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Herbert Silberer
Anklänge an Märdien- und Legendenmotive weist audi
folgender Traum einer anderen Dame auf, die wir »Paula« be-
nennen wollen.
Trau.m: »Es war wie in einem ägyptischen Tempel. An
einer Sdimalwand war eine Art Opferaltar, und viele Männer,
aber nicht infeierlichenGewändern <wie man es hätte er*
warten können) sind herumgegangen. Emma* und ich sind bei
dem Altar gestanden, und ich legte ein Schriftstück*®
auf den Altar, der nun wie ein großer steinerner Tisch aus*
sah. Ich sagte zu Emma: »Gib jetzt acht,- wenn das
wahr ist, dann muß auf dem Schriftstück das Opferblut
erscheinen. Emma lächelte ganz ungläubig, W i r
standen geraumeZeit,- plötzlich zeigte sich auf dem
Papier ein rostbrauner Fleck, der die Form eines
Tropfens annahm, und nach einerWeile noch einer***.
»Emma zitterteam ganzen Körper, Dann war
ich plötzlich auf freiem Feld und sah einen herr-
lichen Regenbogen. Ich rief die Gnädig et, um ihr
denselben zu zeigen, doch sie kam nicht. ■— Dann kam
ich in einen schmalen Weg, der von beiden Seiten von
hohen Mauern umschlossen war. Ich ging lange immer weiter, bis ich
plötzlich furchtbar ängstlich wurde, da dieser enge Weg kein
Ende nehmen wollte und ich ringsherum von den hohen Mauern
umgeben war. Ich schrie, um Leute herbeizurufen,
doch niemand kam. Endlich wurde die Mauer an einer Seite
niedriger,- ich sah hinüber und bemerkte, daß knapp neben der
Mauer ein breiter PI u ß war, so daß iah wieder keinen Aus*
weg fand. Ich ging weiter und sah einen Rosenstamm, der
entwurzelt war,- ich nahm mir vor, diesen Stamm
einzusetzen als Erinnerungszeichen für den Fall,
als ich hier umkäme,- und ich fing an, mit einem Steine, den ich
von der Mauer nahm, zu graben. Es war lauter schwarze
Gartenerde. Ich pflanzte den Stock ein, und, von der
Arbeit aufblickend, sah ich nun die Mauer ganz niedrig und da*
hinter lauter schöne Wiesen im Sonnenschein. Ich drehte mich um und
sah eine breite Straße, alles hell und frei. Und da dachte ich: mein
Gott, so lange bin ich in diesen engen Mauern herumgegangen, und
so sdiön und frei ist alles hier herum! Und da kamen viele
Leute die Straße daher, und ein ganzer Zug von Radfahrern und
Automobilen. Sie tuteten, und ich erwachte.«
Die beiden Motive des Traumes, die uns hier interessieren,
• Eine Freundin, mit der Paula oft beisammen ist/ sie würde sich
gegebenen Falls ebenso skeptisch benehmen, wie sie sich im Traume zeigt.
** Es war vergilbt,- ein älteres Blatt.
*** So wie sich durch Zusammenfalten eines Bogens Papier ein Fleck
abklatscht.
Frau Gölsen, in deren Haus Paula als Gesellschaftsdame angestellt ist.
Herbert Silberer
Anklänge an Märdien- und Legendenmotive weist audi
folgender Traum einer anderen Dame auf, die wir »Paula« be-
nennen wollen.
Trau.m: »Es war wie in einem ägyptischen Tempel. An
einer Sdimalwand war eine Art Opferaltar, und viele Männer,
aber nicht infeierlichenGewändern <wie man es hätte er*
warten können) sind herumgegangen. Emma* und ich sind bei
dem Altar gestanden, und ich legte ein Schriftstück*®
auf den Altar, der nun wie ein großer steinerner Tisch aus*
sah. Ich sagte zu Emma: »Gib jetzt acht,- wenn das
wahr ist, dann muß auf dem Schriftstück das Opferblut
erscheinen. Emma lächelte ganz ungläubig, W i r
standen geraumeZeit,- plötzlich zeigte sich auf dem
Papier ein rostbrauner Fleck, der die Form eines
Tropfens annahm, und nach einerWeile noch einer***.
»Emma zitterteam ganzen Körper, Dann war
ich plötzlich auf freiem Feld und sah einen herr-
lichen Regenbogen. Ich rief die Gnädig et, um ihr
denselben zu zeigen, doch sie kam nicht. ■— Dann kam
ich in einen schmalen Weg, der von beiden Seiten von
hohen Mauern umschlossen war. Ich ging lange immer weiter, bis ich
plötzlich furchtbar ängstlich wurde, da dieser enge Weg kein
Ende nehmen wollte und ich ringsherum von den hohen Mauern
umgeben war. Ich schrie, um Leute herbeizurufen,
doch niemand kam. Endlich wurde die Mauer an einer Seite
niedriger,- ich sah hinüber und bemerkte, daß knapp neben der
Mauer ein breiter PI u ß war, so daß iah wieder keinen Aus*
weg fand. Ich ging weiter und sah einen Rosenstamm, der
entwurzelt war,- ich nahm mir vor, diesen Stamm
einzusetzen als Erinnerungszeichen für den Fall,
als ich hier umkäme,- und ich fing an, mit einem Steine, den ich
von der Mauer nahm, zu graben. Es war lauter schwarze
Gartenerde. Ich pflanzte den Stock ein, und, von der
Arbeit aufblickend, sah ich nun die Mauer ganz niedrig und da*
hinter lauter schöne Wiesen im Sonnenschein. Ich drehte mich um und
sah eine breite Straße, alles hell und frei. Und da dachte ich: mein
Gott, so lange bin ich in diesen engen Mauern herumgegangen, und
so sdiön und frei ist alles hier herum! Und da kamen viele
Leute die Straße daher, und ein ganzer Zug von Radfahrern und
Automobilen. Sie tuteten, und ich erwachte.«
Die beiden Motive des Traumes, die uns hier interessieren,
• Eine Freundin, mit der Paula oft beisammen ist/ sie würde sich
gegebenen Falls ebenso skeptisch benehmen, wie sie sich im Traume zeigt.
** Es war vergilbt,- ein älteres Blatt.
*** So wie sich durch Zusammenfalten eines Bogens Papier ein Fleck
abklatscht.
Frau Gölsen, in deren Haus Paula als Gesellschaftsdame angestellt ist.