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Kampf des ionischen Helden ist sicher älter als der in Troezen-Attika localisierte
Theseusmythus. Er ist auch bildlich früher ausgeprägt und es ist sehr unwahr-
scheinlich, dafs dies in Attika zuerst geschehen sei. Unter dem Einhufs der attischen
Palästra wurde die chalkidische zum Ringkampf, wo das Schwert eigent-
lich unberechtigt ist. Waren die ältesten Theseusdarstellungen in Athen aus Chalkis
importiert und den von Furtwängler publicierten ähnlich, so begreift man, wie an
der den Athenern fremden Haartracht der Name des Helden haften blieb. Die
(T/j$ypc war in Athen eben nur von chalkidischen Darstellungen des Theseus her
bekannt.
Von ganz anderm Ausgangspunkte kam Löschcke zu der Vermuthung, dafs
die Darstellung des gorgonentödtenden Perseus auf Ckalkis zurückzuführen sei
(Arch. Zeitung 1881 S. ßi). Auch ihm hei die noch auf den jüngeren, durch das
Alphabet zu hxierenden häuhge Bartlosigkeit auf. Es ist einleuchtend, wie verwandt
dieses Kampfschema dem von Furtwängler nachgewiesenen ältesten Minotaurus-
Kampfe ist. Sie sind nicht unabhängig von einander zu denken. Auch auf einem
andern altionischen Kunstwerk möchte ich unser Schema wieder erkennen, am Thron
des Amykläischen Apollon von Bathykles. Die Worte des Pausanias III, 18, 11:
Tov 8a Mfvrn xAotlyavov taupov oux oioot dvT ono Ttsttotyxs BxrDx^yjg oeSepevov re xal
dyoyevov utto OyAm? (mvia enthalten sicher ein Mifsverständnifs. Betrachtet man die
korinthische Goldplatte und setzt voraus, dafs Pausanias verführt durch die ruhige
Haltung des Ungeheuers das Schwert des Theseus für einen Strick hielt, so stimmt
seine Beschreibung ganz genau'". Besonders gut würde hierzu als Gegenstück die
sehr bald darauf erwähnte Perseusthat passen. Haben wir auf Grund der in Griechen-
land auf Euböa beschränkten Haartracht eine kleine Gruppe alterthümlicher Monu-
mente als chalkidisch erkannt, so ist eine Bereicherung unsres Wissens hauptsächlich
von den ältesten etrurischen Arbeiten griechischen Stiles zu erwarten. Thongefäfse
von Kyme bilden in Etrurien und Latium den ältesten Import, die nächsten Analo-
gien zu dem Goldschmuck fanden sich gleichfalls in Etrurien. Dafs die halbbarba-
dies für zwingend hält, folgt nicht, dafs ein ur-
sprünglich chalkidischer Typus vorliegt (Furt-
wängler a. a. O. S. 106), vielmehr ist die Vase
trotz des Theta mit liegendem Kreuz und des
epischen Tctüpo<; Mo/Gt.o<; ziemlich spät und sicher
von attischen Vorbildern abhängig.
1°) Anders versucht Klein (Archäol. epigr. Mitth.
IX S. 152) das Mifsverständnifs zu erklären, in-
dem er am Throne einen p.ooyoydpo^ voraussetzt,
doch scheint mir dies sprachlich ausgeschlossen,
da für den Griechen ayetv und (peps^ geradezu
Gegensätze sind. Wenn die Wiederholung der
Scene anstöfsig ist, so ist eher an der andern
Stelle ein Mifsverständnifs anzunehmen. iöv
Möu) xVoüp.E'/ov Taüpov deutet an, dafs Pausanias
die euhemeristische Deutung des Philochoros
(Plut. Thes. 19) kannte, auch das spricht gegen
den Marathonischen Stier. Der Chor des The-
seus und der Ariadne, den Klein mit Glück hier
einsetzt, pafst auch weit besser zum Minotaurus-
kampfe. Vielleicht ist in den korinthischen
Goldplatten ein ähnlicher Zusammenhang. Ob
dagegen Pausanias den Helenaraub des Theseus
mit Recht am Amykläischen Thron erblickte,
ist mir fraglich: die archaische Kunst kennt
nur die kretischen Abenteuer des Helden. Ein
weiteres von Furtwängler nicht angeführtes
Exemplar unsres Typus ist das sonderbare, doch
bei Micali 1844 T. IV 1,
wenn auch die freiere Haltung des zusammen-
brechenden Minotaurus einen Übergang zu dem
späteren Typus bildet.