510
Illustrirte Melt.
Lothringen des ungarischen Thrones entsetzt und Ungarn unab-
hängig. Kossuth wurde zum Gouverneur ernannt und residirte
in Pest. Aber die Herrlichkeit dauerte nicht lange; Pest ging
verloren; Kossuth mußte mit seiner Regierung immer weiter
nach dem Süden sich zurückziehen und sah sich schließlich ge-
zwungen, am II. August 1849 die Diktatur an General Görgei
zu übertragen. Wenige Tage später trat er auf türkisches Ge-
biet über, wurde verhaftet und in Widdin, später in Schumla
verwahrt und schließlich zu Kutahia in Kleinasien internirt.
Dahin folgte ihm auch feine Familie. Nachdem er seine Freiheit
wieder erlangt hatte (September 1851), begab er sich nach den
Vereinigten Staaten und lebte dann in London und in der
letzten Zeit seines Lebens zu Turin, wo er nun auch gestorben
ist. Seine Leiche wurde auf Kosten der Stadtgemeinde Pest
mit den Gebeinen seiner Frau und seiner Tochter nach der
ungarischen Hauptstadt zur Beisetzung überführt.
Im australischen Kusch.
(Bildre S. 512 und 513.)
Zwischen dem südlichen, rechten Ufer des Hawkesbury River,
der sich nördlich von Sidney, der Hauptstadt der britischen
Kolonie Neu-Süd-Wales, in den Stillen Ozean ergießt, und
dem Rande des Urwaldes, des „Busch", wie man in Australien
sagt, war — so berichtet der Zeichner unserer naturwahren
Bilderreihe — eine neue „Station", eine Niederlassung, im Ent-
stehen. Das hübsche kleine Wohnhaus war bereits vollendet und
von der Familie des Ansiedlers bezogen worden; es lag un-
mittelbar am Rande des Busches, dessen blaue, gelbe und weiße
Gummibäume und andere Riesen des australischen Urwaldes mit
ihren graugrünen Blättern und gewaltigen Stämmen es be-
schatteten. Die Ebene zwischen dem Busch und dem Flusse bildete
fast einen einzigen Baumgarten voll köstlich duftender Orangen-
bäume, aus deren dunklem Laube goldene Früchte und weiße
Blüten hervorleuchteten. Rechts und links von dem Stations-
hause hatten die Ansiedler bereits meilenlange „Fenze", Ein-
friedigungen, hergestellt, zum Schutze der geklärten Felder; ge-
waltige 'Gummibäume waren gefällt, zersägt und gespalten
worden, um jene ausgedehnten Fenze errichten zu können. Im
Garten vor und neben dem Hause blühten zahlreiche Orangen-
bäume und Blumen, während die frisch angelegten Melonenbeete
bereits Früchte zeigten.
In Sidney waren vor kurzem mehrere Verwandte der Familie
aus England eingetroffen, die man zu einem Besuche in der
Wildnis eingeladen hatte. Von Paramatta aus hatten die
Reisenden, unter der Leitung eines Führers, zu Pferde den
Weg bis zur Station am Hawkesbury River zurückgelegt, und
begrüßten, nachdem sie sich erholt und in der Umgebung der
Station alles ihnen Neue und Merkwürdige in Augenschein
genommen, mit Freuden die Einladung ihres Wirtes, am
folgenden Tage an einer großen Jagdpartie auf Kängurus im
Urwalde sich zu beteiligen. Um halb fünf Uhr wurde ani an-
dern Morgen ein kräftiges Frühstück eingenommen und nach dem
Flusse aufgebrochen, wo zwei geräumige Boote die Jagdgesell-
schaft, der sich auch die Gattin des Stationshalters angeschloffen,
erwarteten. Vier Träger hatten den für einige Tage erforder-
lichen Proviant aller Art nebst Pfannen und Töpfen in den
Fahrzeugen untergebracht, im letzten Augenblicke wurde noch eine
Anzahl Hunde an Bord genommen, und dann begann die Fahrt
stromaufwärts.
