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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Meissner, Carl: Deutsche Volkskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0041

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XI. Jahrg. 1900.

Darmstadt.

Februar-Heft.

Peutsche Volkskunst

auf der volksthümlichen Ausstellung für „Haus und Herd" (Dezember 1899) in Dresden.

Von CARL MEISSNER, Dresden.

Peutsche Volkskunst: die Mehrzahl der kunstgewerblich
Schaffenden und Berathenden wissen oder fühlen es
doch nicht genug, welche Fülle von Aufgaben, die
noch in ernster, harter Arbeit gelöst werden müssen, in dem
Worte stecken und welche tief innerliche Bereicherung unser
nationales Sein aus ihrer Verwirklichung erfahren könnte.

Unsere volksthümliche Ausstellung ist der erste wichtige
praktische Schritt auf diesem Wege, ein Schritt, der noch
etwas unsicher gethan wird, der aber deshalb doch Vorbild-
lichkeit behält. Hingewiesen ist auf den Weg, auf dem er
vorwärts führt, nun schon eine gute Weile. So wird es denn
nöthig, zunächst etwas Gedankengeschichte zu treiben.

Der erste scharfe Strauss wurde im Juli 1891 um die
Volkskunst-Ideale ausgefochten. Ferdinand Avenarius hatte
in seinem »Kunstwart« und seinem »Kunstgewerbe« darüber
geschrieben und zum Theil auf seine Anregungen hin gab
Otto Schwindrazheim seine »Beiträge zur Volkskunst« heraus.
Die wurden dann von dem Wiener Museumsdirektor Dr.
Albert Ilg mit massloser Heftigkeit in der »Neuen Freien
Presse« besprochen oder richtiger beschimpft, worauf der
Kunstwart in einer sachlichen Entgegnung deutlicher als
bisher seine Meinung darlegte. Gleichzeitig, zumeist später
traten dann Hans Schliepmann, Lichtwark, Paul Schumann,
Robert Mielke und andere in den Kampf um eine deutsche
Volkskunst ein und die Vorlagenwerke von Meurer, Seder
und Gerlach, theilweise aus anderen Absichten entstanden,
halfen einen Theil dieser Gedanken praktisch fördern.

Was waren nun die Ursachen und der Inhalt dieser
Kampfgedanken? Beschränken wir uns darauf sie wieder-
zugeben, soweit sie die angewandte Kunst des inneren Hauses

betrafen, nicht nur weil uns hier nur das angeht, sondern
auch weil der Sehwinkel sofort ein anderer werden muss,
sobald es sich um hohe Kunst der Form oder der Farbe
handelt. Die Ursachen dieser Gedanken kamen aus Beobach-
tungen , die nach zwei Seiten gingen. Einmal sah man die
Resultate der Stilhetze durch alle Stile des Mittelalters und
der Neuzeit und den Nouveauteschwindel, der sie oder den
sie veranlasst hatte, allmählich denn doch mehr und mehr
mit sehr kritischen Blicken an. Fand man die Stücke, die
für die Bedürfnisse der Reichen produzirt wurden, wenigstens
technisch meist gut, wenn auch künstlerisch starr und ohne
eigene schöpferische Empfindung, so wurde es ganz arg sah
man auf das, was für die Bedürfnisse der minder Bemittelten
gemacht wurde. Da war ja die als ärmlich verachtete Bieder-
meierzeit künstlerisch glänzend dagegen! Das ärgste protzige
Schein- und Schwindelwesen ging da frech in die Breite. Da
wurde in Material und Technik, in Form und Farbe aufs
Widerwärtigste gelogen. Man beklebte die Wände mit Tapeten,
die aussahen wie Leder oder Leinwand und doch von Papier
waren, man überstrich das kräftig gemaserte Fichtenholz der
Thüren und Fenster und malte dann künstliche Eichenmaserung
darauf: »Kücheneiche« oder »Saloneiche« ganz nach Bedarf.
Die Fussböden überdeckte man mit Läufern, die uns vor-
machen sollten dass es Fliesen seien. Und in solche würdig
hergerichtete Umgebung stellte man dann Möbel, die weder
schön noch zweckmässig waren. Wie eine alternde, hässliche,
verwachsene Frau sich ausputzt und schminkt um schön zu
scheinen, so waren auch sie degenerirte Abkommen einst herr-
licher Ahnen aus den grossen Zeiten des Kunstgewerbes. In
ihrem »Bau«, in ihrer konstruktiven Grundform waren sie hässlich

1900 II. 1.
 
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