Rinder und Schafe im
Freien hüten, was für die schwächliche Konstitution des Knaben
sehr gut war. Bei einem alten Dorfschulmeister lernte er lesen
und schreiben und bald regte sich der künftige Volkspoet in ihm.
Alle ihm zugänglichen Bücher las er mit wahrer Gier, jedes
Stück Papier beschrieb er mit selbstverfaßten Gedichten und
kleinen Erzählungen, die fast alle auf eigenen Erlebnissen be-
ruhten, und als ihm einst ein Volkskalender von I. N. Vogl
in die Hände fiel, verfaßte der damals fünfzehnjährige Dichter
nach diesem Muster selbst einen Kalender. Jedes Buch spornte
ihn zu neuem poetischen Schassen an, und als die Eltern ein-
sahen, daß ihr Peter einen Hellen Kopf hatte, gaben sie ihn zu
einem Geistlichen, damit er sich zum Studium der Theologie
vorbereite. Aber schon nach wenigen Tagen erfaßte den jungen
Rosegger ein so heftiges Heimweh, daß er bei Nacht davonlief
und in sein Vaterhaus zurückkehrte. Es war das erstemal, daß
Rosegger sein Heimatland verlassen hatte, dem er bis heute alle-
zeit treu geblieben und dem er stets seine ganze Kraft geweiht.
„In jenen Tagen," bekennt er, „ist mein Heimweh geboren
worden, das mich seither nicht verließ, auf kleineren Touren,
wie auf größeren Reifen in Stadt und Land mein beständiger
Begleiter war und eine Quelle meiner Leiden geworden ist."
Da Rosegger für den landmünnischen Beruf nicht kräftig war,
kam er nun zu einem Schneider in die Lehre und zog mit seinem
Meister schneidernd und dichtend in der Umgegend seiner Heimat
umher. Endlich in seinem zweiundzwanzigstcn Lebensjahre lächelte
ihm das Glück. Dr. A. Svoboda, der Redakteur der „Grazer-
Tagespost" , dem Rosegger einige seiner Dichtungen zur Beur-
teilung einsandte, nahm sich des jungen Naturdichters an und
verschaffte demselben einige Freunde und Gönner, die dem Dichter
ermöglichten, zu feiner weiteren Ausbildung die Handelsakademie
in Graz zu besuchen. Nach vierjähriger Studienzeit verließ
Rosegger diese Bildungsanstalt und zog später nach deutscher
Poetenart in die weite Welt hinaus, um im Auslande sein
Wissen zu vervollständigen. Aber nicht lange litt es ihn in der
Fremde und bald kehrte er wieder in die Heimat zurück. Im
Jahre 1869 erschien Roseggers erstes Werk: „Zither und Hack-
brett" (Gedichte in obersteirischer Mundart) mit einem Vorworte
von Robert Hamerling, welches den jungen Dichter mit einem
Schlage berühmt machte und ihm ein Landesstipendium eintrug,
so daß er sich drei Jahre ganz seinen Studien widmen konnte.
Roseggers erstem Werke folgten Jahr für Jahr neue Schriften,
die alle das herrliche Steiermark und feine lebensfrohen Be-
wohner schildern und die so bekannt find, daß es unnötig ist,
sie alle einzeln aufzuzühlen. Nachdem Roseggers erstes Weib
nach kurzer glücklicher Ehe gestorben, vermählte sich der Dichter
zum zweitenmale und baute sich in der Nähe seines Heimats-
dorfes in Krieglach ein Haus, in welchem er mit seiner Familie
den Sommer über wohnt. Im Winter lebt Rosegger, der popu-
lärste Mann der Steiermark, in Graz. Seit 1876 gibt der
.Dichter die Monatsschrift „Der Heimgarten" heraus, in welcher
stets zuerst die innigen Gedichte, Schwänke und Erzählungen er-
scheinen, die uns beweisen, daß Rosegger einer der bedeutendsten
Volksschriftsteller ist. Aber P. K. Rosegger ist nicht allein ein
gottbegnadeter Poet, ein echter Volksdichter, sondern auch ein
liebenswürdiger, für alles Edle und Schöne begeisterter Mensch,
ein treuer Sohn feiner Heimat, die er in feinen herrlichen Werken
besingt. Ihr allein verdankt er die köstlichen Geschichten, mit
welchen er feit Jahren die deutschen Leser erfreut, und er wäre
vielleicht nie ein so großer Dichter geworden, Hütte ihm nicht
das Glück ein so reizendes Heimatland beschieden, denn nur „in
den dunklen Waldesgründen und an Bergeshängen gibt es", wie
Berthold Auerbach schreibt, „noch Charaktere wie die wilden
Rosen, einblätterig und osscn bis in den Herzensgrund, und
Weißdornblüten, die nur in einer Sturmnacht ausbrechen. Hier
ist die Herrschaft der halben Zustände, der relativen Hingebung,
die sich in der Reflexion einen Hinterhalt wahrt, noch spärlich.