Ein herrliches Panorama von Wäldern und Bergen breitete
sich vor den Augen der Jäger aus; ausgedehnte Hügelreihen er-
hoben sich in der blauen Ferne, deren Abhänge dicht mit Gummi-
bäumen bedeckt waren; hier und da leuchteten die weißen, vom
Blitz getroffenen Stämme einzelner Baumriefen aus der ounklen
Masse hervor. Bereits am Nachmittage schlug die Gesellschaft
ihr Lager an einem Platze auf, der unter dem Namen der
„Wasserhöhle" bekannt ist; ein silberner Wasserfall stürzt dort
von dem Berge in den Fluß.
In kurzer Zeit waren die Zelte aufgeschlagen, Feuer ange-
zündet und eine reichliche Mahlzeit zubereitet; nachdem diese ein-
genommen, zerstreute sich die Gesellschaft. Einige der Gäste
begaben sich, unter Führung ihres Wirtes, mit den Hunden auf
die Suche nach Kängurus, einige nahmen ihre Angeln zur Hand
und fanden bald einen für ihren Sport geeigneten Platz; einer
der Besucher ließ sich sogar von einem kundigen Arbeiter der
Station erst die Haare schneiden, da ihm sein etwas zu üppig
gewordener Haarwuchs bei der Hitze sehr lästig geworden war.
Den Jägern gelang es, mit Hilfe der gut geschulten Hunde,
drei Wallabies zu erlegen, eine kleine Art von Kängurus, die
nicht viel größer als Hasen sind. Die Hunde jagten sie auf
und trieben sie den Jägern zu, was in kurzer Zeit vor sich ging,
da das Känguru gewöhnlich in mehr oder weniger ausgedehnten
Kreisen zu springen Pflegt und daher bald nach der Stelle zu-
rückkehrt, von wo es aufgejagt worden ist. Am folgenden Tage
wurde die Jagd wieder fortgesetzt, und es gelang, einige große
Kängurus zu erlegen, sogenannte „olä man", die eine Höhe
von über sechs Fuß erreichen.
In dieser Weise zog die Gesellschaft noch mehrere Tage in
den Wäldern am rechten Ufer des Hawkesbury umher, eine nicht
geringe Menge von Kängurus, Wallabies, sowie einige Opossums
und Dingos (wilde Hunde) erlegend. Je mehr man in den Ur-
wald eindrang, je stärker machte sich der eigentümliche Eindruck
der Wildnis auf die Neulinge geltend.
Während die Herren der Jagd und dem Angeln oblagen,
beschäftigte sich die Gattin des Ansiedlers auf einem improvi-
sirten Herde im Busche mit der Zubereitung der Abendmahlzeit,
bei der es stets sehr fröhlich zuging; die Erlebnisse des Tages
wurden erzählt, und es fehlte auch nicht an komischen Scenen;
so mußte einer der Herren einen Diener als lebendigen Stiefel-
zieher benützen, da er nicht im stände war, sich auf andere Weise
seiner nassen Jagdstiefel zu entledigen.
Als die für ihren Ausflug bestimmte Zeit verstrichen war,
nahmen die Freunde nur mit aufrichtigem Bedauern von dem
Gastfreunde Abschied und kehrten nach Sidney zurück.
Das Dorfbrünnlem zu Nellingen
bei Königsberg in Kranken.
aus dem Dorf der Weg zum Städtlein führt
Durch lausch'gen Anger, weidenbaumbeschattet,
Auf dem des Dorfes schöne Linde ragt,
fugend Spielplatz seit Jahrhunderten,
Ein Brunnenhäuslein steht, als hielt' es Schildwacht.
Zwar einfach ist's, — Moos deckt das Dach, doch Balken,
Die Eichenbalken, wie sie unsre Ahnen
Für ihre Enkel redlich ausgesucht,
Sie trotzen jedem Wettersturm; Jahrhunderte
Sind diesem Häuslein schon vorbei gegangen
Und immer steht's noch, als wär' gestern erst
Erbaut es worden, stark und einfach da
In seiner rührenden Bescheidenheit.
Es trank aus seiner Flut im Lauf der Zeiten
Des Rechts, des Glaubens halber abgehetzt,
Schutzlos der Bauer; ach, es trank daraus
Des wilden Tilly Rotte, buntgescheckt
Und, siegreich ziehend durch das schöne Franken,
Mit Waffenschall das Heer des Gustav Adolf.
