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der Zeichnung hat die Ritzlinie die ausgedehnteste Anwendung. Deckfarben werden
häuhg angewandt. Die pflanzlichen Motive sowie die besonderen Palmettenarten
unserer Vasen sind ganz verschwunden, nur die Haken mit umgebogener Spitze
spielen noch eine grofse Rolle. Die Zickzacklinien kommen nur noch in sehr
abgekürzter Form vor, überhaupt treten die Füllornamente — am stärksten noch
auf der attischen Amphora — zurück. Auf dem offenbar jüngsten Stücke, der
Schüssel von Ägina, sehen wir schon die Palmetten-Lotosbänder. In der Zeichnung
der Figuren ist von geometrischer Stilisierung keine Spur mehr. Inhaltlich ist das
Hervortreten mythologischer Darstellungen bemerkenswert (Perseus und die Gor-
gonen, Prometheus und der 'Ay- des Benndorf'schen Fragmentes). Welchen
Zeitraum die grofse Entwickelung, die von unserer Vasengattung an bis zu der
eben besprochenen Gruppe stattgefunden hat, in Anspruch genommen hat, welche
Einflüsse wirksam waren, das kann mit dem vorliegenden Materiale nicht entschieden
werden. Einen Übergang bildet der von Birch veröffentlichte Krater, den Burgon
aus Athen mitgebracht hat (s. Birch ZA'Vwy S. 184., n. I2ß). Er
steht durch Typus und Zeichnung der Löwen, durch Ornamente wie die zahlreichen
Haken, die Punkte zwischen den Strahlen, endlich durch die Häufung der Füllmotive
unseren Vasen nahe. Neuerungen sind das Fortlassen der Zickzacklinien und die
Anwendung der länglichen vom Rande herabhängenden Blättchen. Die nächste
Analogie zu der so veränderten Ornamentik bieten die rhodischen Gefäfse; deshalb
nun aber rhodische Einwirkung auf die attische Keramik anzunehmen, wäre min-
destens verfrüht. Wenn durch reichlicheres Material die Lücken ausgefüllt sein
werden, die zwischen unserer Vasengattung und der Frangoisvase klaffen, wird sich
hierüber vielleicht eher urteilen lassen. Für jetzt sind durch die Burgon'sche
Schüssel und die durch die Äginaschüssel repräsentierte Gruppe eben nur einige
Punkte der zwischen beide fallenden Entwickelung fest gelegt.
Positive Ergebnisse hat unsere Untersuchung kaum ergeben. Wir müssen
vorläufig damit zufrieden sein, neues Material gewonnen zu haben, das der For-
schung wenigstens bestimmte Wege weist. Wir wissen jetzt, wie die Waare etwa
aussah, die in vorsolonischer Zeit den attischen Markt beherrschte; es wird in
Zukunft wol noch gelingen, auch ihre Provenienz zu bestimmen, für die wir nur
vermutungsweise auf die Colonien an der Westküste Kleinasiens hinweisen konnten.
Damit wird wieder für die Erkenntnifs des mykenischen Stiles und seiner Ge-
schichte und für die der Entwickelung der griechischen Kunst aus der myke-
nischen manches gewonnen werden. An sich schon ein nicht zu unterschätzender
Gewinn ist endlich der Einblick in das attische Handwerk um die Wende des
siebenten Jahrhunderts, vor dessen entschiedener Regsamkeit, künstlerischem Wollen
und technischem Können wir Achtung haben müssen. Es ist aber nicht der ge-
ringste Grund vorhanden, von dieser Seite etwa an dem wirklich attischen Ursprünge
der Gefäfse zu zweifeln. Man mufs nur den alten Satz festhalten, dafs eine Kunst-
art mit Notwendigkeit da Wurzel fafst und wächst, wo Material und Nachfrage
vorhanden ist. An Material aber lieferte der attische Boden das trefflichste, und