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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 30.1919

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Bredt, Ernst Wilhelm: Bildung durch Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.10021#0341

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INNEN-DEKORATION

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ENTW. GERTRUD KIRMSE-BERLIN KÜCHE. AUS]'.: R.BOHRA & SOHN-OELSN1TZ I.V.

schichte des Volkes nur eine nebensächliche Rolle. Mit
Ausnahme des letzten Jahrhunderts, in dem die Zahl
derer, die nicht lesen konnten, gering geworden, waren
Rede, Zeichen, Bilder die Grundlage der Bildung des
Volkes. Wenige nur, nämlich die Großen, die Reichen,
die Geistlichen und Geistigen genossen den Vorteil des
Lesens und Schreibens, waren die Erzieher des aller-
größten Teiles des Volkes. Brachte Gutenbergs Erfin-
dung der Buchdruckerkunst einst die Völker zu neuer
Entwicklung, so war das auch nur mittelbar geschehen
durch einen kleinen Kreis bevorzugter Anreger und Er-
zieher, Dichter und Künstler. Immer blieben noch Bild
und Bühne, blieb Illustration, blieb Holzschnitt und Kupfer-
stich, Malerei und Bildnerei beste Vermittlerin zwischen
den bewegenden Führern und den bewegten Massen.

Wer nur einmal einen der alten, großen, reichen Dome,
wie den von Freiburg i. B., Straßburg, Reims, Amiens,
— Bauten, die von der Bilderstürmerei verschönt ge-
blieben, — sich gründlich von außen und innen betrach-
tete, der hat eine schönere Form von Bilderbuch zur
ganzen großen Weltgeschichte gesehen, als es heute die
trockenen Artikel eines Konversationslexikons darstellen.
Alles, alles sah in und am Dom der Lesenskundige ab-
gebildet in Stein und Glas, in Buch und Pergament, in
Schnitzereien und Teppichen, an Brunnen und Kanzeln,
Türen und Altären. — Die Reliefs und Statuen erzählten

die ganze Weltgeschichte von Adam und Eva an bis zu
den Herrschern und Baumeistern ihrer Zeitgenossen.
Fabeln und Pflanzen, Sternbilder und Sagen und Legen-
den, alle Heiligen und alle profanen Arbeiten des Jahres,
der Monate, Grausiges und Liebliches, Hohes und Nied-
riges, die ganze Welt und alle Tugenden und Schlechtig-
keiten der Menschen waren da zu schauen. Und noch
viel mehr: Übersinnliches und Phantastisches, Bilder, die
nachdenklich machen mußten, und andere, die träumerisch
machten von Glück und Leid. Und wer nun gar in die
mit Bildern erfüllten Bücher der Geistlichen und der
Ritter, oder in die eigentlichen »Armen-Bibeln« schauen
konnte, wer von diesen die Geschichten vernahm aus
alter heiliger Zeit oder rauherer Gegenwart, was fehlte
dem noch, um sich geistig reich zu machen, zum geistigen
Besitzer alles dessen fast, was die Welt damals besaß?

Wie viel wäre noch vom Bilderreichtum, Bilderwert
und Bilderglück jener Zeit zu sagen und all der folgen-
den. Wie viel wäre eng zu vergleichen, bald zum Vorteil
unserer Bildungsmöglichkeit und Freiheit, bald zu un-
serem Leid. Alle Jahrhunderte waren im Bilde freier
als das letzte, das so romantisch fühlte und schuf, und
doch so engherzig schulte, schulmeisterte.

Wenn am Film der Gegenwart die Romantik des
Reichtums und die Sensation des Verbrechens getadelt
wird, so muß immerhin erinnert werden, daß auch damals
 
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