Das leichte Roß des bärtigen Kosaken
Hat über seinem Hellen, klaren Vuell
Geschüttelt, fröhlich wiehernd, seine Mähne,
Und, wundgespornt, das Pferd des slücht'gen Franzmann,
Dess' ehrner Feldherr ohne Hut und Degen
Floh heimwärts über Deutschlands freie Gauen
Von Leipzig her, wo schwer der Würfel siel.
Manch lieblich Rind hat über deinem Spiegel,
V Brünnlein, seinem Bilde zugenickt,
Das längst, ein Greis, dem Grabe zugewankt,
Und dessen Freud und Leid — wie lang! — verschollen.
An deiner «Duelle steingefaßtem Rand,
Dem runden, schnitt des Dorfes frohe Jugend
Die weidenpfeifen sich in manchem Lenz,
Urgroßvater, Großvater, viele Enkel —
wie lange schon, wie lange noch, — wer weiß! —
Und nun, seitdem das junge Deutschland weit
Die Welt erfüllt mit feinem hohen Ruhm,
Trägst du gar lieben Schmuck: auf schlichtem Fähnlein
Des jungen Reiches Farben, wenn der wind
Rings durch der schlanken Eschen Kronen braust,
Die, dich zu ehren, man um dich gepflanzt,
Und ich vorbei im schönen Lenz dort wandre,
Ist mir, als riefst du trauten Gruß mir zu;
Gar seltsam wird zu Mut mir, vor dem Auge
Des Geistes zichn vorbei all die dich kannten,
Und fürder schreitend bet' ich wohl: D Herr,
Mein Heimatdörflein segne für und für,
Beschütz und schirm das schöne deutsche Reich!
Gerächt.
Erzählung aus dem Pariser Leben
Keröert Wannstern.
Porelachaise war angefüllt mit einer glänzen-
den, hocharistokratischen Menge. Die Prächtigen
Uniformen zahlreicher Offiziere sunkelten im
Hellen Sonnenschein, und ein Damenflor in
eleganter Trauertoilette war gegenwärtig, um der Mar-
quise de Brianon die letzte Ehre zu erweisen.
Neben dem offenen Grabe stand der trauernde
Witwer und blickte finstern Auges in die Gruft, in
die man sein Liebstes zur ewigen Ruhe gebettet hatte.
Der Marquis de Brianon war ein stattlicher Mann
in der Blüte der Jahre, Seine stolze, imponirende
Haltung sprach seinem schon stark ergrauten Haar
Hohn. Seine kühnen, aristokratischen Züge waren von
Wind und Wetter gebräunt, und selbst die tiefe Trauer
seines Herzens vermochte es nicht, gänzlich den Aus-
druck unnachsichtiger Strenge und wilder Energie zu
bannen, der aus seinem flammenden Auge und seinen
fest zusammengepreßten Lippen sprach.
Wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel hatte ihn
das Unglück getroffen. Aber obwohl der starke Eich-
baum bis ins Mark verwundet wurde, der Schicksals-
schlag vermochte es dennoch nicht, ihn zu fällen. Der
Marquis hatte in reiferen Jahren ein blutjunges,
engelschönes Geschöpf zu seiner Gattin gemacht. Er
liebte seine Vivienne mit der Leidenschaft der Jugend,
gepaart mit der Tiefe und Treue reiferen Alters. Er
betete sie an, er las jeden Wunsch von ihren Augen
ab, und er hätte den Boden küssen mögen, den sie
betrat. Sein Glück war so groß, so berauschend, so
schrankenlos, wie es nur selten den armen Staubge-
borenen beschieden ist. Da nahm es ein jähes, furcht-
bares Ende. Die Marquise ritt eines Tages aus,
nach ihrer Gewohnheit nur von einem Groom begleitet.
Sie sollte nicht lebend zurückkehren. Ihr Pferd scheute
urplötzlich und schleuderte seine Reiterin aus dem
Sattel. Die Marquise siel mit dem Kopf hart auf
einen Prellstein auf. Als der Groom zu ihrer Hilfe
herbeigeeilt kam, hatte sie schon ihren letzten Seufzer
gethan. Inmitten der Freuden dieser Welt war sie vor
Gottes Thron gerufen worden.
