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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 9.1923

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Heft 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.28544#0401

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BÜCHER

Dr. O. PFISTER: Zur Psychologie des philosophischen Denkens. Heft VI der
Schriften zur Seelenkunde und Erziehungskunst, Verlag Bircher, Bern 1322.
Diese kleine Schrift ist aus einem Vortrag hervorgegangen, den Pfister im Frühjahr 1922
in der philosophischen Gesellschaft Zürich hielt.
Im Gegensatz zu der von den meisten Philosophen vertretenen Auffassung, daß die
Gestaltung der philosophischen Systeme sich ganz unabhängig von der Affektivität ihrer
Schöpfer vollzieht, vertritt der Verf. die Ansicht, daß das philosophische Denken nicht
ein von allen subjektiven Einflüssen freies, sondern ein mehr oder weniger affektbedingtes
Denken sei. Um zu einem tieferen Verständnis des philosophischen Denkens zu kommen,
sei es nötig, zu den Trieben hinabzusteigen, aus denen Kunst, Religion und Philosophie
hervorgehen. Da wir die tiefsten Wurzeln geistigen Schaffens nur dann bloßlegen können,
wenn wir neben den bewußten auch die unbewußten Vorgänge aufsuchen und beobachten,
erscheint dem Autor das psychoanalytische Verfahren als die geeignetste psychologische
F orschungsmethode.
Das Denken, Fühlen und Wollen eines Menschen kann zwei deutlich zu scheidende
Richtungen einschlagen. Die eine weist von der Außenwelt weg gegen das eigene Ich
(introvertiertes Streben), die andere vom Ich zur Außenwelt (extravertiertes Streben). Das
philosophische Denken in seinen verschiedenen Ausprägungen geht zu einem großen Teil
aus dem introvertierten Denken hervor. Die Introversion führt zur Entwirklichung der
Außenwelt, deren stärksten Ausdruck der Solipsismus bildet. An einem analysierten
Fall zeigt der Verf., daß hier der theoretischen Leugnung der Wirklichkeit eine Verdrängung
und Verklemmung des Trieblebens vorausging. Es waren nicht in erster Linie intellek-
tuelle, sondern vor allem alfektive Momente, welche jenen philosophierenden Jüngling
zum lebensfremden Solipsisten werden ließen. (Es ist dann sehr interessant und erfreu-
lich zu sehen, wie Pfister, der Theolog ist, die religiöse Dogmatik ebenfalls als nach-
trägliche intellektuelle Verarbeitung eines primär vorhandenen unbewußten Wunsches
hinstellt.) Eine zweite Form des introvertierten Denkens, die am Werke Schopenhauers
erläutert wird, ist die Projektion des Ich in das Absolute. Durch die Abnahme des
„Du" (Introversion) entsteht eine Vergrößerung des „Ich", und dieses wird dann auf die
Welt (das Absolute, Gott) übertragen, welche dadurch die Züge des „Ich" annimmt (Ab-
solutes als Produkt der „Selbstvergottung": Brahmanismus). Eine dritte Form introver-
tierten Denkens stellt der Formalismus dar, der dadurch zustande kommt, daß sich
 
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