Hier ist noch Lachen und Weinen, Jauchzen und Klagen herzhaft
und ohne Zurückhaltung. Die Leidenschaft hat hier noch ihren
vollen Mut, man weicht ihr nicht aus; sie wird hier leicht zur
absoluten. Das ganze Sein brennt in ihr auf und verzehrt
sich." — Und nur in einer solchen Gegend konnte Rosegger zum
Dichter werden.
Möge uns der edle Poet noch mit manchem Werke erfreuen
und möge ihm auch in Zukunft ein sonniges Leben beschieden sein!
Georg Westeuberger.
Jagd aus Sonnenfische im Atlantic.
(Bild S. 16.)
Wenn der atlantische Ozean ruhig und seine kaum merkliche
lange Dünung steht, so kann man oft vom Schiff aus dunkle,
unförmige Klumpen aus dem Wasser springen und mit einem
klatschenden Geräusch wieder verschwinden sehen und weiß nicht,
was es gewesen ist. Der Seemann weiß es aber und gibt dann
gern Auskunft. Es ist der Sonnenfisch (OrtüraZ-orlsaus Nola),
auch schwimmender Kopf genannt, der sich bei ruhigem Wetter
in Gesellschaft in diesen Saltomortalcs ergeht, ohne zu ahnen,
daß vielleicht der nächste Sprung aus dem Wasser seinen Tod
zur Folge hat, denn der Seemann wird hier zum passionirten
Jäger. Haben sich nun bei ruhigem Wetter in der Nähe eines
Seglers — vom Dampfer kann nicht die Rede fein — mehrere
Springer gezeigt, so wird die Erlaubnis vom Kapitän geholt
und eine Jagd beginnt. Die Gig wird seeklar gemacht,
zwei Mann am Riemen und der dritte mit Büchse und Messer
ausgerüstet bilden die Besatzung, und nun gleitet schnell und
lautlos die Gig dem Tummelplatz der Fische zu. In der Nähe
zeigen sich Flossen über Wasser, ein Wink mit der Hand, und
das Boot dreht bei. In meterhohem Sprung setzt ein Fisch
aus, ein Schuß kracht über das Wasser hin, und verendet klatscht
die Beute ins Wasser. Das Boot ist nun rasch zur Stelle, ein
Ende eines Taues wird um den fleischigen Körper gelegt, längsseit
des Schiffes geschleppt und hier der anderthalb Zentner schwere
Fisch an Deck geholt. Willy Stöwer.
Weibliche Handarbeiten.
(Detailzeichnungen siehe Umschlag Seite 2.)
Fußkissen in Tuchmosaik. Den meisten Verirrungen auf
dem Gebiete der Stickerei begegnet man in der Nachahmung der
Mofaiktechnik, in dem Zufammenfügen einzelner Stoffteile zu
einer bestimmten Musterung. Alle alten Stoffreste werden zu
einem Ganzen vereinigt, unbekümmert, ob die Farben auch zu
einander stimmen, ob dieser oder jener Stoffteil infolge feiner
Feinheit und Elastizität zu seinem Nachbar aus dickem, steifem
Tuch paßt oder nicht, ob die eine Farbe sich von der anderen
genügend trennt, kurz, man ist bestrebt, die totliegenden Neste
Fußkissen in Tuchmosaik.
zu verwerten und nutzbar zu machen. Wenn auch dieses letztere
Bestreben nur lobend anzuerkennen ist, kann es doch nicht gleich-
giltig sein, ob wir unsere Wohnräume geschmackvoll oder ge-
schmacklos ausstattcn, ob unsere Augen und die unserer Bekannten
mit Wohlgefallen auf dem gefertigten Gegenstand ruhen oder,
ob wir im Gefühle, etwas Unschönes verfertigt zu haben, uns
damit für entschuldigt halten zu müssen glauben, daß der Spar-
samkeit Genüge geleistet wurde.