Brianon war halb wahnsinnig vor Schmerz, als
ihm sein schönes, heißgeliebtes Weib, das er vor wenig
Stunden prangend in Schönheit und Lebenskraft ver-
lassen hatte, als blutüberströmte, entstellte Leiche ins
Haus gebracht wurde. Er schloß sich mit der Toten
ein und überließ sich in der Einsamkeit seinem fassungs-
losen Jammer. Als der Tag des Leichenbegängnisses
heranrückte, erschien er jedoch finster und gefaßt. Kein
menschliches Auge sollte den tiefen Jammer seiner Seele
sehen.
Die heilige Zeremonie war beendet. Zahllose Kränze
bedeckten den provisorischen Hügel. Einer nach dem
andern entfernte sich aus dem Kreise der Leidtragenden,
nur der Marquis stand noch immer regungslos am
Grabe seines Weibes und starrte wie gebannt aus die
Stätte, wo so viel Schönheit und Holdseligkeit für
immer und ewig eingekerkert war. Endlich nahte sich
ihm der würdige Geistliche.
„Herr Marquis," sagte er mit sanfter Stimme,
„der Herr Haffs gegeben, der Herr Haffs genommen.
Der Name des Herrn sei gelobt!"
Der Witwer fuhr empor wie aus schwerem Traum.
Ein finsterer Blick aus seinen dunklen Augen traf den
alten Seelenhirten.
„Ich danke, iKonsiour Io eure, für Ihre trost-
reichen Worte!" sagte er, aber seine Stimme klang
hart, und seine Rede dünkte dem frommen Geistlichen
wie bitterer Hohn.
Der Marquis wartete keine Antwort ab. Er ver-
neigte sich leicht und schritt in stolzer, aufrechter Hal-
tung und mit schnellen Schritten zu seiner Equipage.
Auch diese trug die Abzeichen tiefer Trauer. Die sil-
bernen Geschirre der Pferde waren mit Cröpe um-
wunden, Kutscher und Diener trugen breite Florstreifen
um die hohen Hüte.
„Nach Hause!" befahl der Marquis barsch.
Er schmiegte sich tief in die seidenen Kissen des
Wagens. Es dünkte ihm, als ob dieselben noch das
Liebliugsparsüm seiner Vivienne aushauchten. Die
Thränen traten dem starken Mann in die Augen, aber
er drängte sie mit zorniger Gewalt zurück. Nur jetzt
kein Zeichen von Schwäche, wo er der Oefsentl ich leit
preisgegeben war.
Endlich hielt die Equipage vor dem prächtigen
Hause des Marquis. Er stieg hastig die Treppe empor
und trat in die Zimmerflucht, welche Vivienne bewohnt
hatte. Dort schob er den Riegel vor und sank aus
das nächste Sofa nieder. Endlich war er wieder allein
mit seinem Elend.
Das war nicht mehr derselbe Mann, der vorhin
so hart und regungslos wie ein Felsblock erschienen
war, jetzt barg der Marquis sein Antlitz in den Atlas-
kissen und schluchzte so fassungslos wie ein Kind.
„Gott, mein Gott," ächzte er verzweifelt, „warum
hast du mir das gethan? Warum nahmst du mir
meine Sonne, mein Glück, mein alles, und ließest mir
dieses elende Leben? O, erlöse mich von meiner Qual.
Nimm mich zu dir, damit ich im Jenseits mit der Ge-
liebten vereint bin!"
So rang der starke Mann mit seinem Weh. Stunden
vergingen, in denen er Welt und Menschen vergaß.
Endlich hörte der erlösende Strom der Thränen aus
zu fließen. Die müden, erloschenen Blicke wanderten
träumerisch durch das kleine Gemach.
Es war das Boudoir Viviennes, und jedem Gerät
War ihr eigenartiges Gepräge aufgedrückt. Die kost-
baren Rosenholzmöbel standen in genialer Anordnung
umher. Im goldnen Reisen schwang sich ein buntge-
fiederter Papagei hin und her und kreischte mit schnar-
render Stimme:
„Vivienne, schöne Vivienne, Schönste der Schönen!"
