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INNEN-DEKORATION
eine fast uneingeschränkte Alleinherrschaft weiter be-
hauptete. Heute werden hoffentlich unsere Frauen, die
zum großen Teile durch eine harte Schule gegangen sind,
ihre Schmucke, Kleider und Hüte wenigstens nicht kritik-
los von der Seine herübernehmen, zumal die Gelegenheit,
fashionable, internationale Luxusbäder und Sportplätze
aufzusuchen und dort alles Fremdländische nachzuäffen,
stark eingeschränkt sein wird. Die deutsche stilbildende
Kraft hat in dem Jahrzehnt vor dem Weltkrieg einen so
außergewöhnlichen Aufschwung genommen und wird sich
ohne Zweifel, zumal gerade die führenden Kunst- und
kunstgewerblichen Zeitschriften die ganze Kriegszeit in
geradezu glänzender Weise durchgehalten haben, voraus-
sichtlich rasch ihre Stellung wieder zu gewinnen und zu
erhalten wissen. Es kann somit — und das wollen wir
zuversichtlich hoffen — vom Jahre 1919 an ein Bild ent-
stehen, das im ausgesprochenen Gegensatze zu dem des
Jahres 1871 liegt. Das Ausland, das den bewunderns-
werten Aufstieg unseres Landes vor dem Krieg mit nei-
dischen Blicken verfolgte, wird auch jetzt, wenn wir das
bisher Erreichte mit echt deutscher Zähigkeit und Kon-
sequenz zu noch höheren Triumphen führen, zumal auch
Deutsch-Osterreich mit seinem besonders kunststarken
Zentrum Wien wieder in unsere Arme zurückgekehrt
sein wird, eine hohe Blüte der Stilbildung wie des kunst-
gewerblichen Schaffens nicht außer Acht lassen können.
Und gerade wenn unsere bisherigen Gegner durch den
endgültigen Sieg überstolz gemacht, durch gewaltige Ent-
schädigungen, die sie uns abpressen, auf die Bahn des
leichten Wohllebens und einer bequemen Erschlaffung
geraten sollten, werden wir, durch den rauhen Zwang
dazu genötigt, die äußersten Kräfte aus unserem Volks-
tum herauszuholen, in eine vorteilhafte Lage gebracht.
Das »Volk der Dichter und Denker«, das den habgierigen
Krämerseelen des Auslandes ungefährlich schien, wird
zuversichtlicherweise erst recht die Bestimmung über-
nehmen können, auf künstlerischem Gebiete zu
führen, wie es im Altertum dem kleinen Grie-
chenland beschieden war, dem gewaltigen rö-
mischen Weltreich seine Kultur aufzuzwingen.
Und so wollen wir trotz der schweren und harten Zeit,
die uns bevorsteht, das Vertrauen zu uns selbst nicht
verlieren. Es wird doch schließlich bei einem Sieg der
Qualität bleiben. Handelt es sich auch vorläufig in
erster Reihe um eine ästhetische Frage, so wird doch
über kurz oder lang auch das volkswirtschaftliche Moment
hinzutreten und uns nach und nach wieder einen mate-
riellen Segen für eine gediegene Arbeit gönnen. Nur nicht
verzweifeln!............... gustav e.pazaurek.
£
Der ärmliche Lebenszuschnitt, den wir zu erwarten
haben, wird der Verschwendung aller Kreise unseres
Volkes auf nur zu vielen Gebieten steuern, die Zeit und
Kraft für wirkliche »Kunst« und »Kultur« aber nicht be-
schränken. Daher braucht auch die Baukunst den Unter-
gang einer Staatsform nicht zu bedauern, die herrliche
Werke geschaffen oder doch begünstigt hat, die uns aber
vor traurigstem Abstieg nicht bewahren konnte, paulsen.
INNEN-DEKORATION
eine fast uneingeschränkte Alleinherrschaft weiter be-
hauptete. Heute werden hoffentlich unsere Frauen, die
zum großen Teile durch eine harte Schule gegangen sind,
ihre Schmucke, Kleider und Hüte wenigstens nicht kritik-
los von der Seine herübernehmen, zumal die Gelegenheit,
fashionable, internationale Luxusbäder und Sportplätze
aufzusuchen und dort alles Fremdländische nachzuäffen,
stark eingeschränkt sein wird. Die deutsche stilbildende
Kraft hat in dem Jahrzehnt vor dem Weltkrieg einen so
außergewöhnlichen Aufschwung genommen und wird sich
ohne Zweifel, zumal gerade die führenden Kunst- und
kunstgewerblichen Zeitschriften die ganze Kriegszeit in
geradezu glänzender Weise durchgehalten haben, voraus-
sichtlich rasch ihre Stellung wieder zu gewinnen und zu
erhalten wissen. Es kann somit — und das wollen wir
zuversichtlich hoffen — vom Jahre 1919 an ein Bild ent-
stehen, das im ausgesprochenen Gegensatze zu dem des
Jahres 1871 liegt. Das Ausland, das den bewunderns-
werten Aufstieg unseres Landes vor dem Krieg mit nei-
dischen Blicken verfolgte, wird auch jetzt, wenn wir das
bisher Erreichte mit echt deutscher Zähigkeit und Kon-
sequenz zu noch höheren Triumphen führen, zumal auch
Deutsch-Osterreich mit seinem besonders kunststarken
Zentrum Wien wieder in unsere Arme zurückgekehrt
sein wird, eine hohe Blüte der Stilbildung wie des kunst-
gewerblichen Schaffens nicht außer Acht lassen können.
Und gerade wenn unsere bisherigen Gegner durch den
endgültigen Sieg überstolz gemacht, durch gewaltige Ent-
schädigungen, die sie uns abpressen, auf die Bahn des
leichten Wohllebens und einer bequemen Erschlaffung
geraten sollten, werden wir, durch den rauhen Zwang
dazu genötigt, die äußersten Kräfte aus unserem Volks-
tum herauszuholen, in eine vorteilhafte Lage gebracht.
Das »Volk der Dichter und Denker«, das den habgierigen
Krämerseelen des Auslandes ungefährlich schien, wird
zuversichtlicherweise erst recht die Bestimmung über-
nehmen können, auf künstlerischem Gebiete zu
führen, wie es im Altertum dem kleinen Grie-
chenland beschieden war, dem gewaltigen rö-
mischen Weltreich seine Kultur aufzuzwingen.
Und so wollen wir trotz der schweren und harten Zeit,
die uns bevorsteht, das Vertrauen zu uns selbst nicht
verlieren. Es wird doch schließlich bei einem Sieg der
Qualität bleiben. Handelt es sich auch vorläufig in
erster Reihe um eine ästhetische Frage, so wird doch
über kurz oder lang auch das volkswirtschaftliche Moment
hinzutreten und uns nach und nach wieder einen mate-
riellen Segen für eine gediegene Arbeit gönnen. Nur nicht
verzweifeln!............... gustav e.pazaurek.
£
Der ärmliche Lebenszuschnitt, den wir zu erwarten
haben, wird der Verschwendung aller Kreise unseres
Volkes auf nur zu vielen Gebieten steuern, die Zeit und
Kraft für wirkliche »Kunst« und »Kultur« aber nicht be-
schränken. Daher braucht auch die Baukunst den Unter-
gang einer Staatsform nicht zu bedauern, die herrliche
Werke geschaffen oder doch begünstigt hat, die uns aber
vor traurigstem Abstieg nicht bewahren konnte, paulsen.