Alles hat seine Grenzen, so auch die Sparsamkeit! Das
Verarbeiten von Stoffresten in der Mosaiktechnik ist durchaus
nicht ausgeschlossen, nur muß die Auswahl derartig getroffen
werden, daß eine Farbenharmonie dadurch erzielt wird und
gleichwertige Stoffe verwendet werden. — Das beste Material
zur Mosaiktechnik ist Tuch, aus welchem auch das für ein Fuß-
kissen bestimmte Modell Figur I hergestellt ist.
Das zwar einfache, aber durch korrekte Ausführung und har-
monische Farbenzusammenstellung sich auszeichnende Kissen ist in
den Farben schwarz, refedagrün, terracotta und goldgelb gehalten,
deren Verteilung die Zeichnung Figur II ersichtlich macht. —
Die Stoffteile sind durchwegs mit einer Paspoilirung von gold-
gelbem Tuch versehen, wodurch sich die Konturen verschärfen und
die Farben sich gut von einander trennen.
Die Uebertragung der Zeichnung hat man, den verschiedenen
Farben entsprechend, auf das korrekteste vorzunehmen, ebenso das
Ausschneiden der Stoffteile, und dies mittelst kleiner, scharfer
Schere. Die Zusammenfügung der Stosfteile ist von dem Mittel-
punkte des Kiffens aus zu beginnen, die Paspoilstreifchen, welche
circa fts Centimeter breit und schief zu schneiden find, in etwas
ausgedehntem Zustande auf die einzelnen Teile und auf die
rechte Seite derselben aufzuheften (siehe Figur II) und dann mit
dem angrenzenden Stoffteil mittelst Windelstichen, die nicht zu
tief gestochen werden dürfen, an der linken Seite an einander
zu nähen.
Nach vollendetem Znsammcnnähen der Stoffe werden die
Heftstiche der Paspoilstreifchen entfernt, letztere sodann aufgcrichtet
und ziemlich knapp an der Naht weggeschnitten. — Um den ge-
fertigten Gegenstand glatt zu bekommen, legt man ihn zwischen
feuchte Tücher und plättet ihn mit einem heißen Eisen so lange,
bis sich alle Ausdehnungen wieder zufammengezogen haben.
Bei gewöhnlicher Ausführung der Mofaiktechnik werden die
Stoffteile, ohne Paspoilirung, mit Windelstichen an einander
genäht und die Nähte an der rechten Seite entweder mit einer
Schnur, kleinen Soutache, mit dem Kettenstich oder anderen
Phantasiestichen gedeckt. S.
Kern K o e z.
Von
W. Machs.
^Aine weite Heidefläche. Fern am Horizont Kiefern-
Waldung; einige Dörfer und Weiler spärlich ver-
teilt auf den weiten Raum, der fast wie das
Meer — großartig iu seiner Einsamkeit wirkt, und
augenblicklich — wir befinden uns im August — im
höchsten Festesschmucke steht, denn die Erika blüht.
Die Lilablümchen, leise vom Winde bewegt, glei-
chen in ihrem Ausundniederwogen den Meereswellen,
alles in der Natur ist still, kaum daß ein Schmetter-
ling über die Fläche dahingaukelt, oder eine Biene,
zur Arbeit gerüstet, Besitz von den Blumenkelchen
nimmt. Das menschliche Herz fühlt sich tief ergriffen,
schlägt es allein mit seinem Schöpfer in dieser tiefsten
Einsamkeit.