Illustrirte Melt.
Lothringen des ungarischen Thrones entsetzt und Ungarn unab-
hängig. Kossuth wurde zum Gouverneur ernannt und residirte
in Pest. Aber die Herrlichkeit dauerte nicht lange; Pest ging
verloren; Kossuth mußte mit seiner Regierung immer weiter
nach dem Süden sich zurückziehen und sah sich schließlich ge-
zwungen, am II. August 1849 die Diktatur an General Görgei
zu übertragen. Wenige Tage später trat er auf türkisches Ge-
biet über, wurde verhaftet und in Widdin, später in Schumla
verwahrt und schließlich zu Kutahia in Kleinasien internirt.
Dahin folgte ihm auch feine Familie. Nachdem er seine Freiheit
wieder erlangt hatte (September 1851), begab er sich nach den
Vereinigten Staaten und lebte dann in London und in der
letzten Zeit seines Lebens zu Turin, wo er nun auch gestorben
ist. Seine Leiche wurde auf Kosten der Stadtgemeinde Pest
mit den Gebeinen seiner Frau und seiner Tochter nach der
ungarischen Hauptstadt zur Beisetzung überführt.
Im australischen Kusch.
(Bildre S. 512 und 513.)
Zwischen dem südlichen, rechten Ufer des Hawkesbury River,
der sich nördlich von Sidney, der Hauptstadt der britischen
Kolonie Neu-Süd-Wales, in den Stillen Ozean ergießt, und
dem Rande des Urwaldes, des „Busch", wie man in Australien
sagt, war — so berichtet der Zeichner unserer naturwahren
Bilderreihe — eine neue „Station", eine Niederlassung, im Ent-
stehen. Das hübsche kleine Wohnhaus war bereits vollendet und
von der Familie des Ansiedlers bezogen worden; es lag un-
mittelbar am Rande des Busches, dessen blaue, gelbe und weiße
Gummibäume und andere Riesen des australischen Urwaldes mit
ihren graugrünen Blättern und gewaltigen Stämmen es be-
schatteten. Die Ebene zwischen dem Busch und dem Flusse bildete
fast einen einzigen Baumgarten voll köstlich duftender Orangen-
bäume, aus deren dunklem Laube goldene Früchte und weiße
Blüten hervorleuchteten. Rechts und links von dem Stations-
hause hatten die Ansiedler bereits meilenlange „Fenze", Ein-
friedigungen, hergestellt, zum Schutze der geklärten Felder; ge-
waltige 'Gummibäume waren gefällt, zersägt und gespalten
worden, um jene ausgedehnten Fenze errichten zu können. Im
Garten vor und neben dem Hause blühten zahlreiche Orangen-
bäume und Blumen, während die frisch angelegten Melonenbeete
bereits Früchte zeigten.
In Sidney waren vor kurzem mehrere Verwandte der Familie
aus England eingetroffen, die man zu einem Besuche in der
Wildnis eingeladen hatte. Von Paramatta aus hatten die
Reisenden, unter der Leitung eines Führers, zu Pferde den
Weg bis zur Station am Hawkesbury River zurückgelegt, und
begrüßten, nachdem sie sich erholt und in der Umgebung der
Station alles ihnen Neue und Merkwürdige in Augenschein
genommen, mit Freuden die Einladung ihres Wirtes, am
folgenden Tage an einer großen Jagdpartie auf Kängurus im
Urwalde sich zu beteiligen. Um halb fünf Uhr wurde ani an-
dern Morgen ein kräftiges Frühstück eingenommen und nach dem
Flusse aufgebrochen, wo zwei geräumige Boote die Jagdgesell-
schaft, der sich auch die Gattin des Stationshalters angeschloffen,
erwarteten. Vier Träger hatten den für einige Tage erforder-
lichen Proviant aller Art nebst Pfannen und Töpfen in den
Fahrzeugen untergebracht, im letzten Augenblicke wurde noch eine
Anzahl Hunde an Bord genommen, und dann begann die Fahrt
stromaufwärts.
