Psychoanalytische Eindrücke von einer Reise in England
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herrschen. Ihre Denkweise ist sehr egozentrisch, ihre Gefühls^
art egoistisch*.
Die Frau will die geistige Führung haben, und hat dafür einen
technischen Ausdruck: »the management«, der für uns Männer
des Kontinents etwas Unangenehmes, Verletzendes hat. **
R. Kisling gibt in seinem »Wee Willie Winkie« eine glänzende
Beschreibung des »managements«, die vollständig im Buche zu lesen
ist. Daraus sei nur folgender Satz gegriffen: »Try my recipe. Take
a man not a boy, mind but an a almost mature, unattached man,
and be his guide, philosopher and friend. You will find it the
most interesting occupation you ever embarked over, do exactly
what I teil you, profit by my instructions and counsels, and all
will yet be well. . .«. Der englische Flirt der Frau
trägt diesen gleichen exquisiten Zug. In der Ausübung des Sportes
zeigt die Frau ebensolche Eigenschaften des anderen Geschlechtes. ***
Die englische Frau ist die erste im Hause wie in der Gesell-
schaft, sie hält in sichtbarer Weise alle Fäden des Haus- und
Gesellschaftslebens. Ich möchte sagen, daß sie von einem Schein
umgeben ist,- im Vergleich zu ihr scheint der Mann eine Art akzes-
sorische Bedeutung zu haben <er ist der »chevalier servant«). Es
besteht eine Überschätzung, eine Überbetonung des eigenen Ich,
welche im Körperlichen, wie im Geistigen nachweisbar ist. f
Den allgemeinen Eindruck der fehlenden Weiblichkeit bekommt
man überall,- der Vergleich zweier Variete-Theatervorstellungen, die
eine in Paris <Folies Bergeres) und die andere in London <z. B.
Alhambra), gibt einen besseren Einblidc in diese Frage, als ausführ-
liche Berichte. Die Tänze, die Balletts sind in England hervor-
ragende turnerische Leistungen, es fehlt ihnen aber der weibliche
Charakter, die feminine Grazie. Sehr bezeichnend ist das englische
Schönheitsideal: keine reifen vollen Formen,- man strebt nach
* Sie sagt, »er liebt mich,« niemals »ich liehe ihn«,- sie macht sehr viel
1 oilette, trägt viel Juwelen,- »es macht meinem Mann so große Freude, mir zu
geben, er soll nur geben.« Leider ist der Ton, in dem alles das gesagt wird, die
begleitenden Gesten nicht wiederzugeben, es ist nämlich das Charakteristische daran.
** Ich protestierte einmal in Gesellschaft gegen den Ausdruck,- eine Dame
schlug »gentle influence« vor, was den weiblichen Einfluß auf den Mann in
unseren Ländern besser wiedergibt. Die suggestive Art unserer deutschen und
französischen Frauen ist »gentle influence«,- »the management« ist für die eng-
lische Frau charakteristisch, sie will in äußerlich sichtbarer Weise diri-
gieren. Vor dem Juweliergeschäft wird der Mann »managed«, bis er hineingeht und
kauft. Der technische Ausdruck für die gelungene Operation lautet dann »she
has get him in«.
Die Coeducation ist wohl nicht die Ursache dieses Hervortretens der
männlichen Züge beim Weib, wie es manchmal behauptet wird, sondern sie wird
eher durch diese Annäherung ermöglicht,- die Ursache ist tiefer zu suchen, wie
später angedeutet wird.
T Das Gemälde von Hunter: »Der Garten meiner Frau« (Tate Gallery)
scheint mir die Stellung der englischen Frau hübsch zu charakterisieren,- eine
schöne Frau geht majestätisch daher (»incessu dea patuit«) von drei Pfauen
begleitet.
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herrschen. Ihre Denkweise ist sehr egozentrisch, ihre Gefühls^
art egoistisch*.
Die Frau will die geistige Führung haben, und hat dafür einen
technischen Ausdruck: »the management«, der für uns Männer
des Kontinents etwas Unangenehmes, Verletzendes hat. **
R. Kisling gibt in seinem »Wee Willie Winkie« eine glänzende
Beschreibung des »managements«, die vollständig im Buche zu lesen
ist. Daraus sei nur folgender Satz gegriffen: »Try my recipe. Take
a man not a boy, mind but an a almost mature, unattached man,
and be his guide, philosopher and friend. You will find it the
most interesting occupation you ever embarked over, do exactly
what I teil you, profit by my instructions and counsels, and all
will yet be well. . .«. Der englische Flirt der Frau
trägt diesen gleichen exquisiten Zug. In der Ausübung des Sportes
zeigt die Frau ebensolche Eigenschaften des anderen Geschlechtes. ***
Die englische Frau ist die erste im Hause wie in der Gesell-
schaft, sie hält in sichtbarer Weise alle Fäden des Haus- und
Gesellschaftslebens. Ich möchte sagen, daß sie von einem Schein
umgeben ist,- im Vergleich zu ihr scheint der Mann eine Art akzes-
sorische Bedeutung zu haben <er ist der »chevalier servant«). Es
besteht eine Überschätzung, eine Überbetonung des eigenen Ich,
welche im Körperlichen, wie im Geistigen nachweisbar ist. f
Den allgemeinen Eindruck der fehlenden Weiblichkeit bekommt
man überall,- der Vergleich zweier Variete-Theatervorstellungen, die
eine in Paris <Folies Bergeres) und die andere in London <z. B.
Alhambra), gibt einen besseren Einblidc in diese Frage, als ausführ-
liche Berichte. Die Tänze, die Balletts sind in England hervor-
ragende turnerische Leistungen, es fehlt ihnen aber der weibliche
Charakter, die feminine Grazie. Sehr bezeichnend ist das englische
Schönheitsideal: keine reifen vollen Formen,- man strebt nach
* Sie sagt, »er liebt mich,« niemals »ich liehe ihn«,- sie macht sehr viel
1 oilette, trägt viel Juwelen,- »es macht meinem Mann so große Freude, mir zu
geben, er soll nur geben.« Leider ist der Ton, in dem alles das gesagt wird, die
begleitenden Gesten nicht wiederzugeben, es ist nämlich das Charakteristische daran.
** Ich protestierte einmal in Gesellschaft gegen den Ausdruck,- eine Dame
schlug »gentle influence« vor, was den weiblichen Einfluß auf den Mann in
unseren Ländern besser wiedergibt. Die suggestive Art unserer deutschen und
französischen Frauen ist »gentle influence«,- »the management« ist für die eng-
lische Frau charakteristisch, sie will in äußerlich sichtbarer Weise diri-
gieren. Vor dem Juweliergeschäft wird der Mann »managed«, bis er hineingeht und
kauft. Der technische Ausdruck für die gelungene Operation lautet dann »she
has get him in«.
Die Coeducation ist wohl nicht die Ursache dieses Hervortretens der
männlichen Züge beim Weib, wie es manchmal behauptet wird, sondern sie wird
eher durch diese Annäherung ermöglicht,- die Ursache ist tiefer zu suchen, wie
später angedeutet wird.
T Das Gemälde von Hunter: »Der Garten meiner Frau« (Tate Gallery)
scheint mir die Stellung der englischen Frau hübsch zu charakterisieren,- eine
schöne Frau geht majestätisch daher (»incessu dea patuit«) von drei Pfauen
begleitet.