Und doch — wo gibt es eine absolute Einsamkeit
in einem Jahrhundert, in dem man Wüsten durch-
forscht und sie zu kultiviren versucht, oder die fernsten
unbekanntesten Meere durchschifft, um neue Länder zu
entdecken? Auch hier in der Heide zeigen die mehr-
fach neben einander gelegten Schienenstränge, daß der
Handelsverkehr sich schon einen Weg durch die öden
Heideflächen gebahnt hat, und läßt vermuten, daß die
Zeit nicht allzu fern liegt, in der es menschlicher Arbeit
gelingen wird, auch diese unfruchtbare Strecke urbar
zu machen. Blüht doch schon jetzt in dem kleinen
Gärtchen, welches sich dem mit wildem Wein bewachse-
nen Wärterhäuschen anschließt, manche Sommer-
blume und erntet die Wärterfamilie doch ihren ganzen
Bedarf an Gemüsen von dem kleinen Gartenfleck, der
freilich den fleißigen Bearbeitern manchen Schweiß-
tropfen gekostet hat.
Seit einigen Jahren hat der Militäranwürter
Schulz die Würterstelle bekommen, und freute sich dessen,
trotz der Einsamkeit, denn er sowohl als seine Frau,
waren aus dem eine Viertelstunde entfernten Dorfe
gebürtig, und die Heimat behält einen eigenen Reiz,
selbst wenn sie in einer Wüste liegt.
Leider starb ihm die Frau nach wenigen Zehren
und ließ ihren Mann mit einem zweijährigen TKHter-
chen allein in dem Wärterhäuschen zurück.
Seine Schwester, die in dem Heimatdorfe an einen
Arbeiter verheiratet ist, nahm für den Augenblick
freilich das hilflose Wesen mit in ihre enge Häuslich-
keit, aber — sie hatte viele Kinder und viele Arbeit,
und es dauerte gar nicht lange, da sagte sie zu ihrem
Bruder:
„Du mußt Dich bald nach einer Frau umthun,
Jochen, denn — arme Leute haben keine Zeit zum
Trauern, das dürfen sich nur die reichen Leute ge-
statten. Deine Line gebraucht eine Mutter, denn ich
selbst habe Plage genug und kann sie nicht lange be-
halten, und Du hast eine Frau nötig, die für Dich
kocht und wäscht und Dich einmal im Dienste ablöst,
wenn Du krank oder nicht zu Hause bist. Du kannst
nicht lange allein bleiben."
Zuerst schüttelte Jochen den Kops, er wollte vom
Wiederverheiraten nichts hören; als er aber merkte,
daß er ohne weibliche Pflege und Hilfe nicht fertig
werden konnte, daß keiner da war, der für ihn sorgte,
da hatte das Kopsschütteln aufgehört, und er hörte
seiner Schwester schweigend zu, wenn sie von seiner
demnächstigen Heirat sprach, und als noch eine kurze
Zeit darüber verflossen war, trug er ihr auf, sie möge
sich nach einer Frau für ihn umsehen, denn er habe
keine Zeit dazu.
Das war der Schwester eben recht, und sie schlug
ihm diese oder jene vor, die ihr als Schwägerin ge-
paßt hätte, aber au jeder wußte der Bruder etwas
auszusetzen, und ärgerlich rief seine Schwester:
„Für Dich muß wohl erst eine Prinzessin geboren
werden, damit Du etwas Besonderes hast, ich weiß
wenigstens keine andere für Dich. Du müßtest denn,"
fügte sie halb im Scherz, halb ärgerlich hinzu, „Wiede-
meiers Käthe nehmen."
„Warum nicht? Küthe war immer ein sauberes
Mädel, und ist das auch noch heutzutage," ant-
wortete der Wärter sinnend; „ich habe sie schon gut
gekannt, ehe ich meine erste geheiratet habe, und mochte
sie wohl leiden. — Ja, ich will es Dir nur anver-
trauen, Grete, es hat eine Zeit gegeben, da hätte ich
sie lieber geheiratet als meine Line, aber es machte
sich nicht, sie hatte für mich kein Herz."
„Sie hat überhaupt kein Herz," antwortete die
Schwester, „und deshalb mag sie auch wohl nicht ge-
heiratet haben, denn sie ist bildsauber, und fleißig,
und sparsam und ordentlich — das muß ihr der Neid
lassen — und doch hat es einen Haken mit ihr und
sie bekommt keinen Mann, denn wer wird eine Frau
nehmen, die kein Herz hat?"
„Ich," antwortete der Bruder schnell und fuhr
dann fort: „Wenn ich mir so alles überlege, dann
denke ich, daß sie die einzige ist, die für mich Paßt.