Ein herrliches Panorama von Wäldern und Bergen breitete
sich vor den Augen der Jäger aus; ausgedehnte Hügelreihen er-
hoben sich in der blauen Ferne, deren Abhänge dicht mit Gummi-
bäumen bedeckt waren; hier und da leuchteten die weißen, vom
Blitz getroffenen Stämme einzelner Baumriefen aus der ounklen
Masse hervor. Bereits am Nachmittage schlug die Gesellschaft
ihr Lager an einem Platze auf, der unter dem Namen der
„Wasserhöhle" bekannt ist; ein silberner Wasserfall stürzt dort
von dem Berge in den Fluß.
In kurzer Zeit waren die Zelte aufgeschlagen, Feuer ange-
zündet und eine reichliche Mahlzeit zubereitet; nachdem diese ein-
genommen, zerstreute sich die Gesellschaft. Einige der Gäste
begaben sich, unter Führung ihres Wirtes, mit den Hunden auf
die Suche nach Kängurus, einige nahmen ihre Angeln zur Hand
und fanden bald einen für ihren Sport geeigneten Platz; einer
der Besucher ließ sich sogar von einem kundigen Arbeiter der
Station erst die Haare schneiden, da ihm sein etwas zu üppig
gewordener Haarwuchs bei der Hitze sehr lästig geworden war.
Den Jägern gelang es, mit Hilfe der gut geschulten Hunde,
drei Wallabies zu erlegen, eine kleine Art von Kängurus, die
nicht viel größer als Hasen sind. Die Hunde jagten sie auf
und trieben sie den Jägern zu, was in kurzer Zeit vor sich ging,
da das Känguru gewöhnlich in mehr oder weniger ausgedehnten
Kreisen zu springen Pflegt und daher bald nach der Stelle zu-
rückkehrt, von wo es aufgejagt worden ist. Am folgenden Tage
wurde die Jagd wieder fortgesetzt, und es gelang, einige große
Kängurus zu erlegen, sogenannte „olä man", die eine Höhe
von über sechs Fuß erreichen.
In dieser Weise zog die Gesellschaft noch mehrere Tage in
den Wäldern am rechten Ufer des Hawkesbury umher, eine nicht
geringe Menge von Kängurus, Wallabies, sowie einige Opossums
und Dingos (wilde Hunde) erlegend. Je mehr man in den Ur-
wald eindrang, je stärker machte sich der eigentümliche Eindruck
der Wildnis auf die Neulinge geltend.
Während die Herren der Jagd und dem Angeln oblagen,
beschäftigte sich die Gattin des Ansiedlers auf einem improvi-
sirten Herde im Busche mit der Zubereitung der Abendmahlzeit,
bei der es stets sehr fröhlich zuging; die Erlebnisse des Tages
wurden erzählt, und es fehlte auch nicht an komischen Scenen;
so mußte einer der Herren einen Diener als lebendigen Stiefel-
zieher benützen, da er nicht im stände war, sich auf andere Weise
seiner nassen Jagdstiefel zu entledigen.
Als die für ihren Ausflug bestimmte Zeit verstrichen war,
nahmen die Freunde nur mit aufrichtigem Bedauern von dem
Gastfreunde Abschied und kehrten nach Sidney zurück.
Das Dorfbrünnlem zu Nellingen
bei Königsberg in Kranken.
aus dem Dorf der Weg zum Städtlein führt
Durch lausch'gen Anger, weidenbaumbeschattet,
Auf dem des Dorfes schöne Linde ragt,
fugend Spielplatz seit Jahrhunderten,
Ein Brunnenhäuslein steht, als hielt' es Schildwacht.
Zwar einfach ist's, — Moos deckt das Dach, doch Balken,
Die Eichenbalken, wie sie unsre Ahnen
Für ihre Enkel redlich ausgesucht,
Sie trotzen jedem Wettersturm; Jahrhunderte
Sind diesem Häuslein schon vorbei gegangen
Und immer steht's noch, als wär' gestern erst
Erbaut es worden, stark und einfach da
In seiner rührenden Bescheidenheit.
Es trank aus seiner Flut im Lauf der Zeiten
Des Rechts, des Glaubens halber abgehetzt,
Schutzlos der Bauer; ach, es trank daraus
Des wilden Tilly Rotte, buntgescheckt
Und, siegreich ziehend durch das schöne Franken,
Mit Waffenschall das Heer des Gustav Adolf.
