58 CLAUSEN.
von Pfeilersteillingen begrenzt, an denen sich auf Consolen und unter Baldachinen kleine Gestalten
von Aposteln, Heiligen und Engeln befinden. Obervvärts schliesst eine unendlich reiche durch-
brochene Tabernakelarchitektur mit vielen kleinen hineingestellten Figuren das prächtige Werk ab.
Ausser einer selten vortrefflichen Erhallung, dem Reichthum und der Bravour der Dar-
stellung, muss als charakteristisch der genrehafte und naturalistische Charakter der Compo-
sition und Arbeit hervorgehoben werden. Anstatt z. B. in der ersten Darstellung die Be-
stürzung und Tragik des entsetzlichen Momentes nahe vor der Kreuzigung wiederzugeben,
Figur welche das Kreuz sägt. Erste Figur bei der Kreuzabnahme links vom Beschauer.
erblicken wir das Zimmern und Sägen des Kreuzes gleich einem Vorfall des ge-
wöhnlichsten Lebens. Christus selbst, schon entblösst, mit Dornenkrone und gebundenen
Händen, schaut auf einem Felsen sitzend ruhig zu. Herumlaufende Hunde fehlen
nicht, und einer der Kriegsknechte hat sieh sogar gemüthlich auf das Kreuz gesetzt. Im
Hintergrunde der Kreuzigung erblickt man Jerusalem im thurmreichen Mauerringe, die Seelen
der beiden nicht angenagelten sondern angebundenen Schächer werden als Kindergestalten
einerseits von einem Engel, andrerseits von einem Teufel in Empfang genommen. Magda-
lena kniet in leidenschaftlicher Geberde vor dem Kreuz. Die Vortrefflichkeit in der Charak-
teristik und Ausführung des Einzelnen — die so weit geht, dass das Riemzeug der Pferde
aus wirklichem Leder zugefügt ist, viele Figuren, Sprüche und Namen auf den Gewandsäu-
men tragen, eine der weinenden Frauen, bei der Kreuzigung zu äusserst links vom Beschauer,
zum Trocknen der Thränen das Schnupftuch emporhält — wird deutlicher, als es der zu
kleinen Abbildung möglich ist,2 aus den beigefügten Holzschnitten sich kennzeichnen.
Bei Besprechung der Calcarer Holzschnitzwerke suchten wir darzulegen,3 dass Brabant
und Flandern die Heimath der niederrheinischen Holzschnitzwerke seien. Für die gleiche
2. Dieselbe hat leider durch die Hände des Lithographen eine Verschlechterung erfahren
z. B. ruht der Todtenkopf am Kreuzesfuss der mehr im Vordergründe knienden Magda-
lena scheinbar auf der Schulter.
_gf 3. Vgl. I pag. XXI und 25. und II pag. 2.
von Pfeilersteillingen begrenzt, an denen sich auf Consolen und unter Baldachinen kleine Gestalten
von Aposteln, Heiligen und Engeln befinden. Obervvärts schliesst eine unendlich reiche durch-
brochene Tabernakelarchitektur mit vielen kleinen hineingestellten Figuren das prächtige Werk ab.
Ausser einer selten vortrefflichen Erhallung, dem Reichthum und der Bravour der Dar-
stellung, muss als charakteristisch der genrehafte und naturalistische Charakter der Compo-
sition und Arbeit hervorgehoben werden. Anstatt z. B. in der ersten Darstellung die Be-
stürzung und Tragik des entsetzlichen Momentes nahe vor der Kreuzigung wiederzugeben,
Figur welche das Kreuz sägt. Erste Figur bei der Kreuzabnahme links vom Beschauer.
erblicken wir das Zimmern und Sägen des Kreuzes gleich einem Vorfall des ge-
wöhnlichsten Lebens. Christus selbst, schon entblösst, mit Dornenkrone und gebundenen
Händen, schaut auf einem Felsen sitzend ruhig zu. Herumlaufende Hunde fehlen
nicht, und einer der Kriegsknechte hat sieh sogar gemüthlich auf das Kreuz gesetzt. Im
Hintergrunde der Kreuzigung erblickt man Jerusalem im thurmreichen Mauerringe, die Seelen
der beiden nicht angenagelten sondern angebundenen Schächer werden als Kindergestalten
einerseits von einem Engel, andrerseits von einem Teufel in Empfang genommen. Magda-
lena kniet in leidenschaftlicher Geberde vor dem Kreuz. Die Vortrefflichkeit in der Charak-
teristik und Ausführung des Einzelnen — die so weit geht, dass das Riemzeug der Pferde
aus wirklichem Leder zugefügt ist, viele Figuren, Sprüche und Namen auf den Gewandsäu-
men tragen, eine der weinenden Frauen, bei der Kreuzigung zu äusserst links vom Beschauer,
zum Trocknen der Thränen das Schnupftuch emporhält — wird deutlicher, als es der zu
kleinen Abbildung möglich ist,2 aus den beigefügten Holzschnitten sich kennzeichnen.
Bei Besprechung der Calcarer Holzschnitzwerke suchten wir darzulegen,3 dass Brabant
und Flandern die Heimath der niederrheinischen Holzschnitzwerke seien. Für die gleiche
2. Dieselbe hat leider durch die Hände des Lithographen eine Verschlechterung erfahren
z. B. ruht der Todtenkopf am Kreuzesfuss der mehr im Vordergründe knienden Magda-
lena scheinbar auf der Schulter.
_gf 3. Vgl. I pag. XXI und 25. und II pag. 2.