Das leichte Roß des bärtigen Kosaken
Hat über seinem Hellen, klaren Vuell
Geschüttelt, fröhlich wiehernd, seine Mähne,
Und, wundgespornt, das Pferd des slücht'gen Franzmann,
Dess' ehrner Feldherr ohne Hut und Degen
Floh heimwärts über Deutschlands freie Gauen
Von Leipzig her, wo schwer der Würfel siel.
Manch lieblich Rind hat über deinem Spiegel,
V Brünnlein, seinem Bilde zugenickt,
Das längst, ein Greis, dem Grabe zugewankt,
Und dessen Freud und Leid — wie lang! — verschollen.
An deiner «Duelle steingefaßtem Rand,
Dem runden, schnitt des Dorfes frohe Jugend
Die weidenpfeifen sich in manchem Lenz,
Urgroßvater, Großvater, viele Enkel —
wie lange schon, wie lange noch, — wer weiß! —
Und nun, seitdem das junge Deutschland weit
Die Welt erfüllt mit feinem hohen Ruhm,
Trägst du gar lieben Schmuck: auf schlichtem Fähnlein
Des jungen Reiches Farben, wenn der wind
Rings durch der schlanken Eschen Kronen braust,
Die, dich zu ehren, man um dich gepflanzt,
Und ich vorbei im schönen Lenz dort wandre,
Ist mir, als riefst du trauten Gruß mir zu;
Gar seltsam wird zu Mut mir, vor dem Auge
Des Geistes zichn vorbei all die dich kannten,
Und fürder schreitend bet' ich wohl: D Herr,
Mein Heimatdörflein segne für und für,
Beschütz und schirm das schöne deutsche Reich!
Gerächt.
Erzählung aus dem Pariser Leben
Keröert Wannstern.
Porelachaise war angefüllt mit einer glänzen-
den, hocharistokratischen Menge. Die Prächtigen
Uniformen zahlreicher Offiziere sunkelten im
Hellen Sonnenschein, und ein Damenflor in
eleganter Trauertoilette war gegenwärtig, um der Mar-
quise de Brianon die letzte Ehre zu erweisen.
Neben dem offenen Grabe stand der trauernde
Witwer und blickte finstern Auges in die Gruft, in
die man sein Liebstes zur ewigen Ruhe gebettet hatte.
Der Marquis de Brianon war ein stattlicher Mann
in der Blüte der Jahre, Seine stolze, imponirende
Haltung sprach seinem schon stark ergrauten Haar
Hohn. Seine kühnen, aristokratischen Züge waren von
Wind und Wetter gebräunt, und selbst die tiefe Trauer
seines Herzens vermochte es nicht, gänzlich den Aus-
druck unnachsichtiger Strenge und wilder Energie zu
bannen, der aus seinem flammenden Auge und seinen
fest zusammengepreßten Lippen sprach.
Wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel hatte ihn
das Unglück getroffen. Aber obwohl der starke Eich-
baum bis ins Mark verwundet wurde, der Schicksals-
schlag vermochte es dennoch nicht, ihn zu fällen. Der
Marquis hatte in reiferen Jahren ein blutjunges,
engelschönes Geschöpf zu seiner Gattin gemacht. Er
liebte seine Vivienne mit der Leidenschaft der Jugend,
gepaart mit der Tiefe und Treue reiferen Alters. Er
betete sie an, er las jeden Wunsch von ihren Augen
ab, und er hätte den Boden küssen mögen, den sie
betrat. Sein Glück war so groß, so berauschend, so
schrankenlos, wie es nur selten den armen Staubge-
borenen beschieden ist. Da nahm es ein jähes, furcht-
bares Ende. Die Marquise ritt eines Tages aus,
nach ihrer Gewohnheit nur von einem Groom begleitet.
Sie sollte nicht lebend zurückkehren. Ihr Pferd scheute
urplötzlich und schleuderte seine Reiterin aus dem
Sattel. Die Marquise siel mit dem Kopf hart auf
einen Prellstein auf. Als der Groom zu ihrer Hilfe
herbeigeeilt kam, hatte sie schon ihren letzten Seufzer
gethan. Inmitten der Freuden dieser Welt war sie vor
Gottes Thron gerufen worden.
Brianon war halb wahnsinnig vor Schmerz, als
ihm sein schönes, heißgeliebtes Weib, das er vor wenig
Stunden prangend in Schönheit und Lebenskraft ver-
lassen hatte, als blutüberströmte, entstellte Leiche ins
Haus gebracht wurde. Er schloß sich mit der Toten
ein und überließ sich in der Einsamkeit seinem fassungs-
losen Jammer. Als der Tag des Leichenbegängnisses
heranrückte, erschien er jedoch finster und gefaßt. Kein
menschliches Auge sollte den tiefen Jammer seiner Seele
sehen.
Die heilige Zeremonie war beendet. Zahllose Kränze
bedeckten den provisorischen Hügel. Einer nach dem
andern entfernte sich aus dem Kreise der Leidtragenden,
nur der Marquis stand noch immer regungslos am
Grabe seines Weibes und starrte wie gebannt aus die
Stätte, wo so viel Schönheit und Holdseligkeit für
immer und ewig eingekerkert war. Endlich nahte sich
ihm der würdige Geistliche.
„Herr Marquis," sagte er mit sanfter Stimme,
„der Herr Haffs gegeben, der Herr Haffs genommen.
Der Name des Herrn sei gelobt!"
Der Witwer fuhr empor wie aus schwerem Traum.
Ein finsterer Blick aus seinen dunklen Augen traf den
alten Seelenhirten.
„Ich danke, iKonsiour Io eure, für Ihre trost-
reichen Worte!" sagte er, aber seine Stimme klang
hart, und seine Rede dünkte dem frommen Geistlichen
wie bitterer Hohn.
Der Marquis wartete keine Antwort ab. Er ver-
neigte sich leicht und schritt in stolzer, aufrechter Hal-
tung und mit schnellen Schritten zu seiner Equipage.
Auch diese trug die Abzeichen tiefer Trauer. Die sil-
bernen Geschirre der Pferde waren mit Cröpe um-
wunden, Kutscher und Diener trugen breite Florstreifen
um die hohen Hüte.
„Nach Hause!" befahl der Marquis barsch.
Er schmiegte sich tief in die seidenen Kissen des
Wagens. Es dünkte ihm, als ob dieselben noch das
Liebliugsparsüm seiner Vivienne aushauchten. Die
Thränen traten dem starken Mann in die Augen, aber
er drängte sie mit zorniger Gewalt zurück. Nur jetzt
kein Zeichen von Schwäche, wo er der Oefsentl ich leit
preisgegeben war.
Endlich hielt die Equipage vor dem prächtigen
Hause des Marquis. Er stieg hastig die Treppe empor
und trat in die Zimmerflucht, welche Vivienne bewohnt
hatte. Dort schob er den Riegel vor und sank aus
das nächste Sofa nieder. Endlich war er wieder allein
mit seinem Elend.
Das war nicht mehr derselbe Mann, der vorhin
so hart und regungslos wie ein Felsblock erschienen
war, jetzt barg der Marquis sein Antlitz in den Atlas-
kissen und schluchzte so fassungslos wie ein Kind.
„Gott, mein Gott," ächzte er verzweifelt, „warum
hast du mir das gethan? Warum nahmst du mir
meine Sonne, mein Glück, mein alles, und ließest mir
dieses elende Leben? O, erlöse mich von meiner Qual.
Nimm mich zu dir, damit ich im Jenseits mit der Ge-
liebten vereint bin!"
So rang der starke Mann mit seinem Weh. Stunden
vergingen, in denen er Welt und Menschen vergaß.
Endlich hörte der erlösende Strom der Thränen aus
zu fließen. Die müden, erloschenen Blicke wanderten
träumerisch durch das kleine Gemach.
Es war das Boudoir Viviennes, und jedem Gerät
War ihr eigenartiges Gepräge aufgedrückt. Die kost-
baren Rosenholzmöbel standen in genialer Anordnung
umher. Im goldnen Reisen schwang sich ein buntge-
fiederter Papagei hin und her und kreischte mit schnar-
render Stimme:
„Vivienne, schöne Vivienne, Schönste der Schönen!"